Auf der ISS misst heute die Puppe Matroshka kosmische Strahlen.
Auf der ISS misst heute die Puppe Matroshka kosmische Strahlen.
© NASA

50 Jahre Raumfahrt

Marsmission: Puppe misst kosmische Strahlung

„Zur Zeit Gagarins war man sich der Einwirkung kosmischer Strahlung auf den menschlichen Organismus weitgehend unbewusst“, erklärt Strahlenexperte Michael Hajek vom Atominstitut der TU Wien im Gespräch mit der futurezone. „Gerade was Langzeitmissionen – etwa zum Mars – betrifft, ist jedoch die Strahlenbelastung die letzte große physiologische Hürde“, so Hajek.

Um die Auswirkungen der kosmischen Strahlen auf den menschlichen Körper zu untersuchen, hat die Europäische Weltraumagentur ESA ein Programm gestartet, an dem neben dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) auch die TU Wien maßgeblich beteiligt ist. Dabei handelt es sich um eine mit etwa 6000 Sensoren ausgestattete Kunststoffpuppe namens „Matroshka“, die sowohl an der Außenseite sowie im Inneren der Raumstation ISS angebracht wurde.

Puppe mit echtem Skelett
Für das Skelett wurde echte Knochensubstanz verwendet und auch sonst wurde die Puppe detailgetreu einem menschlichen Torso nachempfunden. Über die in der Puppe angebrachten Thermoluminiszenz-Detektoren wird die Verteilung der Strahlenexposition im Körperinneren gemessen. So lässt sich genau bestimmen, welche Strahlenbelastung in den einzelnen Körperregionen und insbesondere in den lebenswichtigen Organen zu erwarten ist. Die Puppe ist in abschirmenden Materialen verpackt, die einem Raumanzug nachempfunden sind.

„Die bisherigen Testergebnisse haben gezeigt, dass die Strahlenbelastung im Inneren der Station sich relativ gleichmäßig verteilt. An der Außenwand der ISS waren überraschenderweise nicht die inneren Organe, sondern vor allem die Haut und die Augen der größten Exposition ausgesetzt“, erläutert Hajek. Das sei insofern eine wichtige Erkenntnis, da man über die Messung der Strahlung an der Körperoberfläche auch das Gesamtrisiko gut abschätzen könne.

Viele Fragezeichen bei Langzeitmissionen
Für Langzeitmissionen, bei denen der schützende Bereich des Erdmagnetismus verlassen werde, gebe es in puncto Strahlung aber noch kaum Erfahrungswerte, gibt Hajek zu bedenken. Als potenzielles Gesundheitsrisiko gilt dabei, dass gewisse elektrisch geladene Teilchen, wie etwa Eisenkerne, durch das fehlende Magnetfeld der Erde nicht mehr abgelenkt werden und somit ebenfalls in großem Umfang auf die Weltraum-Reisenden einwirken.

Um Astronauten besser schützen zu können, müsse man zukünftig noch mehr auf Kunststoff in der Abschirmung setzen. Diese beinhalten viel Wasserstoff und sind folglich in der Lage, beim Auftreffen der geladenen Teilchen diesen Energie zu entziehen. „Vor einer etwaigen Mission zum Mars müssen derartige Experimente natürlich mit aufwendigen Simulationsrechnungen verknüpft werden. Denn wenn die statistische Risikoberechnung sagt, dass nur die Hälfte der Astronauten den Flug zum Mars und wieder zurück überlebt, wird man eine Mission nicht absegnen können“, sagt Hajek.

Psychologische Belastung enorm
Neben der kosmischen Strahlung sieht Hajek vor allem die psychologische Belastung als große Hürde. Denn ungeachtet erster Isolationsexperimenten, wie sie derzeit in Russland stattfinden, könne niemand abschätzen, was für Auswirkungen eine drei Jahre dauernde Reise auf engstem Raum im Weltall mit sich bringe. „Vom Mars sieht man die Erde gerade einmal als leuchtenden Stern. Die Signalübertragung bei einem medizinischen Notfall dauert 20 Minuten. Bis die Antwort eintrifft, sind 40 Minuten vergangen. Solche Bedingungen kann man auf der Erde einfach nicht simulieren“, so der Wissenschafter im futurezone-Gespräch.

Ob und wann eine derartige Mission überhaupt durchgeführt wird, steht angesichts des Rückziehers von Obama derzeit ohnehin in den Sternen. Neben den Russen werden auch den Chinesen und Indern Ambitionen nachgesagt, diesen weiteren Meilenstein der Menschheit ins Auge zu fassen. „Eine etwaige Marsmission ist natürlich hochgradig politisch motiviert. Andererseits liegt es auch in der menschlichen Natur, immer über die Grenzen hinaus zu wollen“, glaubt Hajek.

Auch Erdenbürger profitieren
Ungeachtet der Frage, ob der finanzielle Aufwand für so eine Mission steht, profitiere man aber auch auf der Erde von der Weltraumforschung, so Hajek. Erkenntnisse aus der Strahlenforschung im All würden beispielsweise auch bei der Krebsbehandlung einfließen und etwa in Strahlungsgeräten und adaptierten Therapieplänen ihren Niederschlag finden. Auch die Schlaganfall-Medizin greife auf jüngste Forschungsergebnisse zurück.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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