© IBM

Energie

Erst die Kraft von 2000 Sonnen macht Solarenergie grün

Die auch als als Solarflower bezeichnete, zehn Meter hohe Photovoltaikanlage besteht aus einer beweglichen Parabolschüssel aus Beton, die mit 36 runden Spiegeln aus silberbeschichteter Kunststofffolie ausgekleidet ist. Mit dieser entfernt an eine Blume erinnernden Konstruktion, deren Kelch automatisch dem Lauf der Sonne folgt, kann das einfallende Licht zweitausendfach konzentriert und auf Hightech-Photovoltaikelemente (PV-Element) gelenkt werden, die unter perfekten Voraussetzungen zwölf Kilowatt an elektrischer Energie pro Zehn-Sonnenstunden-Tag liefern sollen.

Ein einzelner Kollektor besteht aus sechs Elementen mit jeweils fünf mal fünf Chips. Durch die hohe Konzentration des Lichts entstehen in den sechs Brennpunkten Temperaturen von bis zu 1500 Grad, was ausreicht, um Eisen zum Schmelzen zu bringen. Um zu verhindern, dass die PV-Elemente aus Gallium-Arsenid durchbrennen, wurde deshalb ein spezielles Heißwasser-Kühlsystem implementiert, das die Wärme schnell abführt.

Diese Kühlung wurde von IBM für den Wärmeabtransport in Hochleistungsrechnern konstruiert. Dazu wird ständig Wasser in Mikrokanälen über die Chips geführt. “Die Kanäle messen lediglich 20 bis 50 Mikrometer, was etwa menschlichen Kapillargefäßen entspricht. Die Fließgeschwindigkeit beträgt etwa ein Meter pro Sekunde, um die Hitze rasch abzutransportieren”, sagt Bruno Michel von IBM Research in Zürich zur futurezone. So kann die Temperatur des PV-Elements trotz der konzentrierten Strahlung unter 105 Grad Celsius gehalten werden, obwohl das Wasser selbst etwa 90 Grad heiß ist.

Die Hightech Solar-Kollektoren bestehen aus je drei Dioden und insgesamt 20 Schichten, wodurch ein möglichst breites Licht-Spektrum genutzt werden kann. Diese Art der Photovoltaik funktioniert allerdings nur bei direkter Sonneneinstrahlung. Nördlich der Alpen sinkt die Effizienz zudem deutlich, weil die Sonneneinstrahlung schon weniger intensiv ist. Durch dieses Kühlsystem produziert das Kraftwerk unter optimalen Bedingungen rund 20 Kilowatt an thermischer Energie pro Tag, die direkt zur Entsalzung von Meerwasser und zur Produktion von Kälte genutzt werden kann. Solche Systeme werden als “High Concentration PhotoVoltaic Thermal (HCPVT)” bezeichnet.

Strom, Wärme und sauberes Trinkwasser

Solartechnik
Eine einzige Solarblume liefert nicht nur Strom, sondern auch Wärme, Kälte und sauberes Süßwasser. Durch die Konstruktionsweise mit speziellem Beton und Folienspiegeln kann das ganze Kraftwerk zudem kostengünstig errichtet werden. Bei Betrachtung der gesamten Energiebilanz soll Solarflower so weitaus bessere Werte liefern als herkömmliche Solarkraftwerke.

“Lange Zeit war man der Meinung, dass Sonnenenergie kostenlos sei und Effizienz deshalb vernachlässigbar wäre. Das ist aber ein Irrtum. Durch die nötigen großen, dunklen Flächen, die herkömmliche Photovoltaikanlagen benötigen, wird die Albedo der Erdoberfläche verändert, was zu einer lokalen und sogar globalen Erwärmung führen kann, weil weniger Energie reflektiert wird. Das weiß jeder, der schon einmal einen schwarzen Karton an die Sonne gelegt hat”, erklärt Michel. Diese Albedoveränderung hat der Forscher kürzlich beschrieben. Wird dieser Effekt berücksichtigt, verschlechtert sich die Öko-Bilanz von herkömmlichen PV-Anlagen drastisch.

Entgegenwirken könnte dieser Entwicklung ein Ausgleich durch weiß gestrichene Flächen, das würde aber den Platzbedarf und den Aufwand für nachhaltige PV deutlich erhöhen. Durch die Konzentration des Sonnenlichts auf eine kleine Kollektorfläche wird eine Erwärmung der Umgebung ebenfalls fast vollständig vermieden.

