Interview

"Von 2D zu 3D ist wie vom Stumm- zum Tonfilm"

futurezone: 15 Monate Sky 3D: Ist das ein Grund zu feiern oder fragen Sie sich, ob sich die Investition überhaupt gelohnt hat?
Stephan Heimbecher: Insgesamt sind wir sehr zufrieden mit der Entwicklung von Sky 3D, vor allem ermutigt uns das positive Feedback unserer Kunden. Dabei war uns von Anfang an bewusst, dass die  3D-Einführung viele Analogien zu HD hat. Auch damals mussten die Zuschauer in neue Geräte investieren, bei 3D steht das wieder an. Doch das ist normal: Bei jeder neuen Technologie muss man eine gewisse Geduldstrecke durchlaufen, bis sie endgültig einschlägt.

Das Angebot ist aber nach wie vor noch stark beschränkt. Auf dem Sky 3D-Kanal wird nur etwa von 14 bis 0 Uhr Programm gebracht.
Momentan gibt es schlichtweg noch nicht genug beziehungsweise genug gute 3D-Inhalte. In den Köpfen vieler Zuschauer wird 3D-TV mit 3D-Kino verglichen, da hört man oft: "Im Kino ist ohnehin schon jeder Film in 3D, wieso kann dann Sky nicht einen ganzen Kanal machen?" Im Kino läuft aber ein Film meistens vier bis sechs Wochen, im Sky Film Paket gibt es 20 bis 25 Film-Premieren pro Monat und 10 Filmsender mit 80 Filmen täglich, um ein Rund-um-die-Uhr-Programm bieten zu können. Selbst wenn man die Rechte für alle Hollywood- und Independent-Produktionen in 3D hätte, würde das derzeit noch nicht für ein Voll-Programm reichen.

Außerdem ist nicht jeder 3D-Inhalt so ansprechend, dass man dafür zahlen würde. Man erinnere sich an die Anfänge des 3D-Booms, als von zehn 3D-Blu-rays sieben solche "Highlights" waren wie "Kaminfeuer 3D".
Das erinnert ein wenig an die Anfänge der CD. Da wurden plötzlich auch uralte Aufnahmen auf CD gepresst. Aber wenn das Quellmaterial nicht stimmt, macht das Medium die Qualität auch nicht besser. Bei 3D ist es sehr ähnlich: Nach dem Erfolg von "Avatar" tauchte eine Vielzahl von 3D-Filmen auf, die in 2D gedreht und schnell in 3D hochgerechnet wurden. Das funktioniert selten, was etwa der Film "Kampf der Titanen" zeigt. Bei Sky  3D hingegen legen wir Wert auf Qualität, sowohl bei Live-Übertragungen in 3D, als auch bei zugekauftem 3D-Material.

Aber "Kampf der Titanen" wurde auf Sky 3D gezeigt.
Ja, das stimmt. Aber es ist auch gut, dass es Filme wie "Kampf der Titanen"gibt. Daraus kann man lernen und hoffen, dass wir künftig von ähnlich schlechten 3D-Produktionen verschont bleiben.

Wie unterscheidet sich ein guter von einem schlechten 3D-Inhalt?
Der Sprung ist ähnlich groß wie vom Stumm- zum Tonfilm. Man kann nicht einfach die 2D- durch eine 3D-Kamera ersetzen. Bei 3D ist die Bildsprache völlig unterschiedlich, das Bild muss anders komponiert werden. Man kann zum Beispiel die Tiefenschärfe bzw. –unschärfe nicht mehr so einsetzen, wie es bei 2D oft als Stilmittel gemacht wird, um die fehlende Tiefe anzudeuten. Das gilt sowohl für Live-Übertragungen als auch für fiktionale Inhalte. Bei Sportübertragungen müssen die Kameras tiefer positioniert werden. Objekte, die etwa 10-15 Meter entfernt sind, erscheinen nicht mehr dreidimensional. Das ist beim realen Sehen genauso, nur dass da das Gehirn die "fehlenden" 3D-Informationen ergänzt – bei der Stereoskopie, dem "künstlichen 3D", funktioniert das nicht. Was in 3D besonders gut wirkt, sind Nahaufnahmen, aber die muss man mit Bedacht einsetzen.

Sky will zukünftig nicht nur Sportübertragungen, sondern auch Konzerte in 3D übertragen. Aber wofür braucht man bei Konzerten 3D?
Man sollte 3D losgelöst von 2D betrachten und sagen: "Vergiss alles, was bisher war". Man muss 3D nicht einsetzen, um dem Zuschauer, wie es bei manchen Filmen der Fall ist, ständig Sachen "an den Kopf zu werfen" – das ist für mich ein eigenes Genre in der 3D-Sparte, das seine eigenen Fans und damit auch seine Berechtigung hat. Man sollte 3D nicht nur zur Effekthascherei einsetzen, also etwa bei Konzerten jedes Mal ranzoomen, wenn der Künstler die Hand ausstreckt, sondern dazu nutzen, die Übertragung insgesamt realistischer zu machen. Dadurch kann bei einer guten Produktion der Zuschauer direkt ins Geschehen – praktisch in den Konzertsaal – geholt werden.

