Kommende Akku-Generationen bringen dreifache Kapazität
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Die zu kurze Akkulaufzeit ist einer der größten Kritikpunkte an modernen Elektrogeräten. An Forschungsarbeit mangelt es nicht, Meldungen über Durchbrüche bei Einzelkomponenten sind regelmäßig in der Presse zu lesen. Trotzdem müssen die meisten Smartphones immer noch spätestens nach einem Tag an die Steckdose.
Das AIT will mit seinem neuen Batterielabor an der Entwicklung von besseren Akkus mitwirken. Unter der Leitung von Principal Scientist Atanaska Trifonova sollen die Kompetenzen gebündelt werden, um alle Komponenten von Akkusystemen unter einem Dach erforschen zu können. Trifonova glaubt, dass die Lithium-Ionen-Technologie (Li-Io) noch einige Jahre lang als Goldstandard fungieren wird, auch weil die Technik noch viel ungenutztes Potenzial hat. Die nächste Generation von Akkus wird aber schon erforscht und soll eine bis zu dreimal höhere Kapazität als Li-Io-Akkus bringen.
Atanaska Trifonova:Die aktuellen Studien zeigen, dass im vergangenen Jahr insgesamt über sieben Milliarden Li-Ionen-Batterien für Laptops, Kameras, Handys und Elektroautos verkauft wurden. Solche Zahlen zeigen, dass der Lithium-Ionen-Speicher die beste Batterietechnologie ist, die je erfunden wurde. Luft nach oben gibt es noch viel, mindestens für die weiteren 15 Jahre. Darüber hinaus ist die Lithium-Speicher-Technologie entscheidend für den Umstieg auf erneuerbare Energien. Also, die Lithium-Ionen-Technologien werden uns in den nächsten Jahrzehnten weiter begleiten, vor allem in den Bereichen Mobilität und Energie, da sie trotz ihres Reifegrades noch einiges Optimierungspotenzial bieten.
Was sind die Hauptargumente für Li-Ionen-Akkus?
Die wichtigsten Argumente sind: Vielfältigkeit der Technologien, bezogen auf diverse Kombinationen der verwendeten Materialien; flexibles Design auch bei den Zellen und Modularität der Speicher, hohe Energiedichte, Leistung und Wirkungsgrad, Lebensdauer, kaum Selbstentladung, kein Service und keine Wartung notwendig. Man kann noch weitere Aspekte nennen, wenn man konkrete Speicher vergleicht.
Was könnte nach Li-Ionen-Akkus kommen?
Das sind sogenannte Post-Lithium-Technologien. Da zählen Li-Schwefel, Li-Luft, Zink-Luft, Magnesium-Ionen, Natrium-Ionen sowie Festkörper-Systeme. Die ersten drei erforscht man seit ungefähr 20 Jahren. Allerdings erlauben einige spezifische materialbezogene Probleme und vor allem technologische Herausforderungen immer noch keine Markteinführung. Die letzten drei, Mg, Na und Festkörper-Technologien, sind vielversprechend aber derzeit jedoch in dem Grundlagenforschungsbereich. Es wird noch einige Zeit dauern bis sie den entsprechenden Reifegrad erreichen.
Sehen Sie Brennstoffzellen als Konkurrenz?
Nein, die Brennstoffzellen haben ihr Potenzial für bestimmte Anwendungen, zum Beispiel stationäre Energiespeicherung beziehungsweise Umwandlung. Sie werden aber nie die Batterien in ihrem breiten Anwendungsspektrum ersetzen können.
Wie groß schätzen Sie das Potenzial ein, das aus der Lithium-Ionen-Technologie noch geholt werden kann?
Wie die meisten Forscher weltweit: die künftigen Lithium-Ionen-Akkus dürften eine Steigerung der Energiedichte um 30 Prozent und eine weitere Kostenreduktion um mindestens 20 Prozent erreichen. Das sollte durch kontinuierliche Verbesserung und Optimierung der Materialien und Produktionsprozessschritte erzielt werden.