IBM und das Schweizer Unternehmen Airlight Energy wollen die Solarflower-Technologie 2017 auf den Markt bringen. Einen Prototypen im etwas kleineren Maßstab gibt es bereits in Biasca im Schweizerischen Tessin zu bewundern. Die Verwendeten PV-Module erreichen unter Realbedingungen einen Wirkungsgrad von etwa 30 Prozent. Durch die zusätzliche Nutzung der Wärme steigt die Effizienz des Gesamtsystems aber auf rund 80 Prozent. “In kaltem Klima kann die Wärme direkt zur Heizung von Gebäuden verwendet werden. Wir wollen unser Kraftwerk aber auch für heißere Umgebungen interessant machen, weshalb wir Entsalzungsanlagen und Kältemaschinen integrieren”, so Michel.

Schutzblase aus Kunststofffolie

Solartechnik
Mit der Wärme kann über ein thermisches Membran-Entsalzungs-System kann Meerwasser durch Verdampfung und Membranen, die nur für gasförmiges Wasser permeabel sind, gleichzeitig entsalzt und gereinigt werden. Hier arbeiten die Forscher aber noch an einer Verbesserung der Haltbarkeit und der Effizienz. Bis zu 40 Liter Trinkwasser pro Quadratmeter Empfängerfläche und Tag sollen so erzeugt werden können. Durch die Nutzung von Adsorptionskühlern kann mit der Wärme auch nutzbare Kälte erzeugt werden, was in warmen Regionen der Erde einen hohen Mehrwert liefert. Bei größeren Anlagen aus mehreren Blumen sollen die Kraftwerke lokal produziert werden, was Arbeitsplätze in den Regionen schaffen soll. Einen Preis für die Anlagen wollen die Entwickler noch nicht nennen, allerdings soll es bei Betrachtung der thermischen und elektrischen Energie mindestens um den Faktor zwei kostengünstiger sein als heutige PV-Systeme.

Die Folien-Spiegel der Solarblume sind relativ empfindlich, weshalb die gesamte 40 Quadratmeter messende Schüssel mit einer Blase aus Kunststofffolie überzogen ist, die Hagel und Sandstürmen trotzen soll. Innerhalb der Blase wird durch einen kleinen Ventilator für Überdruck gesorgt, damit keine Fremdkörper eindringen können. Das verursacht keine zusätzlichen Kosten, da der Ventilator ohnehin eingebaut wertden muss, um den Folienspiegel in die korrekte Form zu bringen. “Das ist eigentlich nur ein PC-Lüfter, Der nötige Druck ist sehr gering”, erklärt Michel. Das hat gleichzeitig den Vorteil, dass bei einem Ausfall der Kühlung einfach der Lüfter abgedreht werden kann, wodurch die Spiegel Flach werden und der Fokus der Strahlung verloren geht. Die schützende Blase macht die Anlagen zudem einfach zu warten.

Große Pläne

Trotzdem müssen die Folienspiegel alle zehn bis 15 Jahre ersetzt werden. Die Photovoltaikzellen sollen 25 Jahre lang halten, die Konstruktion der Blume selber ist auf 60 Jahre ausgelegt. Schon im kommenden Jahr sollen Early-Adopter sich die Blumen kaufen können. IBM plant für 2016 zudem einen Wettbewerb für Städte, bei dem zwei Kommunen mit einer Anlage ausgestattet werden. So könnten mit rund zwei Millionen solcher Schüsseln alle Menschen in Indien Zugang zu Elektrizität haben, während gleichzeitig ein ganzer neuer Industriezweig entstehen würde. Auch in reichen Ländern sollen die Solarflowers aufgestellt werden, da sie eine wesentlich platzsparende Nutzung der Sonnenenergie erlauben. Ästhetisch hat die Sonnenblume mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie Windkraftanlagen: Mit je zehn Meter Höhe und 7,7 Meter Breite stellen die Anlagen einen deutlichen Einschnitt in die Landschaft dar.

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Besichtigung des Forschungszentrums in Zürich auf Einladung von IBM.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Markus Keßler

mehr lesen
Markus Keßler

Kommentare