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Science

Warum Forscher mehr Häuser aus Lehm ermöglichen wollen

Häuser und andere Konstruktionen aus konventionellen Baustoffen wie Beton, Ziegel oder Holz sind langlebig und robust. Aufgrund ihrer Eigenschaften sind sie vielschichtig einsetzbar und erfüllen eine Reihe an bauphysikalischen Anforderungen. Den Vorzügen von Beton etwa steht mit der Herstellung von Zement als Bindemittel allerdings eine hohe CO2-Belastung gegenüber. Laut einer Studie werden jedes Jahr um die 4,6 Milliarden Tonnen Zement hergestellt. Dabei fallen beinahe drei Milliarden Tonnen CO2 an. Global gesehen gehen bis zu 8 Prozent der Treibhausgasemissionen auf die Zementproduktion zurück. Das Brennen von Ziegeln hingegen ist energieintensiv und der Erdgasverbrauch dabei hoch. Holz wiederum muss meist über lange Wege transportiert werden.

Großes Potenzial als Baustoff für eine klimafreundliche Zukunft weist hingegen Lehm auf. Die Mischung aus Sand, Ton und Schluff kommt ohne Brennprozesse aus, setzt weder Treibhausgase noch Toxine frei und beinhaltet auch keine Problemstoffe, die speziell entsorgt werden müssen. Daneben ist Lehm theoretisch vor Ort verwertbar.

Lehm vor Ort verbauen

Würde Ortlehm gleich dort verbaut, wo er auf der Baustelle vorkommt, würden lange Transportwege und die damit einhergehenden CO2-Emissionen zudem obsolet. „Doch wie auch Kalk aus verschiedenen Abbaustätten vielfältige Ausprägungen hat, so weist auch Lehm je nach geologischer Herkunft unterschiedliche Eigenschaften auf“, sagt Barbara Bauer vom Österreichischen Institut für Baubiologie und -ökologie (IBO) gegenüber der futurezone. Bezüglich der jeweiligen Qualität herrscht noch viel Unsicherheit. 

„Lehm ist ein sehr ökologischer Baustoff. Er wird jedoch wenig eingesetzt, weil er nicht standardisiert ist“, sagt sie. Hingegen könne die Qualität eines konventionellen Gips- oder Kalkputz besser eingeschätzt werden, sodass es kaum Überraschungen in der Verarbeitung gibt. 

Lehm besteht aus Sand, Ton und Schluff  und kann sehr einfach instand gehalten werden.

Einfache Instandhaltung

Das soll künftig auch für Lehm gelten. Mit dem Projekt "ClayToStay“ der Institute IBO, KMFA, AEE Intec und BTI des Forschungsnetzwerks ACR (Austrian Cooperative Research) wird  eine standardisierte Laborprüfmethodik entwickelt, wodurch die Qualität des Lehms, den man auf der Baustelle findet, untersucht werden kann. Dabei werden geeignete Kriterien für die Bewertung von Ortlehm ermittelt und validiert sowie die Anforderungen für eine breite Anwendung auf der Baustelle untersucht. 

Unter anderem löst sich Lehm auf, wenn er nass ist. Laut Bauer könne er etwa im Sockelbereich daher nicht eingesetzt werden. „Generell sind Lehmkonstruktionen weniger wasserbeständig. Gleichzeitig können sie  aber auch leichter instand gehalten werden“, sagt die Expertin. Wird Lehm außerdem mit dem nötigen Wissen gepflegt, hat er sehr langen Bestand, wie viele Lehmbauten, die vor rund 200 Jahren errichtet wurden, zeigen. Was es dazu braucht, ist ebenfalls Gegenstand des Forschungsprojekts.

Effekte auf Wohnqualität

In einem nächsten Schritt sollen auch die Effekte des Baustoffs auf die Wohnqualität erforscht werden. Laborstudien haben bereits gezeigt, dass der Baustoff die Feuchtigkeitsaufnahme und -abgabe reguliert und dadurch für ein angenehmes Raumklima sorgt. Die Vorteile von Lehm könnten aber weitreichender sein: „Die einen sagen, die Luft sei besser und Gerüche würden gebunden, die anderen sagen, Schadstoffe würden abgebaut“, sagt  Bauer. Messungen dazu gebe es aber noch nicht. „Wir wollen  untersuchen, was wahr ist und ob das abhängig von den verschiedenen Lehmsorten ist oder  für jeden Lehm gilt“, so die Fachfrau.

