“Das Internet ist der Rettungsanker der Musikindustrie”
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Mit Spotify hat Musikstreaming in Ländern wie Österreich seinen Durchbruch geschafft. In den vergangenen Jahren schwenkten viele Nutzer, die sich zunächst mit MP3s und dem Download von Musik angefreundet hatten, auf Streaming um. Mittlerweile sind zahlreiche Angebote auf dem Markt, zuletzt hat auch Google sein Streamingangebot All Access in Österreich gestartet. Doch Spotify sieht sich dennoch nicht unter Konkurrenzdruck.
“Momentan spüren wir das nicht”, sagt Stefan Zilch, Geschäftsführer von Spotify Deutschland, Österreich und Schweiz, im Interview mit der futurezone. “Millionen von Kids die vorher illegal Musik gehört haben, nutzen jetzt unser legales Angebot. Bis jetzt merken wir keinen gestiegenen Druck. Unser Wachstum ist ungebrochen.” Dabei beginnen die “Einsteiger” bei Spotify laut Zilch selten direkt als Premiumnutzer. Die wenigsten würden sofort von “null auf hundert” einsteigen und gleich bezahlen. “Zunächst einmal probiert die überwiegende Mehrheit Spotify mit Werbung aus”, sagt Zilch.
Ein Viertel zahlt
Preislich ähneln sich die meisten Angebote. Von Werbung genervt fühlen sich laut Zilch die wenigsten. Die wichtigsten Argument für die Premiumnutzung seien vor allem der mobile Zugang sowie die Offline-Nutzung, die man dank Abo bei Spotify erhält. Abgesehen davon achte man genau darauf, dass kein Nutzer dieselbe Werbung, denselben Spot zu oft hintereinander zu hören bekommt. “Der Nutzer kommt nie öfter als fünf mal in Verbindung mit ein und derselben Werbebotschaft.” Nutzer seien außerdem an Werbung gewöhnt. “Auf jedem Radiosender läuft Werbung.” Insgesamt zahlt derzeit ein Viertel der Spotify-Nutzer für einen Premiumaccount.
Verdienen die Künstler genug?
Immer wieder gibt es Kritik an Streamingdiensten wie Spotify mit dem Vorwurf, Künstler könnten nichts damit verdienen. So beklagte etwa Radiohead-Frontman Thom Yorke, dass junge Künstler aufgrund des Geschäftsmodells so gut wie nichts verdienen würden, und kehrte dem Dienst im Sommer den Rücken.
“Es gab keine laufende Kritik”, sagt Zilch, “sondern eben vor allem von Thom Yorke, der sein Soloprojekt, das eher nicht so erfolgreich ist, von Spotify herausgenommen hat.” Radiohead ist nach wie vor auf Spotify vertreten. “Thom York hat seine bekannte Musik immer noch bei Spotify und seine eben eher unbekannte und nicht so erfolgreiche hat er entfernen lassen.” “Mit der verdient er aber wahrscheinlich anderswo auch nicht soviel”, so Zilch.
Es gehe bei Spotify aber auch nicht allein ums Geld, und nicht nur darum, Spotify als Vertriebskanal zu sehen. “Die vielen jungen Bands können sehr gute Bekanntheit erlangen”, so das Argument seitens Spotify. Man könne Bands folgen und sehen, welche Künstler von Freunden gehört werden, und so auch neue Musik entdecken. Gerade das sei laut Zilch eine der großen Stärken der Plattform. Wenn Bands sehr sehr viele Follower hätten, würden sie auch außerhalb der Plattform bekannt. “Wir haben Künstler schon in die Charts gebracht”, sagt Zilch.
Spotify nutzt spezielle Algorithmen für sein Empfehlungsnetzwerk, über das man immer neue Künstler kennenlernen kann. Natürlich würden auf Spotify auch die großen Hits aus den Charts geboten, so Zilch, aber dahinter knüpfe ein “Riesen-Longtail” an, also diverse Bands und Musik, die man neu dazu entdeckt. Das wirke sich langfristig auch positiv auf die einzelnen Künstler aus.
Erst der Beginn
“Wir sind auch erst am Anfang”, sagt Zilch, das dürfe man nicht vergessen. Natürlich gebe es auch immer Kritik, aber Spotify brauche auch noch Zeit, um sich zu bewähren. In Schweden etwa, wo der Dienst am längsten auf dem Markt ist, macht Spotify bereits 70 Prozent des Musikmarktes aus.
Im vergangenen Jahr wies Spotify einen Verlust von rund 60 Millionen Euro aus. Geschäftszahlen wollte Zilch nicht kommentieren. "Für uns rechnet sich das Geschäft bereits", sagte er. "70 Prozent der Einnahmen durch Musik werden an die Labels und Musikverbände abgeliefert. Die verteilen das an die Künstler weiter."
