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Betriebssystem

Windows 10 Mobile im Test: Etwas Großes ist im Entstehen

Windows 10, Microsofts “letztes Windows”, nähert sich in großen Schritten der Fertigstellung an. Doch neben dem Desktop-Betriebssystem wird auch eifrig an “Windows 10 Mobile” gearbeitet. Der Name dürfte Windows-Fans und frühen Smartphone-Nutzern bekannt vorkommen. Zehn Jahre lang versuchte Microsoft mit Windows Mobile auf PDAs und Smartphones sein Glück, letztendlich feierten aber Apple (iOS) und Google (Android) die wahren Erfolge. Mit Windows Phone wagte man schließlich einen Neustart, der aber fünf Jahre später immer noch mit mageren Marktanteilen da steht. Nun soll Windows 10 Mobile das Ruder herumreißen.

Diese Windows-Version soll auf Geräten, deren Bildschirm kleiner als acht Zoll groß ist, installiert werden - sei es nun Tablet oder Smartphone. Im Gegensatz zu Windows Phone 8.1 unterstützt Windows 10 Mobile auch die x86-Architektur und kann somit auch mit Intel-Prozessoren betrieben werden. Wann Windows 10 Mobile erscheinen wird, ist noch unklar, doch Microsoft gewährt bereits seit einigen Monaten über sein Preview-Programm einen Einblick. Die futurezone hat die Windows neues mobiles Betriebssystem mit einem Lumia 630 über mehrere Wochen getestet. Da erst kürzlich ein Update auf die aktuelle Build 10136 erfolgte, stammen noch einige Screenshots von der Build 10080 - optisch halten sich die Unterschiede, mit der Ausnahme einiger weniger neuer Icons, aber in Grenzen.

Die Modern UI, vormals bekannt als Metro, bleibt dem Nutzer auch bei Windows 10 auf Desktop und Mobil erhalten. Tatsächlich lässt sich beim ersten Start kaum ein Unterschied zu Windows Phone 8.1 erkennen. Weiterhin können die markanten Kacheln auf dem Start-Bildschirm nach den eigenen Wünschen arrangiert werden. Wer sich etwas in die Tiefe begibt, entdeckt aber einige feine Unterschiede. So gibt es beispielsweise endlich ein “echtes” Hintergrundbild. Zuvor konnte der Benutzer lediglich ein Wallpaper auswählen, das als Ausschnitt in einzelnen Kacheln angezeigt wird.

Statt des weißen oder schwarzen Hintergrunds wird nun das gewünschte Bild im Hochformat angezeigt. Transparente Kacheln gewähren einen Blick auf den Hintergrund, allerdings ist das weiterhin nur mit wenigen System-Kacheln möglich. Kacheln mit Live-Informationen sowie Verknüpfungen zu Apps von Drittanbietern können nicht transparent dargestellt werden. Auch die App-Liste kann durchsichtig dargestellt werden, der Transparenzgrad lässt sich in den Einstellungen frei bestimmen. Wer möchte, kann die Kacheln vollständig ausblenden, sodass lediglich deren Inhalt zu sehen ist.

Mehr Platz

Apropos Kacheln: Diese sollen neben den bisherigen Formaten (1x1, 2x2, 2x4) künftig auch im Hochformat (4x2) sowie in Übergröße (4x4) verfügbar sein, doch im Test wurden diese noch von keiner App unterstützt. Mit dem Modus “Mehr Kacheln anzeigen” kann zudem das verfügbare Raster von 6x4 auf 9x6 vergrößert werden. Auf kleinen Bildschirmen lassen sich so einzelne Icons etwas schwieriger erwischen, doch auf Phablets wie dem Lumia 1520 macht das durchaus Sinn.

Das Lupen-Icon für die App-Suche ist nun von der linken Seite nach oben gewandert. An der Funktion ändert sich dadurch wenig, doch die Animation wirkt deutlich flüssiger. Zudem zeigt die App-Liste ganz oben zuletzt installierte Apps. Die Idee ist gut gemeint und erspart unnötiges Scrollen. Doch praktischer wäre es, wenn der Benutzer eigene Favoriten anlegen könnte. Auch an den Quick Settings im Benachrichtigungszentrum wurde geschraubt. Statt vier frei wählbarer Funktionen kann die Leiste nun ausgeklappt werden. So offenbaren sich Schalter, mit denen flott beispielsweise der mobile Hotspot, GPS oder die Rotationssperre ein- und ausgeschaltet werden können. Leider gibt es noch keine Möglichkeit, die Schalter nach Wunsch anzuordnen. Lediglich die ersten vier Quick Settings dürfen frei gewählt werden.

