© Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien

Roboter-Chirurgie

Dr. "da Vinci" im OP-Saal der Zukunft

Der Chirurg sitzt relativ entspannt an einer Konsole versteckt vor einem großen Monitor und hält mit seinen Fingern zwei Controller fest. Er arbeitet wie ein Schlagzeuger - mit beiden Händen und beiden Füßen steuert er die vier Roboterarme im Bauchraum des Patienten, der auf dem OP-Tisch liegt. Die vier Systemarme, gesteuert und kontrolliert vom Chirurgen, schneiden, greifen, klemmen Gefäße ab, veröden sie und hantieren präzise mit den chirurgischen Werkzeugen. Die von den Roboterarmen geführten Instrumente sind beweglicher als jede Hand, können in alle Richtungen rotiert und abgewinkelt werden. Das System filtert sogar das natürliche Zittern der Hand heraus.

Sonderausstattung
Da Vinci ist mit einer Stereokamera ausgestattet, die ähnlich wie das menschliche Auge das Operationsfeld im Visier hat und jeden Arbeitsschritt als dreidimensionales Bild in zehnfacher Vergrößerung auf den Monitor des Konsolen-Operateurs liefert. Für seine Kollegen, den Arzt am OP-Tisch, die OP-Schwester und den Anästhesisten, werden die Bilder aus dem Inneren des Patienten auf zwei HD-Monitore seitlich des Operationstisches übertragen.

Seit Sommer 2011 ist der Operationsroboter in der Urologischen Abteilung im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien beschäftigt. „Genau genommen ist da Vinci ein Operationssystem“, sagt Univ. Prof. Paul Schramek, Vorstand der Abteilung für Urologie und Andrologie. „Ein Roboter macht das, was man ihm sagt, bzw. wie er programmiert wurde. Da Vinci ist ein Telemanipulator, der zu jedem Zeitpunkt nur das ausführt, was der Operator in seiner Konsole mit den Controllern tut. Die Entscheidung, welche Schritte erfolgen, liegt ausschließlich beim Operateur.“ In Fachkreisen wird dies „Master-Slave-System“ genannt, also Meister-Sklave-System. „Sklave“ da Vinci ist eine ziemlich große Apparatur auf Rollen, damit sie leicht von einem OP-Saal in den anderen geschoben werden kann. Jeder Arm wird bei jeder Operation steril verpackt.

Online ständig überwacht
Entwickelt wurde da Vinci vom US-Unternehmen Intuitive Surgical, das sich auf Operations-Roboter spezialisiert hat. Die ersten Modelle wurden von der US-Armee während des Zweiten Golfkriegs (1990) eingesetzt. Um auch komplexe Verletzungen von Soldaten operieren zu können, wurden die Mediziner vor Ort von Kollegen in den USA unterstützt, die die Operation quasi aus der Heimat durchführten. Fernoperationen lösten immer schon einen gewissen Wow-Effekt aus, doch dass eine „Maschine“ einen Menschen ganz von alleine operiert – das ist Science Fiction. „Jede Operation wird vom Chirurgien selbst und vor Ort durchgeführt “, erklärt Schramek. Bei Problemen mit dem System wird durch ständige Verbindung mit der Intuitive Surgical Zentrale sofort reagiert und gegebenenfalls eingeschritten. „Aber dazu ist es noch nicht gekommen“, betont Schramek. Bei Stromausfall schaltet das System automatisch auf Batteriebetrieb um. Die Datenmenge, die da Vinci zu verarbeiten hat, ist jedenfalls gewaltig, denn abgesehen von den hochauflösenden 3D-Bildern können auch Röntgenaufnahmen, Ultraschallbilder und CT- sowie Magnetresonanz-Bilder in das System eingespielt werden.

Die Entwicklung der Chirurgie
Seit den 90er-Jahren ist die „Schlüsselloch-Chirurgie“ (Endoskopie) verbreitet – ein Patient hat keinen großen Schnitt, sondern kleine Einschnitte, die auch rascher verheilen. Die Schlüsselloch-Chirurgie ersetzt zunehmend die traditionelle „offene Chirurgie“. Seit zehn Jahren führt man bei den Barmherzigen Brüdern in Wien bereits endoskopische Eingriffe mit einer sprachgesteuerten Kamera durch. Die Roboter-Chirurgie bringt weitere Verbesserungen, da sich der Konsolen-Operateur auf den chirurgischen Eingriff konzentrieren kann und nicht durch „äußere Umstände“ beeinflusst wird. Bei herkömmlichen Operationen muss er mitunter stundenlang stehen, oft schräg zum Körper des Patienten, er muss gleichzeitig den Monitor im Visier haben, um jeden seiner Handgriffe kontrollieren zu können. „Das fällt bei da Vinci weg“, sagt Schramek. Und noch einen Vorteil hat der Roboter-Einsatz – der Blutverlust ist bei Operationen sehr gering.

Die Zukunft der Medizin
„da Vinci ist ein Schritt in die Zukunft der Medizin, er ist ein Teil des Operationssaals der Zukunft.“ Und das erfordert ein völliges Umdenken des Operationsteams – OP-Gehilfen müssen den Patienten auf den Millimeter genau lagern, OP-Schwestern müssen extra geschult werden, was die Handhabung mit dem System anlangt, auch Anästhesisten und freilich die Operateure erhalten eine Spezialausbildung. Beispiel Barmherzige Brüder Wien: Nach einem 10 Stunden dauernden Trockentraining fuhr das Team rund um Prof. Schramek zuerst ins UniversitätsSpital Zürich, wo der Operationsroboter bereits seit Jahren bei Prostata-Operationen eingesetzt wird. Die Ausbildung wurde dann im europäischen Trainingszentrum IRCAD in Straßburg abgeschlossen, wo die Teams Trainings an Modellen durchführen konnten.

Fünf Krankenhäuser haben in Österreich bereits einen da Vinci im Einsatz, das Wiener AKH, die Uniklinik Innsbruck, die Barmherzigen Schwestern in Linz, das Krankenhaus Wels und die Barmherzigen Brüder in Wien. Dort steht der modernste Telemanipulator – der mehr als 1 Million Euro gekostet hat und pro Operation Material im Wert von etwa 1500 Euro verbraucht. 50 Operationen wurden bis dato durchgeführt, 150 werden es im ersten Jahr sein. 2011 wurde da Vinci bei Prostata-Operationen eingesetzt, für 2012 ist eine Nutzung bei der Gynäkologie und bei Nierentumor-Operationen geplant.

Prostata-Operationen: In Österreich werden jährlich rund 2.500 radikale Prostata-Operationen durchgeführt; rund ein Viertel davon in Wien und von denen werden die meisten im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder durchgeführt. Prostata-Patienten können zwischen einer herkömmlichen Operation, einer Schlüsselloch-Operation oder einer Operation mit da Vinci entscheiden. Die Operation mit der gesamten Entfernung der Prostata wird meist offen, mit einem 15 bis 20 Zentimeter langen Bauchschnitt durchgeführt. Bei der radikalen Prostatektomie, die mit Hilfe von da Vinci gemacht wird, sind nur kleine Schnitte notwendig. „Meistens entscheiden sich die Patienten für den technischen Fortschritt“, sagt Schramek.

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