Welche Elektrodenmaterialien sind besonders vielversprechend?
Besonders vielversprechend sind die nächste Generation der Elektrodenmaterialien: als Fünf-Volt-Kathoden sind unsymmetrische Nickel-Mangan-Kobalt-Mischoxide, Nickel-dotierte Manganspinell und einige Phosphat-Verbindungen von besonderem Interesse. Auch Li-reiche Materialien sind im Fokus von vielen Forschungsgruppen. Als vielversprechende Anodenmaterialien mit hoher Energiedichte zeichnen sich Silizium- und Zinn-basierende Kompositen sowie einige verbesserte Kohlenstoffe aus. Viele Forschungsaktivitäten sind in der letzten Zeit auch auf Immobilisierung des metallischen Lithiums konzentriert.
Werden Sie auch an alternativen zu Li-Io arbeiten, etwa mit anderen Leichtmetallen?
Neben unserem Hauptfokus Lithium-Ionen-Technologie forschen wir auch bereits an Materialien für die Batterien der Post-Lithium-Generation. Dazu zählen metallorganische Katalysatoren - also nicht aus der Platin-Gruppe - für Gasdiffusionselektroden für Li-luft-Zellen sowie die modell-unterstützte Entwicklung von neuartigen Interkalationsverbindungen für Magnesium-Ionen-Batterien. Der Ansatz der Computersimulation könnte bei der Suche nach Batteriematerialien mit mehrfachen Ionen wie Magnesium helfen. Das Wissen über mehrwertige Ionen wie Magnesium, Aluminium oder Calcium und deren Insertionsprozesse ist allerdings noch gering und die Forschung in diesem Bereich hat einen langen Weg vor sich. In Japan, den USA und in Israel gibt es viele Bemühungen in dieser Richtung und wir sind froh unter den Ersten zu sein, die sich mit diesem Thema befassen.
Was ist aus der schon vor einigen Jahren hoch gelobten Lithium-Luft-Zelle geworden?
Sie ist immer noch in der Entwicklung. Obwohl die Probleme bekannt sind, gibt es noch einige Fragestellungen zu Nebenreaktionen und auch technologische Herausforderungen bezüglich des Zelldesigns zu lösen. Einige Fortschritte in der Zyklenzahl - derzeit etwa 2000 - und der Energiedichte sind schon erreicht, wie letztes Jahr Wissenschaftler in Cambridge im Fachmagazin „Science“ berichteten. Die derzeitige Forschungsarbeit auf diesem Gebiet ist allerdings auf das Labor begrenzt. Sobald man eine Zelle vergrößert, treten andere Schwierigkeiten auf.
Wie groß könnte der Kapazitätsvorteil von Nachfolgetechnologien gegenüber Li-Io sein?
Man erwartet bei Mg-Technologie oder Li-Schwefel eine zweifache und bei Li-Luft eine dreifache Kapazitätssteigerung.
Wann erwarten Sie frühestens Akkus mit Nachfolgetechnologie im Handel?
Laut vielen Studien und Roadmaps werden Mg-Speicher, genauso wie Festkörperbatterien und Luft-Systeme, erst nach 2030 am Markt erwartet. Für Li-S liegt die Prognose bei etwa zehn Jahren.
Wie groß sind die Fortschritte, die bei Li-Io-Akkus seit ihrer Einführung gemacht wurden?
Seit ich 1996 in diesen Forschungsbereich eingestiegen bin, hat die Lithium-Ionen-Technologie mehrere Entwicklungsphasen durchlaufen. Die Li-Akkus speichern heute etwa dreimal so viel Energie pro Gewichtseinheit wie die ersten kommerziellen Sony-Zellen aus dem Jahr 1991. Sie kosten auch nur mehr ein Zehntet. Im Vergleich zu den anfänglichen Nickel-basierten Akkus der 1900er-Jahre stieg die Energiedichte von aufladbaren Batterien um das siebenfache. Darüber hinaus, dank der weiteren Entwicklung der Analytik, ist heutzutage eine präzise Charakterisierung der Materialien sowie eine in-situ-Beobachtung der Prozesse während des Betriebs der Zelle möglich. Dadurch können die Probleme besser aufgeklärt und entsprechenden Lösungen gefunden werden. Nanotechnologie und Computerwissenschaft tragen viel zum Fortschritt in der Batterieforschung bei. Trotzdem bleibt dieses Forschungsfeld sehr komplex und erfordert lange Entwicklungszeit.