Die Einstellungen wurden endlich überarbeitet. Nun wurden alle Optionen in zehn verständliche Kategorien sortiert, zudem können die Einstellungen durchsucht werden. So muss man nicht jeden Unterpunkt mühsam nach einer Option abgrasen. Der Querbildmodus ist (hoffentlich) noch in Arbeit. Hier bleibt die Statusleiste auf der linken Seite des Benutzer, lediglich die Icons sowie der Bildschirminhalt werden gedreht. So lässt sich auch das Benachrichtigungszentrum lediglich durch Ziehen von links nach rechts öffnen.

Clevere Benachrichtigungen

Neu sind auch die “interaktiven Benachrichtigungen”. Dabei wird weiterhin die Nachricht als Banner angezeigt, der Benutzer kann diesen jedoch nach unten ziehen und rasch antworten. Dieses Feature kennt man bereits von iOS und einigen Apps für Android. Doch bei Windows 10 Mobile ist das nicht nur auf Banner-Benachrichtigungen beschränkt, Antworten lassen sich auch im Benachrichtigungszentrum verfassen. In der aktuellen Build ließ sich diese Funktion nur mit der Nachrichten-App nutzen, mit Skype oder der E-Mail-App war es noch nicht möglich.

Auch Aktionen, wie zum Beispiel das Abstellen des Alarms, lassen sich zudem über Benachrichtigungen ausführen. Laut Microsoft werden die Benachrichtigungen zudem über alle Geräte mit Windows 10 hinweg synchronisiert. Wird also beispielsweise eine Mail am Windows-Smartphone geöffnet, verschwindet die Benachrichtigung dafür am Windows-10-Tablet. Dieses Verhalten ließ sich im Test noch nicht feststellen, womöglich fehlt die Funktion noch.

Mit dem neuen Betriebssystem kommt auch ein neuer Browser daher. In der Preview ist noch von Project Spartan die Rede, mittlerweile ist der offizielle Name bereits bekannt. Edge soll schon bald den Internet Explorer ablösen, der zum Leid vieler Web-Entwickler aber nicht ganz verschwinden wird. Der Internet Explorer wird aus Kompatibilitätsgründen vorerst installiert bleiben.

Der Neuanfang macht Sinn, doch Microsoft versucht auch hier etwas zu stark, wie “die Anderen” zu sein. Die URL-Leiste wandert beispielsweise nun nach oben. Für kleine Smartphones unerheblich, doch bei Display-Riesen wie dem Lumia 1520 oder dem Lumia 1320 wird die Leiste so schwerer erreichbar. Abhilfe könnte der neue einhändige Modus schaffen. Wie beim iPhone 6 Plus wird bei großen Bildschirmen durch doppeltes Antippen der Windows-Taste die obere Bildschirmhälfte herunter gezogen. Leider ließ sich die Funktion auf dem kleinen Lumia 630 nicht ausprobieren.

Ansonsten ist der Browser in puncto Funktionalität baugleich mit dem Vorgänger. Im Test erwies er sich zudem noch als etwas störrisch. Hin und wieder ließen sich keine neuen Tabs öffnen, zudem wurden eingegebene URLs einfach ignoriert, solange keine mobile Datenverbindung aktiv war. Der Wechsel von Trident auf die neue EdgeHTML-Engine scheint derzeit noch kaum Verbesserungen zu bringen, sowohl in Javascript-Benchmarks wie Sunspider oder Octane als auch bei der HTML5-Kompatibilität schneiden beide Browser gleich gut ab.

Neben dem Browser wurden auch die Office-Apps sowie die Video- und Musik-App grundlegend überarbeitet. Diese Touch-optimierten Versionen sind Universal Apps und stehen somit ihren Desktop-Pendants in puncto Funktionen um nichts nach. Das fällt besonders positiv bei den relativ stabilen Preview-Versionen von Word, Excel und Powerpoint auf.

Einseitiger Store

Auch der Store wurde überarbeitet, wobei sich der “Beta-Store” eher nach einem Rückschritt anfühlt. Auch wenn er nun nach dem Schema bekannter App Stores aufgebaut ist, hat sich die Übersichtlichkeit kaum verbessert. Die einzige wahre große Neuerung ist, dass auf das mehrseitige Layout verzichtet wird. Statt nach rechts oder links zu wischen, um Bewertungen und ähnliche Apps anzuzeigen, muss lediglich nach unten gescrollt werden. Hilfreich - vor allem für die App-Entwickler- sind unter anderem die von einer Redaktion betreuten App-Sammlungen sowie hervorgehobene Apps. Die Store-App besteht aber zum Großteil noch aus Platzhaltern, weswegen man noch kein vorschnelles Urteil fällen sollte.

