Sunset Overdrive ausprobiert: Apokalypse kann Spaß machen
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Endzeit-Szenarien sind so populär wie noch nie, dennoch möchte wohl kaum jemand mit den Protagonisten in “The Walking Dead” tauschen und um sein nacktes Überleben kämpfen. Da ist die Freude darüber, dass man plötzlich keine Schulden mehr hat, nebensächlich. „Sunset Overdrive“ will das ändern. Der Open World-Shooter für die Xbox One spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft und soll mit der „Awesomepocalypse“ den Spaß zurück in das Endzeit-Szenario bringen.
Nicht nur die Idee ist reichlich skurril, auch die Umsetzung beschreitet neue Wege. “Wir wollen den Traum aller Videospiele leben”, so Drew Murray vom Entwickler Insomniac Games. Das Studio wurde unter anderem mit Titeln wie „Spyro“, „Ratchet & Clank“ und „Resistance“ bekannt und wagt sich nun an das erste Xbox-Spiel. Sunset Overdrive war seit seiner Ankündigung auf der E3 vergangenes Jahr in der Versenkung verschwunden. Die futurezone bekam nicht nur neues Material zum Xbox One-Exklusivtitel, sondern durfte ihn auch erstmals anspielen.
Sunset Overdrive spielt im Jahr 2027 in der Hauptstadt des Konzerns Fizzco. Dieser feiert gerade den Start des neuen Energy Drinks „Overcharge Delirium XT“. Der (namenlose) Spieler kann nicht mitfeiern, er ist nur eine von vielen Reinigungskräften, die den Dreck der anderen wegräumen müssen. Plötzlich beginnen sich die Personen, die Overcharge getrunken haben, in flinke „Zombies“ zu verwandeln, die den verbliebenen Menschen und den Resten des Energy Drinks hinterher jagen.
Carmageddon trifft auf Parkour
Der Spieler darf sich in der Third-Person-Perspektive frei durch die Stadt bewegen und selbst entscheiden, ob er freie Missionen annimmt oder der Kampagne folgt. Dabei geht er aber aus Sicherheitsgründen nicht zu Fuß von A nach B, sondern rutscht über Vorsprünge, Kanten, Stromleitungen oder Geländer vorwärts. Die Schwerkraft spielt scheinbar keine Rolle, der Spieler kann auch nach oben rutschen, wenn er über ausreichend Schwung verfügt. Die Fortbewegungsart ist laut Insomniac eine Mischung aus Parkour und Skateboarden.
Der Spieler kann beim Skaten auch Nahkampfattacken ausführen und so Gegner ohne Schusswaffen ausschalten. Um von der Straße auf die mehrere Meter in der Höhe gelegenen Stromleitungen zu gelangen, kann man Autodächer oder Mülleimer als Trampolin nutzen. Das ist nicht wirklich realistisch, trifft aber den Stil des Spiels, so die Entwickler. “Zuerst hatten wir überall Matratzen zum Springen hingelegt, aber die liegen ja üblicherweise nicht überall in einer Stadt herum”, sagte einer der verantwortlichen Game Designer gegenüber der futurezone.
Trotz des schrägen Comic-Stils versucht Insomniac weitestgehend auf “Übernatürliches” zu verzichten. Die recht schrägen Waffen bestehen aus Gegenständen, die es tatsächlich gibt. So gibt es die “TNTeddy”, die “I love you” sprechende Teddybären mit TNT in den Händen abfeuert. TNT dürfte nicht unbedingt in jedem Haushalt zu finden sein, doch der Rest der Waffe ist aus Alltagsgegenständen gebaut, beispielsweise einer Salatschüssel. Die Waffe ist besonders effektiv gegen große Mengen von Gegnern. Dabei ist dann auch eine Explosion in Teddy-Form zu sehen.
Die Vinyl-Gun verschießt besonders schnell Schallplatten, mit denen Gegner enthauptet werden können. Zudem gibt es eine “Captain Ahab”-Harpune, die Geschosse mit Overcharge abfeuert. So können nicht nur Gegner ausgeschaltet, sondern auch angelockt werden. Etwas “übernatürlich” ist die Freeze Gun, die die Gegner in Schneemänner verwandelt. Auch hier wird, ähnlich wie bei der Teddy-Explosion, die “vierte Wand” mit Comic-Effekten eingerissen. Über den Schneemännern wird “Brrrrrrr” als 3D-Text angezeigt.
Die “vierte Wand” stellt die Barriere zwischen dem Zuschauer und dem Schauspiel, in diesem Fall zwischen Spiel und Spieler, dar, die Illusion wird aber durch derartige Effekte zerstört. Vorbild dafür war unter anderem die Comic-Reihe Deadpool, in der der Leser des öfteren direkt angesprochen wird. In Konzepten wurden auch andere Effekte diskutiert, beispielsweise das Feuergeräusch “Bam” aus Fleisch, wenn eine AK-47 abgefeuert wird oder “Headshot” aus Blut, wenn ein Kopftreffer gelingt.
