Autofreier Ring: Radfahrer gegen die Einbahn – nur einen Sonntag lang
Autofreier Ring: Radfahrer gegen die Einbahn – nur einen Sonntag lang
© Uwe Mauch

Verkehr

"Europas Städte werden autofrei"

An der Fachhochschule Technikum Wien wird an Verkehrskonzepten für die Zukunft geforscht. Bei dieser Arbeit muss eine enorme Menge an Fakten und daraus resultierenden Annahmen berücksichtigt werden. “Global gesehen nimmt etwa der Urbanisierungsgrad zu und die Bevölkerungen wachsen. Die Menschen sind es gewohnt, mobil zu sein. Vor einigen Jahrzehnten war ein Arbeitsweg von 50 Kilometern eine Belastung, heute sind für viele auch Pendelzeiten von einer Stunde kein Thema mehr. Verkehrssysteme müssen große Menschenmengen schnell, komfortabel und sicher an ihre Bestimmungsorte bringen”, sagt Harald Wahl, Studiengangsleiter Verkehr und Umwelt am Institut für Information Engineering und Security der FH Technikum Wien. Die Umweltthematik, also hauptsächlich CO2-Ausstoß und Energieverbrauch, darf dabei nicht vernachlässigt werden.

In verschiedenen Regionen der Welt sind die Voraussetzungen für künftige Verkehrskonzepte sehr verschieden, was Infrastruktur, Finanzierung und kulturelle Erwartungen angeht. In Europa geht der Trend eindeutig in Richtung nachhaltige Verkehrskonzepte. Dabei spielen vor allem in den Städten auch Fahrräder und öffentliche Verkehrsmittel eine zunehmend bedeutendere Rolle. Das heißt gleichzeitig, dass Autos im Gegenzug zurückgedrängt werden. “Hier sind nicht nur Zukunftsforscher, sondern vor allem auch die Politik gefordert, die Weichen zu stellen. In Wien etwa gibt es die klare Zielsetzung, den Verkehrsmix in Richtung Öffis, Fußgänger und Radfahrer zu verschieben”, so Wahl. Als Maßnahmen, um solche Änderungen in der Planung durchzusetzen, können etwa grüne Wellen für Radfahrer und Busse implementiert werden.

Emotionales Thema Auto

“Das geht nur, wenn die Politik auch wirklich mitzieht. Dann gibt es automatisch weniger Autofahrer”, so Wahl. Komplett auf Autos zu verzichten wäre derzeit noch nicht denkbar, der langfristige Trend geht aber durchaus in die Richtung, PKWs zumindest oberflächlich aus den Städten zu verbannen. “Dann würden enorme Flächen frei, die anderweitig genutzt werden könnten, um die Lebensqualität zu steigern. Es ist aus derzeitiger Sicht aber fraglich, ob die Städteplaner die notwendige Infrastruktur schnell genug entwickeln können, das ist sehr teuer und langwierig”, sagt Wahl. Derzeit gibt es in der Bevölkerung wohl keine Mehrheit für autofreie Städte. “Die emotionale Diskussion um die Mariahilfer Straße hat gezeigt, wie heikel dieses Thema ist. Die Autoindustrie arbeitet außerdem ebenfalls gegen diese Trends”, erklärt der Forscher.

Konzepte wie Carsharing, City-Maut und Umwelt-Steuern sorgen aber wohl auch kurzfristig für ein Sinken der Auto-Zahlen in den Städten Europas. “Manchmal brauchen Menschen einfach Autos, etwa wenn sie samstags zu IKEA fahren. Aber es gibt ein Umdenken in der Bevölkerung, Autos sind nicht mehr die Statussymbole, die sie einst waren. Für viele Stadtbewohner rechnet es sich heute schon nicht mehr, einen PKW zu besitzen”, erklärt Wahl. E-Fahrzeuge und intelligente Verkehrsleitsysteme sollen dafür sorgen, dass der bestehende PKW-Verkehr weniger Schadstoffe produziert, als heute. “Wir entwickeln Systeme, die helfen, den Verkehr effizienter abzuwickeln. Studien zeigen etwa, dass extrem viele Belastungen durch die Parkplatzsuche entstehen. Wir haben an der FH Technikum Wien ein System entwickelt, das Autofahrern über ihr Mobiltelefon anzeigt, wo freie Parkplätze sind und was sie kosten”, sagt Wahl.

Kleine Schritte

Durch moderne Technik und kreative Ideen kann auf diese Weise viel Verkehrsbelastung vermieden werden. “Wir bekommen die Autos nicht von heute auf morgen von der Straße. Aber in Österreich werden beispielsweise keine neuen Autobahnen mehr gebaut. Das zeigt, dass auch die Politik längerfristig weg vom Auto will, auch wenn sich heute noch kein Politiker traut, das Wort ‘autofrei’ in den Mund zu nehmen”, erklärt Wahl. Auch in Wien habe sich hier schon einiges getan, so der Forscher. “Das sind kleine Schritte, aber es gibt heute schon deutlich mehr Radwege als vor zehn Jahren. Umweltschutz wird in politischen Parteien außerdem immer wichtiger”, sagt Wahl.

Wenn die Autos je aus einem modernen Stadtbild verschwinden sollen, wird das noch eine Weile dauern. “Da sprechen wir eher von 100 als von zehn Jahren. Der Verkehr könnte auch unterirdisch geführt werden. Hier gibt es ja auch wirtschaftliches Potenzial, wenn enorme Bauflächen freiwerden. Ohne Parkgaragen, Straßen, Tankstellen und Werkstätten gibt es viel mehr Platz”, so Wahl. Vorerst wird aber wohl die Vermeidung von Abgasen im Zentrum stehen. “Hier hat vor allem die Elektromobilität Potenzial, allerdings nur, wenn der Strom aus erneuerbaren Quellen kommt. In Österreich haben wir diesbezüglich einen großen Vorteil mit der Wasserkraft”, so Wahl.

Selbstfahrende Autos sind ebenfalls ein Thema, allerdings sieht Wahl hier das Problem im Zusammentreffen zwischen Menschen und Maschinen. “Die Technik ist soweit, aber menschliche Fahrer würden das System instabil machen. Auf dem Land könnte das aber eine hervorragende Ergänzung sein. Wenn mich ein autonomes Fahrzeug auf Knopfdruck abholt, brauche ich kein Auto mehr”, skizziert Wahl eine mögliche Zukunft. Allein aus ökonomischen Überlegungen werden Autos auf dem Land aber vermutlich einen größeren Stellenwert behalten, als in den Städten. Der Aufbau von öffentlicher Infrastruktur ist am Land pro Kopf gerechnet einfach zu teuer.

Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und FH Technikum Wien entstanden.

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Markus Keßler

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