Zusätzlich sollen im Rahmen des Forschungsprojektes Werte wie Druck und Zugfestigkeit gemessen werden. Denn erst wenn bekannt sei, unter welchen Bedingungen Ortlehm brauchbar ist, könne er auch einfacher eingesetzt werden. 

Mehrere Prüfverfahren

Neben den Laborprüfungen wird das IBO Experimente durchführen. Diese dienen der Überprüfung, für welche Anwendungen sich welche Typen von Ortlehm eignen. Unter anderem wird der Lehm dafür auf eine Versuchsfassade aufgebracht. Bis April 2023 soll das Prüfungsnetzwerk entwickelt werden, mithilfe dessen ein breiter Einsatz des Baustoffs ermöglicht werden soll. Die entwickelte Gesamtprüfstrategie soll schließlich als Prüfdienstleistung angeboten werden.

„Mit der Expertise aus verschiedenen Zugängen des ACR und den unterschiedlichen Instituten werden wir versuchen, mehrere Prüfverfahren und Ansätze zu finden, damit der Baustoff Lehm öfter im Bauwesen eingesetzt wird“, sagt Bauer.

Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort.

Das Tecla-Haus in Italien besteht aus einem Wohnbereich, einem Schlafzimmer, einer Küche und einem Bad.

Erstes Lehmhaus aus dem 3D-Drucker gebaut

Die Stadt Massa Lombarda in Norditalien weist seit Juli 2020 eine besondere Architektur auf. Denn dort wurde das erste Null-Abfall-Gebäude aus lokalem Lehm errichtet, das aus zwei miteinander verbundenen Kuppelhöhlen mit runden Glasdächern besteht. Das Besondere am sogenannten Tecla-Haus ist aber nicht nur, dass es aus biologisch komplett abbaubarem und recycelbarem Material besteht, es kommt zudem aus dem 3D-Drucker.  Dabei wurde Ortlehm aus einem nahe gelegenem Gewässerbett abgebaut und durch Spezialdüsen in die Kuppelformen gespritzt. 

Der Drucker besteht aus zwei synchronisierten Armen, die gleichzeitig zum Einsatz kommen. Jeder Arm kann dabei binnen weniger Tage unterschiedliche Wohnmodule aufbauen. Für das Tecla-Haus wurden insgesamt  rund 60 Kubikmeter Erde verwertet, woraus 150 Kilometer Spritzguss entstanden. Das Baumaterial besteht aus 350 gewundenen Schichten, welche die Lehmwände bilden. Jede Schicht  weist eine Höhe von 12 Millimetern auf. 

Keine Zusatzmaterialien

Für das Bauwerk, das aus einem Wohnzimmer, einem Schlafzimmer, einer Küche und einem Bad besteht,  wurden gerade einmal 200 Stunden aufgewendet. Beton und andere Materialien kamen für den Bau  nicht zum Einsatz. Je nach Region, wo eine solche Behausung gebaut werden soll, kann das Lehmhaus an den jeweiligen Umgebungstemperaturen angepasst werden. Wird es in feuchteren Gebieten gedruckt, kann es mit mehreren Belüftungsmöglichkeiten ausgestattet werden. Wird es hingegen in besonders warmen Gebieten errichtet, ist das Konzept geschlossener, sodass die Innenräume kühl bleiben. 

Gebaut wurde das Haus  vom Unternehmen Wasp, das auf 3-D-Druck spezialisiert ist, in  Zusammenarbeit mit der School of Sustainability – eine Privatuniversität in Bologna –  und dem Architektenbüro Mario Cucinella.

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Andreea Bensa-Cruz

Andreea Bensa-Cruz beschäftigt sich mit neuesten Technologien und Entwicklungen in der Forschung – insbesondere aus Österreich – behandelt aber auch Themen rund um Raumfahrt sowie Klimawandel.

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