Rigo Herold mit Datenbrille
Rigo Herold mit Datenbrille
© © Fraunhofer COMEDD

Cebit

„Mehr als Uhrzeit anzeigen geht mit Google Glass nicht“

"Datenbrillen gibt es schon seit 1966. Google Glass unterscheidet sich funktional nicht von diesen Prototypen, ist aber wesentlich kleiner und schicker als die riesigen Geräte von damals, die ob ihres Gewichts noch an der Decke befestigt werden mussten, um benutzt werden zu können", erklärt Rigo Herold von der Fakultät Elektrotechnik der Westsächsichen Hochschule Zwickau im Rahmen seines Vortrags auf der Cebit. Heute wie damals unterliegen die Datenbrillen der Einschränkung, dass sie Informationen lediglich auf einer Ebene über die vom Träger wahrgenommene Realität projizieren können, räumliche Tiefe kann nicht erzeugt werden. "Die virtuellen Objekte haben eben immer denselben Abstand vor dem Auge. Brillen wie Google Glass können deshalb nicht viel mehr, als die Uhrzeit oder eine SMS einzublenden. Wir arbeiten an Systemen, die weitaus vielseitiger anwendbar sind", so Herold.

Um die Ebene der Einblendungen zu ändern, könnte der Abstand des transparenten Displays vom Auge verändert werden. "Das ist aber nicht praktikabel. Wir verändern deshalb die Brennweite der Linsen, über die das Bild projiziert wird. Das erreichen wir mit Flüssigkeitslinsen, die sich durch das anlegen von Spannung verformen lassen", erklärt Herold. So kann nicht nur die scheinbare Entfernung der eingeblendeten Informationen verändert werden, sondern durch sehr schnelles hin- und herschalten zwischen zwei Ebenen auch ein 3D-Effekt erzielt werden und zwar selbst dann, wenn wie bei Glass nur ein Auge mit einem Display ausgestattet ist. "Das ist das selbe, wie wenn sie ihre Hand sehr schnell wiederholt nah an ihr Auge und wieder weg bewegen", gibt Herold ein Beispiel.

Neue Technik

In seinem Labor arbeitet der deutsche Forscher bereits an der Weiterentwicklung der Technologie. "Die Linsen reagieren noch zu träge, wodurch dreidimensionale Bilder bei der Darstellung flackern. Mit einem verformbaren Spiegel, der aus elektrisch steuerbaren Membranen besteht, können wir denselben Effekt erzeugen, die Projektionsebene aber viel schneller verschieben", sagt Herold. Die Prototypen werden vorerst mit zwei Displays - je eines pro Auge entwickelt. Ausführungen in Glass-Manier, mit nur einem Schirm, sind aber machbar. Die Optiken, die nötig sind, müssen allerdings ein wenig größer ausfallen als bei Googles Produkt.

Die möglichen Anwendungen sind vielfältig, vor allem wenn sie mit Eye-Tracking kombiniert werden. "Ein Arbeiter könnte sich wichtige Informationen bei der Wartung einer Maschine - etwa das erforderliche Drehmoment für einzelne Schrauben - direkt an der korrekten Stelle in sein 3D-Sichtfeld einblenden lassen. Über die Analyse der Blickrichtung könnte das System erkennen, wo der passende Platz ist. Arbeiten, die jetzt 45 Minuten dauern und bei denen Fehler passieren, könnten dann vielleicht in 15 Minuten und fehlerlos erledigt werden", beschreibt Herold. In einem weiteren Schritt müssten Ingenieure vielleicht gar nicht mehr vor Ort sein, sondern könnten die nötigen Informationen von zu Hause aus ins Sichtfeld von Arbeitern vor Ort einblenden.

Dieses Potenzial hat auch die Wirtschaft bereits erkannt. Diverse namhafte Unternehmen haben bereits angefragt. Selbst Google ist schon bei Herold und seinem Team vorstellig geworden. "Derzeit passiert viel auf dem Gebiet und alle haben Panik, dass andere schneller eine neue Technologie auf den Markt bringen. Es gibt wenige Experten und alle wollen das Know-how", so der Wissenschaftler.

Kino ohne Kopfweh

Einsetzbar wäre die Technologie auch, um 3D-Brillen zu erschaffen, die keine Übelkeit mehr verursachen. "Das Problem der heutigen Technik ist, dass das Auge eigentlich immer auf eine Ebene - die Leinwand - fokussiert, das Gehirn aber einen Tiefeneffekt vorgaukelt. Mit unserer Technologie kann das Auge tatsächlich auf verschiedenen Ebenen scharfstellen. Ob es andere Nebenwirkungen gibt, muss aber noch erforscht werden", erklärt Herold. Eine marktreife Datenbrille soll es jedenfalls schon in ungefähr drei Jahren geben. Erste Prototypen sollen im Oktober präsentiert werden, vorerst mit Flüssig-Linsen. Ende des Jahres könnte auch eine Version mit Membran-Technologie fertig sein.

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Markus Keßler

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