24 Millionen aktive Nutzer zählt die Plattform mittlerweile. Man müsse sich auch die Plays, also die Zahl der abgespielten Songs anschauen, argumentiert man bei Spotify. Bei manchen Künstlern könne man diesbezüglich durchaus mit YouTube mithalten, und das obwohl die Videoplattform mit einer Milliarde um ein Vielfaches mehr User hat als Spotify. “Angenommen Spotify würde nur um zehn Prozent wachsen, hätte dies große Auswirkungen auf den Musikmarkt”, heißt es von den Plattformbetreibern. Dann wäre die Plattform eine wichtigere Einnahmequelle als iTunes.
Streaming weiter im Aufwind
Ob Streaming das langfristige Erfolgsmodell sein wird, werde man wohl erst in der Zukunft sehen, meint Zilch. Was sich jedoch zeige - und das könne man nun nicht alleine auf Streaming beziehen - dass die Entwicklung des Musikmarktes in Ländern, in denen allgemein die digitale Verbreitung von Musik weiter fortgeschritten ist, auch insgesamt positiver verlaufe.
Streaming ist derzeit im Aufwind, das zeigen auch Zahlen aus Österreich. Im ersten Halbjahr 2013 haben sich die Umsätze durch Streaming im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht. Auch wenn das noch nicht reicht, um die Einbrüche bei den physischen Verkäufen wettzumachen, so geben die neuen digitalen Angebote jedenfalls starke Impulse für einen Aufwärtstrend.
“Früher haben sich wichtige Menschen aus der Musikindustrie hingestellt und gesagt: Das Internet ist der Totengräber der Musikindustrie. Im Gegenteil, momentan ist es der Rettungsanker”, sagt Zilch. Überall dort, wo sich viel Musik über das Internet verbreite, gehe es auch bei den Märkten wieder bergauf. “Generell glaube ich, dass ein Abomodell gegenüber einem Pay-per-Song-Modell im Vorteil ist”, so der Spotify-Chef. Das würden auch erfolgreiche Plattformen in anderen Sparten wie zum Beispiel Netflix oder Hulu beweisen.
"Musikpiraterie wird sterben"
“Die Musikpiraterie wird sterben”, sagt Zilch. “Weil man sie nicht mehr braucht. Sie lebt davon, dass man irgendwelche Dateien kopiert und sie irgendwo ablegt.” Das werde durch Streaming hinfällig. “Es gibt schon Studien, die zeigen, dass die Zahlen sogar schon ganz ganz leicht zurückgehen wegen Streaming."
Was die Zielgruppen betrifft, so sind Spotify-Nutzer im Schnitt ziemlich jung, unter 25, männlich, und eher in einer Großstadt lebend. Musikalisch orientieren sie sich laut Spotify etwa in Deutschland stark an HipHop und Rap. Doch natürlich gibt es Länderunterschiede, das gilt auch für das Thema Streaming generell.
Expansionspläne
“Wir haben ein Team, das sich alle Länder anschaut, wie groß ist der Musikmarkt, wie viele Menschen leben dort, und wieviele geben Geld aus für Musik. Beispiel China: Eine Milliarde Menschen - aber so gut wie niemand dort gibt Geld aus für Musik”, so Zilch. Ob und in welches Land Spotify expandiert, ist unter anderem auch von Faktoren wie der Internetnutzung allgemein, Breitbandzugang oder mobilem Internet abhängig. Vor wenigen Tagen startete Spotify auch in der Türkei, in Griechenland, Taiwan und Argentinien. Im nächsten Schritt blicke man verstärkt nach Asien, so Zilch. Vertreten ist Spotify dort bereits in Hongkong, Singapur und Malaysia. Schwierig seien dabei oft die Lizenzfragen. “Es gibt Länder, da weiß man nicht mal, mit wem man darüber sprechen soll, um an die Lizenzen zu kommen und einen legalen Dienst zu starten.”
Abgesehen von Schweden ist Spotify derzeit in der Niederlande sowie in weiteren skandinavischen Ländern wie Norwegen oder Dänemark am stärksten aufgestellt. In Deutschland und Österreich befinde man sich auf dem Wachstumspfad, man sei nur eben ein paar Jahre hinterher, weil Spotify in diesen Ländenr später gestartet ist. “Alles eine Zeitfrage”, meint Zilch.
Nutzerzahlen für einzelne Länder gibt Spotify nicht bekannt. Man wolle vermeiden, dass dann Länder wie Schweden und Deutschland miteinander verglichen werden. Das erzeuge jedoch ein schiefes Bild, weil man ja nicht überall gleich lang vertreten ist.
Die Zukunft
“In zehn Jahren hören wir nicht mehr Musik über den Computer oder das Handy. In zehn Jahren tragen wir die Musik am Körper, sei das jetzt über Kleidungsstücke, Brillen oder Hüte”, ist Zilch überzeugt. “Wir sind in zehn Jahren als Menschen ständig mit der Cloud verbunden und haben dann Zugang zu Musik, ohne den Rechner oder irgendwas anderes dabei synchronisiert zu haben.” Wie genau das aussehen soll, wagt Zilch noch nicht zu sagen, aber “in irgendeiner Weisen werden Menschen dann direkt und immer mit dem Internet verbunden sein”.
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