Futuristische Ablöse für ÖBB-Fahrkartenautomat
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An der FH Joanneum in Graz haben in den letzten Monaten mehrere Studententeams an Konzepten für den ÖBB-Fahrkartenautomat der Zukunft gebastelt. In der Lehrveranstaltung "Interface Design and Usability" des Studiengangs "Industrial Design" ging es darum, Geräte und Anwendungsfälle zu entwerfen, die frische Wege bei Benutzbarkeit und Gestaltung beschreiten. Die Konzepte der Studenten sollen den ÖBB Ideen liefern, welche Anforderungen an einen Ersatz der derzeitigen Fahrkartenautomaten gestellt werden können. Die aktuellen Geräte auf Österreichs Bahnsteigen sollen nämlich bald einen moderneren Nachfolger erhalten.
"Das heutige User Interface ist seit 12 Jahren im Gebrauch. Dafür sieht es eh noch okay aus, aber es gibt Verbesserungspotenzial", sagt Christoph Pauschitz. Der Geschäftsführer des Industriedesign-Unternehmens GP designpartners leitet die Lehrveranstaltung, in deren Rahmen die Studentenprojekte durchgeführt wurden. "Vorgaben gab es wenige, nur die Bedienbarkeit für alle Personen, auch solche mit körperlicher Beeinträchtigung, war Voraussetzung", so Pauschitz. Was dabei alles herauskam, kann man in der folgenden Bildergalerie durchstöbern.
Design für Alle
Bei einem Projekt wie dem Design eines Fahrkartenautomaten der Zukunft gibt es zahlreiche Gestaltungs-Aspekte, die man bedenken muss, sagt Pauschitz. Eines der grundlegendsten Themen ist etwa "Design for all". Ein Fahrkartenautomat muss von Jedermann bedient werden können. Verschiedenste Bedürfnisse und Hintergründe müssen bedacht werden. Bei der Gestaltung einer Benutzeroberfläche müssen große Unterschiede bedacht werden, etwa jener zwischen "digital natives" und älteren Generationen. Aus der Erfahrung mit den aktuellen Automaten weiß man, dass ein Ticket-Kauf oft schon an ganz einfachen Dingen wie dem erstmaligen Berühren des Bildschirms scheitert. "Viele warten darauf, dass die Werbung am Bildschirm verschwindet", erzählt Pauschitz.
Ein Fahrkartenautomat stellt einen wichtigen Markierungspunkt auf einem Bahnhof dar. Die Frage, wo und wie er platziert wird, ist von enormer Bedeutung. Dinge wie Sichtbarkeit oder die Eile vieler Passagiere, die unter Druck möglichst schnell und intuitiv ein Ticket erwerben müssen, müssen hier beachtet werden. Bedient man als Anwender dann einen Automaten, fühlt man sich oftmals exponiert und beobachtet. Dem kann man als Designer entgegenwirken, indem man Abgrenzungen schafft. Oftmals genügt hier alleine die Andeutung einer Separierung vom restlichen Bahnhofspublikum.
Vandalismus-Abwehr
Schon beim Design eines Fahrkartenautomaten wird großer Wert darauf gelegt, keine Anreize für Vandalismus zu schaffen. "Man will Leute nicht dazu einladen, das Gerät kaputt zu machen", sagt Pauschitz. Gestalter verwenden dazu gerne psychologische Tricks. Eine Auswirkung davon seien etwa große Glaswände bei Bushaltestellen, erklärt Pauschitz. Versucht man ein großes Glas einzuschlagen, sei die Auswirkung größer, dazu steige die Gefahr, sich zu verletzen.
Ein großer Fokus liegt auf der Gestaltung der Bedienoberfläche. "Das heutige User Interface sieht wie ein Formular aus. Man hat eine große Auswahl an Optionen. Das ist für Power-Nutzer interessant. Benutzerfreundlicher sind Ja/Nein-Fragen, Weichenentscheidungen statt multipler Auswahl", meint Pauschitz. Eine gute Bedienoberfläche müsse die Sichtbarkeit der Komplexität beim Auswahlvorgang minimieren. Schlussendlich geht es bei einem Fahrkartenautomat auch um das Serviceerlebnis und die Frage, wie modern ein Unternehmen durch ein Gerät wirken kann.
Mehr Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit der FH Joanneum und der ÖBB bei dem Studentenprojekt hält Pauschitz für eine Win-Win-Situation. Studenten lernen, wie man etwas Vorhandenes verbessern kann, und das in einem relevanten Kontext. "Ein erfundenes Projekt ist langweilig", ist Pauschitz überzeugt. Die ÖBB hätten wiederum einen Einblick in eine junge, moderne Herangehensweise und bekämen jede Menge "Innovations-Input".
Der ÖBB fertige Pläne zu präsentieren, war dabei nicht die Aufgabe. "Es war nie gedacht, dass die ÖBB sagen:`Projekt Nummer fünf nehmen wir`", meint Pauschitz. Die Studenten hätten dagegen "im Prinzip Anforderungen aufgestellt. Die Projekte sollen zeigen, welche Dinge möglich sind." Sollten die ÖBB jedoch an einem der erstellten Projekte interessiert sein und Ideen daraus umsetzen, werden die jeweiligen Studenten im Entwicklungsprozess beteiligt.
Der Veranstaltungsleiter ist der Überzeugung, dass sich Wirtschaft und Universitäten generell mehr austauschen sollten. Beide würden unterschiedliche Ziele verfolgen. Eine Konkurrenz sei unwahrscheinlich. Pauschitz: "Was die Uni gut beherrscht, ist das Vorausblicken. Von der Wirtschaft wird das zu wenig genutzt. Stattdessen werden teure Berater engagiert. Das bringt aber oft nichts. Für die Uni ist so ein Projekt aber super. Man kann so Pragmatik mit Abgehobenheit kombinieren."
Die Lehrveranstaltung "Interface Design and Usability" soll auch im nächsten Studienjahr stattfinden. Für 2014 wird noch ein Kooperationspartner gesucht, der ähnlich wie die ÖBB ein Projekt gemeinsam mit Studenten durchführen will. "Bei Interesse bitte bei mir melden", meint Christoph Pauschitz.
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