Kampf gegen das Maskottchen
Die futurezone konnte die Mission “Horror Night” antesten, die zur Mitte der Kampagne angesiedelt ist. Darin muss der Spieler einen Radio-Turm zurückerobern, der von Fizzco eingesetzt wird, um Propaganda zu verbreiten. Die Mission bot sehr abwechslungsreiche Szenarien, von der Flucht auf das Gelände bis hin zum hart umkämpften Vorrücken Stockwerk um Stockwerk. Oben angekommen muss der Spieler gegen das überdimensionale Fizzco-Maskottchen kämpfen. Der Kampf ist sehr spannend inszeniert, der Spieler muss in schwindelerregenden Höhen über dünne Stahlträger skaten, Spezial-Angriffe über große Lautsprecher auslösen und den flinken Laser-Augen des Roboter-Maskottchens ausweichen. Auch wenn sie optisch nur wenige Ähnlichkeiten aufweisen, ein bisschen fühlt man sich an den Kampf gegen den Marshmallow Man in Ghostbusters erinnert.
Gut gelöst ist auch der Waffenwechsel. Sobald der Spieler das Waffenrad einblendet, wird das Spiel verlangsamt, aber nicht vollständig pausiert. Das ist aber nur auf knapp zehn Sekunden beschränkt, danach läuft das Spiel in normaler Geschwindigkeit weiter. So wird der Spieler unter Druck gesetzt, sich schnell zu entscheiden. Das sorgt für ordentliche Anspannung. Leider war der Schwierigkeitsgrad in der getesteten Version drastisch reduziert, da dem Spieler die maximale Menge an Munition sowie alle Verstärker zur Verfügung standen. Daher lässt sich der Schwierigkeitsgrad der Mission nicht einordnen. Laut den Entwicklern sei er aber durchaus “fordernd”.
Neben der Mission, die recht geradlinig aufgebaut war, gab es auch die Möglichkeit, die Stadt auf eigene Faust zu erkunden. In der Demo-Version waren drei weitere kleine Aufgaben enthalten, in denen Gegenstände für Geld gesammelt werden mussten. Dazu muss der Spieler beispielsweise möglichst schnell viele Fernseher zerstören. Das Spiel gibt Bronze-, Silber- und Gold-Ziele vor, die unterschiedlich prämiert werden. Es gibt auch klassische Sammel-Missionen. So muss man für einen Comicladen-Besitzer in hart umkämpften Gebieten nach Comics suchen.
Der Spieler kann auch Missionen von Fraktionen annehmen, beispielsweise den japanischen Bushido. Zudem gibt es neben den OD’s auch weitere Gegner-Arten, beispielsweise die Roboter-Security von Fizzco oder die “Scalps”, die überlebenden Plünderer. Diesen begegnete man in der Test-Mission jedoch nicht. Weitere Details zum Verlauf der Kampagne gab Insomniac nicht bekannt. “Der Großteil der Missionen wurde aber von Dates der Mitarbeiter inspiriert”, so Drew Murray, Creative Director bei Insomniac. Ohnedies wurden recht kreative BR Für ihn ist Sunset Overdrive auch ein Spiel für jene Spieler, die mit Ratchet und Clank aufgewachsen sind.
Hommage an Filme
Das Spiel ist gespickt mit Anspielungen an Kultfilme, wie zum Beispiel “Idiocracy”, “The Omega Man” (Anm.: die erste Verfilmung von “I am Legend”) oder “Falling Down”. Laut den Entwicklern wurde der bunte Grafik-Stil vor allem von japanischen Anime inspiriert. Ein Vorbild war unter anderem wohl auch Borderlands, wobei das Endergebnis eher einem quietschbunten Super Mario-Titel ähnelt. Dennoch ist die Grafik gut gelungen, lediglich an der farblichen Trennung einzelner Stadteile sollte Insomniac noch arbeiten. Diese waren im Test oft schwer zu unterscheiden, nur “Little Tokyo” stach durch japanische Architektur deutlich hervor.
Zusätzlich zur Singleplayer-Kampagne wird es auch einen Multiplayer-Modus geben, der aber von Insomniac noch nicht thematisiert wurde. Es werde daran gearbeitet, mehr wolle man erst zu gegebener Zeit, voraussichtlich der E3 im Juni, vorstellen. Ähnliches vage gab man sich auch zum Veröffentlichungstermin. Das Spiel soll noch dieses Jahr im Herbst erscheinen.
Auch wenn sie in vielerlei Hinsicht grundverschieden sind, vor allem Fans von Spielen wie Carmageddon, Dead Rising oder Saints Row dürften ihre Freude an Sunset Overdrive haben. Das Spiel wird das Rad nicht neu erfinden, liefert aber mit der einfachen Skate-Steuerung einen erfrischenden neuen Ansatz für einen Third-Person-Shooter. Das große Fragezeichen steht aber weiterhin hinter der Singleplayer-Kampagne. Kann diese ähnlich viel Abwechslung bieten wie die gezeigte Mission? Hat das Spiel Potenzial, zum Borderlands-Konkurrenten zu werden?
Doch auch wenn Sunset Overdrive erfolgreich sein kann, ein System-Seller in der Halo-Liga dürfte es wohl nicht werden. Dafür müsste der geheimnisvolle Multiplayer-Modus noch nie da gewesenes bieten. Dennoch, wer bereits eine Xbox One besitzt oder den Umstieg plant, darf sich auf den vielversprechenden Titel freuen.
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