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Studie

Smartphones drängen Navis ab

Mit der Rechenleistung, die in einem Handy steckt, hätte man die Apollo-Missionen (1961-1975) organisieren können. Oder anders rum: Mit der Rechenleistung des seinerzeitigen Apollo-Computers ließe sich heute nicht einmal mehr ein Mobiltelefon starten - 74 Kilobyte Speichervolumen hatte der etwa 30 Kilogramm schwere "Apollo Guidance Computer", sein Arbeitsspeicher war vier Kilobyte groß. Mit heutigen Smartphones ist dieses Gerät freilich überhaupt nicht mehr vergleichbar. Handys sind in den vergangenen Jahren eben zu mobilen Computern mutiert, die immer mehr Geräten und Produkt-Gattungen hart zusetzen.

Wecker sind längst schon aus der Mode gekommen, da viele die Weck-Funktion in ihren Handys nutzen. Ebenso ist es mit Taschenrechnern und mit dem Terminkalender. Zwar gibt es noch immer einige, die lieber auf Geschriebenes setzen, aber Taschenkalender bzw. Organizer sind nicht mehr so gefragt wie früher.

Die Smartphone-Attacke

Doch nun attackiert das Smartphone Produkte, die ebenfalls erst im IT-Zeitalter das Licht der Technikwelt erblickt haben. Das schwedische Marktforschungs-Institut Berg Insight prognostiziert in einer aktuellen Studie, dass Navigationsgeräte Opfer des Smartphones werden. Nach 2010, mit geschätzten 40 Millionen Navi-Verkäufen, werden zwar 2011 noch einmal mit 42 Millionen verkauften Geräten weltweit ein Rekord aufgestellt, danach gehe es aber stark nach unten. 2015 sollen laut Berg-Insight-Schätzung nur noch 30 Millionen Geräte weltweit verkauft werden.

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"Zum einen gibt es den Rückgang, weil der Markt gesättigt ist, zum anderen aber, weil bei der mobilen Navigation das Smartphone und nicht mehr ein kleines, tragbares Navi genutzt wird", erklärt BergInsight-Analyst Andre Malm. Nachdem Google (Google Maps Navigation) und Nokia (Ovi Maps) die Navigations-Funktion kostenlos bereitstellen, verzichten viele darauf, sich ein eigenes Navi zuzulegen.

Navis sind in den vergangenen Jahren zu einem fixen Bestandteil in unseren Autos geworden; mitunter auch Motorrädern oder auch bei Wanderausflügen. Die Geräte von TomTom, Garmin, Navigon - um die drei Weltmarktführer zu nennen -, haben aber hart gegen die Phalanx der Smartphones zu kämpfen. Praktisch jedes ist mit GPS ausgerüstet und kann - auch wenn mitunter manchmal der Bildschirm kleiner ist - die Funktion eines Navis übernehmen. Hinzu kommt ein weiteres Problem, dass Navis bei vielen Auto-Modellen bereits Teil der Grundausstattung, und - wenn nicht - von vielen Käufern als Sonderausstattung dazu gekauft wird; weil sie integrierte Lösungen bevorzugen, bei denen das Gerät in der Konsole eingebaut ist.

Die neuen Navi-Ideen

Die Navigationsgeräte-Weltmarktführer Garmin und TomTom geben sich allerdings noch nichtgeschlagen und versuchen nun mit Echtzeit-Navigation zu punkten, die sie in Automarken wie Mazda, Fiat oder Renault einbauen. Auch mit 3D-Darstellung und Sprachsteuerung wollen sie Kaufargumente für ihre Produkte liefern. TomTom kooperiert bei seinem "Real-time-Service" mit Vodafone - das anonymisiert die Daten ihrer User zur Verfügung stellt. Dort, wo sich viele Handy-User gleichzeitig aufhalten und sich langsam fortbewegen, kann man (wenn die User auf Straßenkarten projiziert werden), kann man von Stau bzw. Verkehrsbehinderungen ausgehen. Zudem hoffen die Hersteller noch auf einen weiteren Effekt: Dass es noch viele Kunden gibt, die - sollte sie die Navi-Funktion nicht eine Standardausstattung im Auto sein - zu einem zweiten Gerät greifen. Ähnlich wie es auch einen Trend zum Zweithandy gebe.

Smartphone-Opfer Digicam

Die Navis sind nicht die ersten Opfer der Smartphones, die davor den MP3-Player-Markt attackiert haben. Zwar werden noch immer Millionen Musicplayer verkauft, aber auch deren Verkaufszahlen gehen zurück. Apple demonstriert selbst, wie iPhone und iPad dem klassischen Musikplayer iPod zusetzen. 55,4 Millionen wurden 2008 verkauft, im vergangenen Jahr waren es bereits um drei Millionen weniger und heuer wird erwartet, dass die Verkaufsmarke unter 50 Millionen sinken wird. Noch immer ein gewaltiger Markt, aber er geht zurück.

Bei den Digicams ist/war es nicht anders. Da in Smartphones immer bessere Kameras integriert sind, verzichten Schnappschuss-Fotografen auf eine klassische Digitalkamera: 140 Millionen Digicams, digitale Spiegelreflexkameras (DSLR) und Hybrid-Kameras wurden 2008 verkauft. 2009 sanken die Verkaufszahlen um etwas mehr als zehn Prozent auf 125 Millionen. Bei der Nokia-Messe "Nokia World" in London bezeichnete sich Nokia selbst als größer Digicam-Produzent der Welt - weil in jedem der verkauften Smartphones - 260.000 pro Tag - eine Kamera integriert ist. Hinzu kommen noch jene Handys, die nicht smart sind aber mit denen man dennoch fotografieren kann.

Wie trendig es ist, Motive mit seinem Smartphone abzulichten, zeigt die Statistik auf dem Fotoportal Flickr. Dort führt das iPhone 3G die Kamerastatistik an. "2010 werden die Kamera-Verkaufszahlen wieder auf etwa 150 Millionen steigen", prognostiziert Analyst Malm. "Aber für diesen Zuwachs sind vor allem die DSLR und Hybrid-Kameras zuständig."

(Gerald Reischl)

!Bis 2015, so eine aktuelle Studie des US-Handy-Chip-Herstellers Qualcomm, wird sich die Zahl der Smartphone-Besitzer verdreifachen. 2011 wird der Smartphone-Anteil auf 22 Prozent steigen, im Jahr 2012 sind es 27, 2013 schon 33 und 2014 38 Prozent. 2015 wird bereits fast jeder zweite Mobiltelefon-Nutzer mit einem smarten Gerät telefonieren, surfen etc.

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