Wie soll das funktionieren?
Beim Konzert kann man beispielsweise auf eine fixe Kameraposition setzen. Die 3D-Kamera wird dazu am besten Platz im Haus positioniert. Das alleine würden die Zuschauer wahrscheinlich noch nicht als aufregend empfinden, weil sie häufige Schnitte von bisherigen 2D-Sendungen gewohnt sind. Wenn man das aber bei einem 3D-Konzert der Philharmoniker in Singapur macht und als Vorprogramm den Weg zur Konzerthalle zeigt oder eine Rundfahrt durch Singapur in 3D, wird die Übertragung zu einem großen Gesamterlebnis. Bei einer Kombination aus Dokumentation und eigentlichem Event gelingt es so, den Eindruck zu vermitteln,  tatsächlich live dabei zu sein.

Ich zweifle daran, dass man die Seher mit einer vorangestellten Doku von den schnellen Schnitten zurück zu langen Szenen aus nur einer Perspektive führen kann.
Es ist auch nur eine Überlegung, wir können natürlich noch nicht sagen, ob das vom Seher angenommen werden würde. Es gibt aber auch Seher, die mit Sky ein ganzes Formel-1-Rennen nur aus der Cockpit-Perspektive oder aus der Kamera in der Boxengasse betrachten. Man könnte ja auch die "best seat in the house"-Kamera bei 3D-Konzertübertragungen optional anbieten, eben wie die anderen Perspektiven bei den Formel-1-Rennen.

Lässt sich dieses Prinzip der einen Kamera auch auf Sport anwenden?
Nur bedingt. Beim Boxen wäre es gut möglich, da das Aktionsfeld relativ klein ist: Man hat so alles im Blick. Beim Tennis funktioniert es auch sehr gut. 3D verbessert hier sogar die Sichtbarkeit, da der Ball plastisch wird und man besser verfolgen kann, wie er über das Feld oder das Netz fliegt.

Und bei Fußball?
Da würde eine Kamera nur wenig Sinn machen. Das lässt sich leicht vergleichen: Wenn man im Stadion auf einem Platz sitzt, von dem aus man das gesamte Spielfeld im Blick hat, ist man so weit weg, dass man vom eigentlichen Spiel nicht mehr alles mitbekommt. Deshalb sehen viele Fußballspiele lieber im Fernsehen als im Stadion, weil man durch die Nahaufnahmen, Analysen und Zeitlupenwiederholungen viel näher am Spielgeschehen ist.

Fußball ist momentan das Aushängeschild für Sky 3D. Was ist anders im Vergleich zu einer normalen 2D-Übertragung?
Technisch gesehen ist es natürlich so, dass das 2D-Signal nicht einfach hochgerechnet oder 3D-Kameras neben die 2D-Kameras gestellt werden können. Die 3D-Kameras müssen ganz anders positioniert werden. Viele der neuen bzw. modernisierten Stadien in Deutschland sind allerdings regelrecht um die optimalen 2D-Kamerapositionen herumgebaut – es gibt fixe Plätze für sie. Manchmal müssen wir für die optimale Positionierung einer 3D-Kamera Teile der Tribüne nutzen und dafür die entsprechenden Sitzplätze kaufen. In einigen wenigen Stadien ist es auch damit noch nicht getan, um die 3D-Qualität zu erzielen, die wir uns wünschen. Deshalb gibt es von dort nur Übertragungen in 2D.

Gab es Proteste der Fans, weil Sky mit seinen 3D-Kameras Sitzplätze blockiert?
Meines Wissens nach nicht. Bis auf die Dauerkartenbesitzer, die jede Woche im Stadion sind, bemerken die meisten die 3D-Kameras vermutlich gar nicht. Für die 2D-Teams kann es aber schon Umstellungen geben, denn wo man beim letzten Spiel noch ungehindert mit seinem Equipment durchgehen konnte, steht nun plötzlich eine zusätzliche 3D-Kamera. Bei Spitzenspielen sind manchmal bis zu 30 Kameras im Stadion: 14 bis 16 für unsere HD-Übertragung, 7 für die zusätzlichen 3D-Aufnahmen und bei bestimmten Spielen noch weitere Kameras anderer TV-Anbieter.