Auf unserer Seite wird in den Kommentaren oft die Meinung vertreten, dass Akkus viel zu langsam verbessert werden. Liegt das nur an der Wahrnehmung und der zunehmend mobilen Technologie oder geht die Forschung auch für Experten wie Sie zu langsam voran?
Die Lithium-Batterie-Forschung begann vor 45 Jahren, die erste kommerzielle Batterie wurde vor 25 Jahre von Sony auf den Markt gebracht. Es hat 15 Jahre gedauert bis Lithium-Eisenphosphat, die erste Technologie für e-Autos, entwickelt und in kommerziellen Zellen verwendet wurde. Eine alltagstaugliche Batterie zu entwickeln, die über einen weiten Temperaturbereich einsetzbar, kostengünstig und gleichzeitig eine entsprechende Energiedichte aufweist, ist sehr kompliziert und benötigt jahrzehntelange Forschung. Das ist ein mehrstufiger Prozess und erfolgt auf unterschiedliche Ebenen: Entwicklung von einzelnen Materialien, Kompatibilität der Komponenten, Hochskalierung der Zelle, Anpassung der Produktionsprozessstufen zur entwickelten Chemie, und so weiter. Jede einzelne Stufe dieses Prozesses ist ein eigenes Forschungsgebiet. Wenn nur eine Komponente geändert oder verbessert wird, muss der gesamte Forschungszyklus von vorne beginnen. Zum Schluss braucht man einen interessierten Industrieunternehmer, der die Technologie auf dem Markt bringt.
Wie lange dauert es, bis ein Fortschritt, den Sie im Labor machen in Handys und Autos zu finden ist?
Das kommt ganz auf den vollbrachten Fortschritt an, abhängig von den neuen Einsatzmöglichkeiten, den Wirkungsgradverbesserungen und dem Kosten-Nutzen-Faktor. Vereinfacht kann man sagen ungefähr zehn Jahre, aber meistens mehr.
Welche neuen Möglichkeiten finden Sie durch das neue Batterielabor des AIT vor?
Wir stellen alles aus einer Hand zur Verfügung und können neue und innovative Problemlösungen für elektrischen Speicher bieten. Generierte Erfahrung, wissenschaftliche und technisches Know-how und topmoderne Labore versprechen höchste Qualität der Forschung, eine kompetente Beratung und zuverlässige und flexible Dienstleistungen vor Ort. Diese Kombination gibt unseren Kunden aus der Automobilzulieferindustrie, Batterieherstellung, Zellherstellung und Materialentwicklung die Gewissheit, dass sie auf wissenschaftlich fundierte und qualitätsgesicherte Services und Daten zurückgreifen können.
Wie wollen Sie ihre neue Rolle als Principal Scientist gestalten?
Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll das Batterieforschungsthema komplett ausgebaut werden, sodass alle Labore in Synergie funktionieren. Weiters werden die vorhandenen Kompetenzen und das Know-how thematisch gezielt erweitert, woran wir bereits intensiv arbeiten. Darüber hinaus werden auch viele Doktoranden in Kooperation mit Universitäten bei uns in einer modernen Forschungs- und Entwicklungs-Umgebung trainiert und in einem Forschungsfeld ausgebildet, das ihnen viele zukünftige Perspektiven und Karrierechancen bietet. Alle diese Aktivitäten sind natürlich in zahlreichen geförderten nationalen, europäischen und industriellen Forschungsprojekten gebündelt. Als Priorität dabei sehen wir eine starke Fokussierung und möglichst breite Internationalisierung.
Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und AIT entstanden.
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