© Ses-Imagotag

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Das Preisschild der Zukunft ist elektronisch

Wer kennt das nicht? Man ist im Baumarkt, sucht die eine Schraube, die eine Dichtung und läuft planlos durch endlose Gänge mit meterhohen Regalen – in der Hoffnung, das besagte Teil oder wenigstens einen Mitarbeiter zu finden. Oder man benötigt im Supermarkt die eine spezielle Zutat, die nur einmal im Jahr nachgekauft wird, mittlerweile aber längst ihren Platz gewechselt hat.

Eine österreichische Firma hat für dieses Dilemma eine Lösung entwickelt. Sie will den Papieretiketten im Einzelhandel den Garaus machen und bietet elektronische Preisschilder an.  Diese sind durch die verwendete Bildschirmtechnologie von ihren gedruckten Counterparts praktisch nicht zu unterscheiden und bieten in Kombination mit einem Smartphone eine Reihe intelligenter Funktionen an.

Im Fall des Baumarkts kann der Kunde in der App nach der benötigten Schraube suchen und bekommt den Ort angezeigt, wo sie zu finden ist. Geschäfte wiederum können Preisschilder unkompliziert ändern, ohne sämtliche Etiketten neu drucken und manuell austauschen zu müssen.

Weltweiter Pionier

„Als wir 2010 begonnen haben, waren wir die ersten, die Preisschilder auf Basis von E-Paper und E-Ink realisiert haben“, sagt Michael Moosburger im futurezone-Interview. Das von ihm in Graz gegründete Unternehmen firmiert seit dem Zusammenschluss mit einem französischen Konzern unter dem Namen SES-Imagotag und hat sich in kurzer Zeit zum globalen Marktführer entwickelt.

Die Technologie, die von E-Book-Lesegeräten wie dem Kindle bekannt ist, hat  gegenüber herkömmlichen LCD-Bildschirmen den Vorteil, dass die dargestellte Schrift von jedem Blickwinkel aus gut zu lesen ist. Darüber hinaus verbraucht elektronisches Papier praktisch keine Energie. „Wenn in einem Baumarkt 60.000 Preisschilder angebracht sind, kann man bei diesen natürlich nicht jede Woche den Akku aufladen. Die Schilder müssen zumindest fünf Jahre halten“, sagt Moosburger.

Bunt ist kompliziert

Konnten die Preisschilder ursprünglich nur  in schwarz-weiß realisiert werden, hielten vor einigen Jahren  mehrere Farben Einzug. Durch die Weiterentwicklung im Bereich elektronischer Tinte sind mittlerweile auch dreifärbige Schilder in schwarz-weiß-gelb und schwarz-weiß-rot möglich. Künftig soll es farblich gar keine Einschränkung mehr geben. Dafür müssen Forscher aber die physikalischen Limitationen der Technologie überwinden.

„Bei elektronischer Tinte werden Farbpartikel in winzigen Kapseln an die Oberfläche bewegt, indem eine elektrische Spannung angelegt wird. Die verschiedenen Farben reagieren auf unterschiedliche Spannung. Je mehr Farben verwendet werden, desto komplizierter wird es. Denn um reine Farben zu bekommen, dürfen sich die Partikel  nicht vermischen“, erklärt Moosburger.

Während SES-Imagotag bei der Basistechnologie von internationalen Herstellern wie E-Ink abhängig ist, werden am Forschungsstandort Graz, wo derzeit 80 Mitarbeiter beschäftigt sind, die dahinterliegende Elektronik und Funktechnologie, aber auch neue Schilder-Größen und -Formen ausgetüftelt. Neben der besonderen Energieeffizienz mussten die Grazer sicherstellen, dass sich die teils zehntausenden elektronischen Preisschilder in einem Geschäft nicht gegenseitig stören. Für die smarten Funktionen sind in jedem Schild ein NFC-Chip und Leuchtdioden  verbaut.

Viel mehr als nur ein Preisetikett

Die elektronischen Preisanzeigen bieten viele Möglichkeiten. „Hält ein Kunde sein Handy an das Preisschild, können weiterführende Informationen zum Artikel angezeigt werden. Wie beim Online-Shopping kann ich so direkt im Geschäft  abrufen, wie ein bestimmtes Produkt von anderen Kunden bewertet wurde oder herausfinden, was andere kauften. Diese empfohlenen Produkte blinken dann im Regal über die Leuchtdiode am Preisschild auf“, sagt SES-Imagotag-Mitgründer Moosburger.

Imagotag-Gründer Andreas Rössl und Michael Moosburger (re.)

Kunden, die eine Lebensmittelunverträglichkeit haben oder eine Diät machen, können auf diese Weise passende Produkte finden.  Ist ein Produkt nicht lagernd, kann der Kunde sich dieses gleich nach Hause schicken lassen. Händler wiederum können das System für  ein intelligenteres Lager- und Regalmanagement nutzen und so Leerstände vermeiden.

Brücke zwischen online und offline

„Das steigert die Kundenzufriedenheit und der Händler muss nicht fürchten, dass der Käufer in einen Online-Shop abwandert. Insofern ist unser elektronisches Preisschild auch  so etwas wie eine Brücke, mit der man Online-Shopping und den Einkauf in Filialen verbinden kann“, erklärt Moosburger.

Über die digitale Preisanzeige können Geschäfte auch schnell auf Angebote der Konkurrenz reagieren und etwa den Preis senken. Theoretisch könnten Händler so auch Preise schnell erhöhen, wenn etwa die Nachfrage groß ist. In der Realität gehe es aber meist um Rabattaktionen, von denen Kunden profitieren würden, versichert der Firmengründer.

Hohe Nachfrage in China

Wenn man nur Arbeitszeit und Druckkosten berücksichtigt, soll sich ein elektronisches Preisschild bei uns bereits ab zwölf Preisänderungen für einen Artikel rentieren. Als größter Wachstumsmarkt gilt laut Moosburger trotz niedriger Lohnkosten aber China. „Die digitale Transformation ist dort viel weiter fortgeschritten als bei uns. Elektronische Preisschilder gehören da einfach zum Geschäftsauftritt dazu.“

Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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