Nokia Camera für Alle

Nokia hat sich früh zu Windows Phone bekannt. Ob dieser Deal dem Unternehmen die Marktführerschaft auf dem Handy- und Smartphone-Markt kostete, wird immer noch heftig debattiert. Doch das Unternehmen setzte seine Erfahrung in die Partnerschaft und entwickelte einige der besten Apps für Windows Phone. Einige davon überflügelten sogar die System-Apps. So schlug die Lumia Camera die Kamera-App von Microsoft um Längen. Nun hat Microsoft die Konsequenzen gezogen und die Lumia Camera in die hauseigene Kamera-App integriert. Dieser Prozess ist noch nicht vollständig abgeschlossen, doch einige Ansätze lassen sich bereits sehen.

Die Lumia Camera wird die System-Kamera ersetzen, einige kleine Funktionen fehlen aber noch
So ist die praktische Leiste für den Pro-Modus bereits integriert. Mit dieser sind Einstellungen wie Weißabgleich, ISO, Belichtungskorrektur sowie Belichtungsdauer rasch bei der Hand. Auch auf manuellen Fokus kann umgeschaltet werden. Ein Serienbildmodus und die verzögerte Aufnahme fehlen hingegen noch. Es ist unklar, ob Microsoft diese Funktionen noch implementieren wird. Zu wünschen wäre es jedoch. Die Leistung kann im direkten Vergleich noch nicht ganz mit jener der Lumia Camera mithalten.

Microsoft kündigte auf seiner diesjährigen Entwicklerkonferenz Build eine wahre Flut an neuen Funktionen für Windows 10 Mobile an. Doch nur ein Teil davon ist bereits in der Preview-Version enthalten. Auf “Continuum for Phones” dürften Preview-Nutzer beispielsweise vergeblich warten. Damit soll es möglich sein, das Windows-Smartphone als Desktop-Ersatz zu verwenden.

Mithilfe von Bluetooth-Maus und -Tastatur lässt sich Windows 10 problemlos auf dem großen Bildschirm nutzen, als Startmenü wird der Homescreen mitsamt Apps angezeigt. Ähnliches versprach bereits das Ubuntu Edge, die Funktion wurde aber nie für den Smartphone-Ableger von Ubuntu ausgeliefert. Doch da die Continuum-Demonstration auf der Build eine “Simulation” war, dürfte sich das Feature wohl noch in einem frühen Stadium befinden, vor der finalen Version von Windows 10 Mobile dürfte nicht damit zu rechen sein.

Developers, Developers, Developers

Auch die ehrgeizigen Projekte Astoria und Islandwood werden derzeit noch getestet, Entwickler können sich für einen eingeschränkten Beta-Test anmelden. Damit soll es möglich sein, Android- (Astoria) und iOS-Apps (Islandwood) auch unter Windows 10 zu nutzen. Ein gewagter Schritt, den in ähnlicher Form bereits BlackBerry versuchte. Der kanadische Smartphone-Hersteller wollte so seinen App-Mangel rasch beheben, doch am verschwindend geringen Marktanteil konnte das auch nichts mehr ändern. Microsofts Initative soll App-Entwickler ebenfalls davon überzeugen, mit geringem Mehraufwand für Windows 10 Mobile zu entwickeln.

Das Angebot ist verlockend, Android-APKs lassen sich direkt unter Windows 10 und Windows 10 Mobile installieren. Ganz ohne Modifikationen kommen Entwickler aber auch hier nicht aus, sofern die Apps im vollen Umfang nutzbar sein sollen. Jene APIs, die Teil des Android Open Source Project (AOSP) sind, werden von Haus aus unterstützt,die Google-APIshingegen nicht. Für diese hat Microsoft Ersatz-APIs entwickelt, die beispielsweise statt Google Wallet einen anderen Bezahldienst implementieren oder Google Maps durch Bing Maps ersetzen. Einige Zusatz-APIs sollen zudem den Zugriff auf exklusive Microsoft-Funktionen erlauben, beispielsweise Live-Kacheln und Cortana.

