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Science

Ein Stück Stoff ersetzt Windräder

Windkraft boomt. In Deutschland sind Windräder mit über 20 Prozent Anteil an der gesamten Stromerzeugung bereits die wichtigste Energiequelle. Aber auch in anderen Ländern werden kräftig Windparks gebaut. In Österreich stieg die Anzahl bis Ende 2019 auf 1.340 Anlagen, allein 2020 sollen weitere 49 Anlagen dazukommen. Im Vorjahr konnten Windräder in Österreich 13 Prozent der Stromversorgung abdecken.

Abgesehen von den Vorteilen der Technologie gibt es aber auch einige Nachteile. Die Produktion und Installation der riesigen Windräder ist kostspielig. Die sich mit hoher Geschwindigkeit drehenden Rotorblätter erzeugen nicht nur Lärm, sie können auch Vögel töten, wenngleich die Erkenntnisse hinsichtlich der Ausmaße widersprüchlich sind. Dazu kommen die unübersehbaren ästhetischen Auswirkungen auf die Landschaft.

Mit Drachen Strom erzeugen

Mit einer verblüffenden Alternative macht nun das deutsche Unternehmen SkySails von sich reden. Es will seine ursprünglich für Schiffe entwickelten Drachen künftig auch zur Stromproduktion einsetzen. Dabei zieht der Drachen nicht ein Schiff, sondern rollt mit seiner Kraft beim Steigen ein Seil von einer Winde ab. Die sich drehende Winde ist mit einem Generator gekoppelt, der durch die Drehbewegung Strom erzeugt.

Ist der Höchststand erreicht, wird der Drachen in eine Position mit wenig Luftwiderstand gebracht und mit einem Bruchteil der erzeugten Energie wieder auf den Boden gebracht. Dann wiederholt sich der Vorgang erneut. Da der Drachen theoretisch in Höhen von bis zu 800 Metern steigen kann, wo der Wind konstant und stärker weht als in den bodennahen Schichten, verspricht die Technologie eine bessere Energieausbeute als klassische Windräder.

Vorteile gegenüber Windrädern

„Windturbinen stehen mit ihren Höhen von 70 bis 120 Metern genau in der 200 Meter breiten Grenzschicht, in der die Winde von der Erdoberfläche abgebremst werden. Mit unserer Technologie, die den Wind oberhalb dieser Schicht nutzt, ist es erstmals möglich, 330 Tage im Jahr Strom aus Windkraft zu liefern“, erklärt SkySails-Geschäftsführer Stephan Wrage zur futurezone. Das sei eine perfekte Ergänzung zu anderen erneuerbaren Energiequellen wie Solarparks oder klassischer Windkraft.

Dazu komme, dass das System sehr schnell an einem Ort realisierbar sei. „Der Bewilligungsprozess, aber auch die Produktion und Planung nehmen viel weniger Zeit in Anspruch. Die Bodenstation besteht aus einem Container, der mit einem herkömmlichen LKW geliefert werden kann. Es gibt kaum Geräuschemissionen und keinen Anblick riesiger Türme und Rotoren. Ein Drachen am Himmel stört niemanden“, sagt Wrage.

Sauberer Strom für Inseln

In einem ersten Schritt sollen noch in diesem Jahr erste kleinere Systeme ausgeliefert werden. Dabei kommen Drachen mit 90 bis 120 Quadratmetern Fläche zum Einsatz, die in bis zu 400 Meter Höhe steigen und dabei 200 Kilowatt Leistung erzeugen sollen. Diese sind etwa als Ersatz für Dieselgeneratoren gedacht und könnten an entlegenen Orten, etwa Inseln, für sauberen Strom sorgen.

In der Zukunft will SkySails auch größere Drachen mit 400 Quadratmetern Fläche in höheren Luftschichten einsetzen und so eine echte Alternative zu klassischen Windrädern anbieten. „Bei den Kosten pro erzeugter Kilowattstunde schlagen wir nicht zuletzt aufgrund der geringeren Investitionskosten die klassische Windkraft. Wir sehen unsere Technologie aber nicht als Konkurrenz sondern eher als Ergänzung“, sagt Wrage.

Schutz vor Kollisionen und Unwettern

Das mobile und relativ leichte System eröffnet zudem völlig neue Einsatzgebiete – etwa auf dem offenen Meer. Denn während klassische Windräder aufgrund des benötigten Fundaments nur in flachen Küstengewässern installiert werden können, kann die Bodenstation als kleine schwimmende Plattform mit drei bis vier Ankerpunkten auch in Gewässern bis mehreren Hundert Metern Wassertiefe positioniert werden. Die Installation und Wartung der Anlage ist zudem weitaus günstiger und einfacher als bei klassischen Off-shore-Windturbinen.

Was den Luftraum betrifft, ist das System ebenfalls flexibel. Nähert sich ein Flugzeug, schlägt der im Drachen integrierte Sensor Alarm. Innerhalb weniger Sekunden kann sich der Drachen auf eine unkritische Höhe absenken. Dasselbe System wird auch bei drohenden Unwettern schlagend. Auch dann bringt sich der Drachen automatisiert in Sicherheit. Sturm-Schäden können dadurch vermieden werden.

Unproblematisch für Vögel

Und der gefürchtete Vogelschlag, vor dem Umweltschützer bei klassischer Windkraft oft warnen? „Bisher konnten wir keinen negativen Einfluss bemerken. Das ist wenig verwunderlich, da unsere Drachen höher fliegen als die meisten Vögel und auch viel langsamere Flugbewegungen aufweisen als etwa die großen Blätter einer Windturbine.  Am ehesten konnten wir beobachten, dass sich Vögel auf das Seil setzen und sich dort ausruhen“, erklärt Wrage. Die genauen Auswirkungen auf die Vogelwelt werden derzeit noch wissenschaftlich untersucht.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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