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Identität

"Der Mensch selbst wird sein Ausweis sein"

Wir weisen uns seit Jahrzehnten mit einem Reisepass aus, mit dem wir andere Grenzen passieren. Auch wenn es in den kommenden Jahrzehnten mit großer Wahrscheinlichkeit noch analoge Identitätsnachweise wie Pass oder Personalausweis geben wird, „künftig werden digitale Identitäten eine immer größere Rolle spielen", sagt Robert Schächter, Chef der Staatsdruckerei (OeSD). Sein Chief Innovation Officer, Lukas Praml, geht sogar noch einen Schritt weiter: „Der Mensch selbst wird der Ausweis sein." Und damit meine er nicht (nur) biometrische Anwendungen. Ein Fingerabdruck sei nämlich kein geeigneter Identitätsnachweis, da man ihn quasi verliere, sobald man ein Glas in die Hand nimmt.

Zusammen mit Innenministerium
Bei der OeSD denkt man bereits seit einigen Jahren mit verschiedenen Partnern wie dem Innenministerium in einer eigenen „OeSD Academy" konkret über die Zukunft der ID nach. Erste Ergebnisse werden bei den Alpbacher Wirtschaftsgesprächen im Rahmen des Podiums „Touch the Future – Sicherheit und Identität in der digitalen Welt" präsentiert. Die Letztentscheidung, in welche Richtung es geht, treffe das Innenministerium. Dieses ist heute das Identitätsministerium, weil dort sämtliche Register beheimatet sind. Ob das auch morgen so sein wird? „Wir stellen seit mehr als 200 Jahren Identitäten zur Verfügung, die dem Stand der Technik entsprechen", so Schächter. Es ist eine logische Entwicklung, dass wir uns auch um die digitalen Identitäten annehmen. „Uns glaubt und vertraut man."

Abstufungen
Es wird ein gestuftes Sicherheitsmodell notwendig sein, mit einer gewissen Anzahl von Sicherheitskategorien. Für die Vorteilsclub-Karte braucht man keine qualifizierte Identität. Die braucht man aber für den Hauskauf, zur Bekanntgabe von Gesundheitsdaten. Dazwischen könne es noch weitere Abstufungen geben, der Bürger wird künftig entscheiden können, wem er welche Daten gibt. Daher rät Praml zur Datensparsamkeit, nur jene Daten, die für die Abwicklung eines Geschäfts notwendig sind, sollen preisgegeben werden müssen.

Pseudo-Identitäten
So wie etwa bei Postings im Internet – Menschen wollen sich zu diesem oder jenem äußern, wollen aber auch, dass keiner weiß, wer dahinter steckt. Oder aber auch eine Umfrage in einer Schule. Man muss die Legitimation haben, dass man an der Umfrage teilnehmen darf, muss aber anonym bleiben können. Diese Pseudo-Identitäten seien künftig auch im Whistleblower-Bereich wichtig, denn nur eine Identität (im Hintergrund) sei der Nachweis, dass es sich um eine qualifizierte Information handelt und nicht um Vernadern.

Smartphones als Ausweis
`Was kommt nach dem Reisepass? Es werde Zwischenschritte geben. Ein rein biometrisches Verfahren wird es erst nach 2015 sein. Das nächste werden ID-Systeme auf Smartphones sein, „auf einem Smartphone werden viele Ausweis- und Identifizierungsfunktionen verfügbar sein", so Praml. Dass der Fingerabdruck bei der Identifizierung eine große Rolle spielen wird, glaubt der Innovationschef der OeSD nicht,

Lichtstrahl-Kontrolle
Was nach dem Smartphone kommt? Das hängt von der technologischen Entwicklung ab und von der Akzeptanz in der Gesellschaft. Integriert in eine Brille, ein implantierter Chip oder, Pramls Favorit, die Optogenetik. Dabei handelt es sich um eine Methode, bei der Neuronen genetisch modifiziert werden. Lenkt man einen Lichtstrahl auf diese Zellen, verändern sie sich. Praml: „Bereits ein kleiner Lichtblitz im Infrarot-Bereich erzeugt eine geringe Reflexion, die eine eindeutige und vollständige Identifikationsmöglichkeit bietet."

Mag. Lukas Praml, CEO Österreichische Staatsdruckerei. Auf die Frage was ihn am meisten an Technik begeistert antwortet er: Technologie ist für mich der ultimative Change-Maker. Unsere Entwicklung als Menschen und Gesellschaft hängt in einem viel höheren als angenommenen Ausmaß von den Technologien ab. Ich liebe Veränderung, ob Evolution oder Revolution - mit ein bisschen Hirnschmalz dazu wird alles immer besser und die Gefahren bleiben bewusst.

System weiß alles
Doch es sind auch andere Visionen vorstellbar. Eine Möglichkeit ist, dass uns – ähnlich wie in Science Fiction-Filmen – das System kennt. Und dabei könnten die überall installierten Kameras und Webcams helfen. Praml: „Das klingt nach Totalüberwachung, aber da das System, das ich selbst aktivieren kann, weiß, wo ich mich aufhalte, da Menschen kontinuierlich begleitet werden, sind sie auch identifizierbar und müssen sich auch weniger authentifizieren." So könnte etwa das System mit jenem des Kreditkarten-Unternehmens gekoppelt sein und auf diese Art festgestellt werden, dass die Kreditkarten-Buchungsanfrage aus Timbuktu nicht möglich sein kann.

Systemausfälle
„Uns allen wird klar, dass die Elektronik die kritische Infrastruktur geworden ist", sagt Praml. „Früher konnte man einen Damenstrumpf nehmen, um kurzfristig einen Keilriemen zu ersetzen oder hat einen Masten gesprengt, um das Kommunikationssystem zu stören." Im IT-Zeitalter ließe sich die IT leichter außer Kraft setzen. Dass ohne IT-System auch das ID-System nicht funktioniert, sehen Schächter und Praml gelassen: „Wenn es einen großen Cyberangriff gibt und die IT-Infrastruktur wurde lahm gelegt, ist die ID das kleinere Problem.

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Die Staatsdruckerei produziert seit etwa 200 Jahren analoge Identitäten und druckt heute pro Jahr eine Million Datensätze: Reisepässe, Personalausweise, Führerscheine und Zulassungsscheine, Aufenthaltstitel et. Die OeSD ist auch international tätig und liefert die Infrastrukturen in anderen Länder, wie etwa nach Montenegro, auf die Malediven, nach Myanmar. Pässe werden zwar in Österreich gedruckt, aber im jeweiligen Land „scharf" gemacht, weil kein Staat seine Bürgerdaten aus der Hand geben will.

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