Abgesehen von den Kamerapositionierungen, worauf muss man noch achten?
Ein Punkt ist das so genannte "Tiefenbudget". Mit 3D-Kameras kann man den Raum je nach Einstellung größer oder kleiner erscheinen lassen. Wenn in der Hauptkamera das Stadion größer erscheint als in der Zweitkamera oder Hinter-Tor-Kamera, dann fällt das dem Zuschauer natürlich auf. Ist die Kamera z.B. auf der Seitenlinie positioniert, stört es in 2D kaum, wenn etwa der Linienrichter mal schnell durchs Bild läuft. Bei einer 3D-Übertragung kann das aber sehr irritierend und unangenehm wirken. Auch bei Nahaufnahmen bzw. bei Zooms muss man aufpassen: Wenn Objekte zu nahe sind, können Doppelbilder entstehen oder der 3D-Effekt kann zu stark sein. Wenn auf einmal ein Spieler ohne Unterleib in meinen Wohnzimmer steht, ist der 3D-Effekt, mit dem eine realistischere Übertragung erzielt werden sollte, hinüber

Was möchten Sie zukünftig bei den 3D-Übertragungen verbessern?
Die 3D-Live-Produktionen sind derzeit noch relativ teuer. Man benötigt nicht nur eigene Kameras, sondern auch einen eigenen Ü-Wagen, eine eigene Regie, eine eigene 3D-Grafik, die die Inserts und Spielanalysen gestaltet und einen eigenen Kommentator, weil dieser durch die 3D-Kameras einen anderen Schnitt geliefert bekommt als für die 2D-Übertragung. Wir konnten die beiden Produktionen  inzwischen schon besser verzahnen, indem wir etwa die Aufnahmen zur Aufschlüsselungen von kritischen Spielszenen von bestimmten 2D-Kameras auf 3D hochrechnen. Mit der bei manchen Spielen eingesetzten Spidercam, die vier bis sechs Meter über dem Spielfeld schwebt, funktioniert das Hochrechnen ziemlich gut, solange nicht zuviel Bewegung im Spiel ist. Zukünftig sollen die Produktionen noch weiter verschmelzen. In den USA wird etwa damit experimentiert, dass das linke Signal der 3D-Kamera für die normale 2D-Übertragung verwendet oder die 2D-Kamera über der 3D-Kamera angebracht wird – so reicht ein Operator aus, um zwei Kameras zu bedienen.

Wie gut funktioniert das Hochrechnen der Inhalte in 3D?
Die Algorithmen zur Hochrechnung funktionieren sehr gut. Auch bei einigen Konsumenten-Endgeräten ist die Hochrechnung überraschend gut. Die Algorithmen können allerdings keine Wunder bewirken, weshalb die Qualität stark von den Szenen abhängt. Wenn man bei 2D-Produktionen im Hinterkopf hat, die Bildsprache so zu wählen, dass das Material in 3D hochgerechnet werden kann, funktioniert das gut. Bei der Vor- und Nachberichterstattung oder Interviews handelt es sich zum Beispiel um eher ruhige Bilder, die hochgerechnet werden können.

Bei den Olympischen Spielen dieses Jahr gibt es eine ganze Menge Sportarten, wird das quasi ein Probelauf für zukünftige 3D-Übertragungen?
Natürlich. Panasonic, der Technologiepartner der Olympischen Spiele, hat vor, 200 Stunden 3D-Material zu produzieren. Das ist eine große Herausforderung, da die Olympischen Spiele aufgrund der gleichzeitig stattfindenden Wettbewerbe schon für 2D-Übertragungen einen enormen logistischen Aufwand erfordern.

Wird es die Fußball-EM 2012 in 3D geben?
Nicht bei Sky, da die Übertragungsrechte nicht bei uns liegen. Aber es sind prinzipiell 3D-Übertragungen angedacht. Mir ist nicht bekannt, dass die Stadien in Polen und der Ukraine speziell für die 3D-Kameras umgerüstet werden. Doch auch hierfür gibt es Lösungen. In den USA ist der Sportsender ESPN in der Anfangsphase bei seinen 3D-Übertragungen von Football-Spielen einfach auf die andere Seite des Stadions übersiedelt. So kamen sich 2D- und 3D-Kameras nicht in die Quere.

Wird Sky 3D-Inhalte für mobile Endgeräte anbieten?
Das wird sich zeigen. Brillenloses 3D gibt es schon für einige Smartphones und die Spielkonsole Nintendo 3DS, ebenso wie 3D-Monitore. Prinzipiell wäre eine Erweiterung unseres Sky Go Angebots um 3D-Inhalte durchaus interessant. Inwiefern 3D-TV für Smartphones Sinn macht, ist zu hinterfragen. Ich persönlich glaube, das Display sollte Tablet-Größe besitzen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist außerdem die Rechtefrage, denn die Studios haben für die mobile Nutzung andere Auflagen.

Wird es zukünftig 3D-Übertragungen von österreichischen Veranstaltungen geben?
Der Startschuss dazu fällt am 18. Februar. Wir übertragen das 300. Wiener Derby zwischen Rapid und Austria in 3D – und es wird sicher nicht der einzige österreichische 3D-Event bleiben.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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Gregor Gruber

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