Etwas anders läuft es bei iOS-Apps ab. Entwickler haben nun die Möglichkeit, Xcode-Projekte direkt in Visual Studio zu importieren und diese für Windows zu kompilieren. Derzeit wird lediglich Objective C unterstützt, schon bald soll auch Swift folgen. Auch hier stehen wieder zahlreiche APIs zur Verfügung, mit der iOS-Funktionen unter Windows genutzt werden können. Ein Beispiel dafür ist bereits im Windows Phone Store zu finden: Der Windows-Phone-Ableger von Candy Crush Saga basiert auf der iOS-Version. Beide Maßnahmen senken den Aufwand für Entwickler deutlich, doch ein Fragezeichen steht hinter der Oberfläche. Ob sich eine für Googles Material Design optimierte App unter Windows Phone ohne Anpassungen nutzen lässt, ist fraglich. Bekannte Designelemente vom System werden aber laut Microsoft automatisch durch ihr Windows-10-Pendant ersetzt. Anpassungen bleiben Entwicklern auch nicht bei den Universal Windows Apps erspart. Diese sollen das einfache Portieren von Apps auf alle Windows-Plattformen (Smartphones, Tablets, Desktop, Xbox One) erlauben.

Auch wenn Microsoft zuletzt betonte, dass Windows 10 Mobile “später dieses Jahr” erscheinen werde, wäre eine Verschiebung in das nächste Jahr durchaus möglich - zumindest für die Updates. Darauf weist zumindest der derzeitige Entwicklungsstand hin. Das Betriebssystem ist weit davon entfernt, “feature complete” zu sein, geschweige denn fehlerfrei. Natürlich handelt es sich um eine “Preview”, doch selbst grundlegende Funktionen wie Telefonie und SMS bereiten in dieser Version massive Probleme.

Zudem dürfte Microsoft großen Wert auf das Feedback seiner Preview-Nutzer legen, die aber erst seit drei Monaten Feedback liefern. Des weiteren bleibt noch das vollmundige Versprechen, dass alle Windows-Phone-8.1-Smartphones ein Update auf Windows 10 Mobile erhalten werden. Vor allem bei Einsteigergeräten - die Leistung auf dem Lumia 630 war mäßig - könnte Microsoft rasch an Grenzen stoßen. Realistisch erscheint jedoch, dass Microsoft noch dieses Jahr neue High-End-Smartphones mit Windows 10 Mobile ankündigt und Updates für andere Modelle später folgen.

Die Windows 10 Mobile Preview hat etwas von einer Baustelle, auf der der Rohbau bereits fertiggestellt wurde: Man ahnt, wie es am Ende aussehen wird, aber vieles davon wird noch der eigenen Vorstellungskraft überlassen. Die implementierten Highlights sind vorwiegend optischer Natur oder betreffen Entwickler, die künftig hochwertigere Apps für die Plattform entwickeln sollen. Bausteine, aber noch kein fertiges Bauwerk.

Darum ist es auch schwer, ein Zwischenfazit zu ziehen. Es ist mutig von Microsoft, einen derart frühen Einblick in die Entwicklung zu gewähren, doch die Preview ist kaum für Testzwecke geeignet, geschweige denn für den alltäglichen Einsatz. Das, was sich aber dann doch darbietet, weiß zu gefallen. Mit den nativen Office-Apps, Cortana, dem bald integrierten Skype und plattformübergreifenden Benachrichtigungen ist man endlich auf Augenhöhe mit Android und iOS. Mit Continuum hält man sogar einen Trumpf in der Hinterhand, der zumindest bei High-End-Geräten zum Killer-Feature mutieren könnte.

Wer bereits jetzt die Preview-Version von Windows 10 Mobile installieren möchte, kann dies recht einfach über das Windows-Insider-Programm tun. Doch Vorsicht, die Preview-Version ist nicht für den alltäglichen Einsatz geeignet. Im Test wurde rasch deutlich, dass die aktuelle Version noch ein “Flickwerk” ist, denn im Vergleich zu anderen Previews kam es häufig zu technischen Problemen. Zudem gibt es Berichte über Fälle, in denen das Gerät beim Zurücksetzen unbrauchbar wurde.

Daher sollte die Preview nur auf einem Zweitgerät oder zeitlich begrenzt eingesetzt werden. Ein Backup ist in jedem Fall empfehlenswert. Dieses kann mithilfe der integrierten Lösung über OneDrive oder dem Windows Phone Recovery Tool angefertigt werden. Mit diesem kann man nach einem erfolgreichen Test auch zu Windows Phone 8.1 zurückkehren. Falls das doch nicht funktionieren sollte, muss man die alte Version manuell neu flashen - ein risikoreicher Vorgang.

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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