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Im Test: Motor-Einrad hält Passagier in Balance

Man stelle sich vor, in zehn oder zwanzig Jahren besucht man als älterer Mensch ein Museum, etwa das Ars Electronica Center in Linz. Anstatt sich stundenlang auf einem Gehstock durch die Ausstellungsräume zu quälen, nimmt man beim Empfang ein kleines Gerät in Form eines futuristischen Einrades in Empfang. Man schaltet es ein, es steht von selbst ausbalanciert auf der Stelle. Ein Sitz wird ausgeklappt, man setzt sich darauf und fährt los. Gesteuert wird einzig durch leichte Gewichtsverlagerungen nach vorne, nach hinten und zur Seite. Das Gerät ist so klein und wendig, dass man selbst bei starkem Besucheraufkommen niemandem in die Quere kommt. Diese Vision einer High-Tech-Gehhilfe konnte die futurezone in dieser Woche bereits in der Praxis ausprobieren.

Kinderleichte Bedienung

Das besagte Gefährt nennt sich U3-X und stammt aus der Bastelstube von Honda. U3 steht für "Unique Universal Uni-Cycle". Das Gerät ist 60 Zentimeter hoch, wiegt dank Karbon nur 10 Kilogramm und ist kinderleicht zu bedienen, wie Shinichi Matsunaga von Hondas Grundlagen-Forschungszentrum in Wako, Japan, in einem riesigen Präsentationsraum des Ars Electronica Center, demonstriert. An einem Tragegriff in die Mitte des Raumes platziert, werden Sitzschalen und Fußrasten ausgeklappt. Matsunaga setzt sich vorsichtig drauf und los geht die rollende Reise mit maximal 6 km/h. Eine Stunde lang kann man mit einer Akkuladung durch die Gegend kurven. Je nach Bodenbelag lassen sich auch Steigungen bis zu 5 Prozent bewältigen.

Im futurezone-Test erweist sich das Gerät als bemerkenswert leicht zu bedienen. Beim Aufsteigen ist ein wenig Vorsicht angebracht. Wer sich wild auf das U3-X wirft, wird wahrscheinlich samt dem Gerät umfallen. Dem kleinen Einrad traut man zunächst kaum zu, eine Person zuverlässig balancieren zu können, die ca. 8,5 mal schwerer ist, aber es funktioniert. Nach ein paar Sekunden Übung steigt das Vertrauen in das U3-X. Auch anfängliche Hemmungen, sich darauf nach hinten zu lehnen, schwinden rasch.

Gleichgewichts-Sensor und Mehrfach-Rad

Enstanden ist U3-X als Spin-Off von ASIMO, dem humanoiden Roboter von Honda. Die neueste Generation des darin verbauten Gleichgewichts-Sensors inspirierte die Entwickler zu Anwendungen auf anderen Gebieten. Heute ist der Sensor bereits in Hondas MotoGP-Motorrädern verbaut und sorgt dort für optimale Benzineinspritzung je nach Neigungslage der Maschine. Dann kam die Idee zur Konstruktion eines kleinen Personentransporters, bei dem mittels Körpergewichtsverlagerung Fahrrichtung und Geschwindigkeit variiert werden können. Seit fünf Jahren wird nun bereits an U3-X getüftelt.

Beim motorisierten Einrad kommt neben dem neuartigen Sensor ein innovatives Radsystem zum Einsatz. Hondas Omni Traction Drive System (HOT) besteht aus einem Rad, das aus mehreren kleinen quer stehenden Rädern zusammengesetzt ist. Durch Bewegen des großen Rads fährt das Fahrzeug vorwärts und rückwärts, durch Bewegen der kleinen Räder seitwärs. Eine Kombination der Bewegungen ergibt eine diagonale Fahrtrichtung. Gedreht wird durch kleine Fußspitzenstupser des Fahrers auf den Boden.

Einrad als Testbett

Trotz großer Begeisterung der Tester im Ars Electronica Center wird U3-X vorerst nicht zum Massenprodukt werden. Honda verwendet das Einrad und seine Bestandteile als Testbett für eine Reihe von Technologien. Die Forschungsabteilung entwickelt etwa weitere Gehhilfen mit Rollen oder Beinen und ganze Exoskelette für körperlich behinderte Menschen. Ein Ableger des U3-X soll ab 2014 marktreif sein. UNI-CUB, so der Name des Gefährts, soll dem Einrad recht ähnlich sein, aber zwei Räder aufweisen. Kostenmäßig soll sich UNI-CUB im Bereich zwischen 3.000 und 5.000 Euro bewegen.

Gemeinsame Vergangenheit

Dass der U3-X nun ausgerechnet im Rahmen der Ars Electronica vorgestellt wurde, ist kein Zufall. Honda und das Futurelab der Ars Electronica verbindet bereits eine Zusammenarbeit beim Roboter ASIMO. Vor zwei Jahren führte der Forschungszweig des seit 1979 jährlich stattfindenden Kunst- und Technologiefestivals eine Untersuchung durch, bei der es um die soziale Interaktion zwischen Mensch und Roboter ging, erklärt Andreas Bauer, Direktor des Ars Electronica Center. Für Roland Berger, Geschäftsführer von Honda Austria, war die Auswahl des Veranstaltungsortes eine klare Angelegenheit: "Es gibt nur wenige Orte, wo man das Zusammenspiel von Mensch und Maschine so zielgerichtet präsentieren kann. Die Ars Electronica ist ein solcher."

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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