Künstliche Intelligenz

„Menschheit nicht reif für intelligente Roboter“

Sie krabbeln in Vulkankratern herum, befahren die Mars-Oberfläche und beherrschen mittlerweile auch das Treppensteigen. Gerade was die motorischen Fähigkeiten betrifft, sorgen die jüngsten Robotermodelle für Staunen. Die gesteigerte Bewegungsfreiheit und die zunehmend komplexe sensorische Ausstattung machen allerdings den Software-Entwicklern schwer zu schaffen.

Sensoren sorgen für Informationsflut
„Heute kann man auf einem Zentimeter Fläche schon hundert kleine Tastsensoren anbringen. Diese Flut an Information in den Griff zu bekommen, ist keine leichte Aufgabe“, erklärt Kirchner. Die Miniaturisierung von Kamera-Systemen und taktilen Komponenten eröffne völlig neue Möglichkeiten, wie Roboter ihre Umgebung wahrnehmen und mit ihr interagieren können. Diese Komplexität werde sich in den kommenden Jahren noch vertiefen, so Kirchner.

Ob das Science-Fiction-Szenario des intelligenten Menschenroboters eines Tages Realität werden kann, steht allerdings auf einem anderen Blatt Papier. „Die Gesellschaft wird solche Systeme nicht hervorbringen, solange sie nicht reif dafür ist. Und ich denke, das ist sie derzeit nicht“, meint Kirchner. „Die spannende Frage bei der Nachahmung menschlicher Intelligenz ist ja ohnehin, ob die Menschheit überhaupt den Beweis verkraften würde, dass sie im mathematischen Sinn nichts anderes ist als eine Ansammlung berechenbarer Automaten.“

Mathematische Formel unentdeckt
Auf dem Weg dorthin gibt es aber ohnehin noch viel zu tun. Und der Beweis, dass die menschliche Intelligenz mit all ihren sozialen Implikationen sich in einem technischen System einfügen lässt, muss erst erbracht werden. „Die mathematische Formel diesbezüglich ist jedenfalls noch nicht gefunden und ich wage zu bezweifeln, dass es eine solche Formel überhaupt gibt“, zeigt sich auch der Roboterforscher skeptisch. Dazu komme der völlig unterschiedliche Ansatz, den die Roboterforschung in den verschiedenen Kulturen verfolge.

Japan und der asiatische Raum waren immer schon vom sozialen Aspekt fasziniert. Das lässt sich allein daran ablesen, dass beinahe alle menschenähnlichen Prototypen der vergangenen Jahre von dort stammen. Der Zugang zur Technlogie ist kulturell und spirituell bedingt ein völlig anderer als in Europa oder den USA“, erklärt Kirchner. Die unbelebte Natur, aber auch Gegenstände würden aus der Tradition heraus eine Daseins- und Eigenberechtigung genießen. Ein Roboter werde folglich auch als mehr empfunden als die Summe seiner Einzelteile, so Kirchner.

Europa: Maschinen ohne Seele
Während also die Frage, ob ein menschenähnlich gestalteter Roboter in der Krankenpflege eingesetzt werden kann, in der japanischen Gesellschaft klar mit einem Ja beantwortet werde, seien die Europäer diesbezüglich viel skeptischer. „Aus europäischer Sicht verfügt eine Maschine wie alle anderen Gegenstände über keinen Geist und kein Ich im übertragenen Sinn. Es handelt sich um ein Ding. Wird es mutwillig zerstört, liegt maximal eine Sachbeschädigung vor“, erklärt Kirchner.

In der Roboterforschung und der Industrie macht sich dieser Zugang insofern bemerkbar, dass europäische Forschung vor allem mit funktionell ausgelegten Robotern punktet, sei es nun bei Robotermissionen auf dem Mars, in der Tiefsee oder in zerstörten Kraftwerksanlagen. „Unser Zugang ist, dass wir Roboter dorthin schicken, wo es uns zu schmutzig oder zu gefährlich ist. In den USA ist die Herangehensweise sehr ähnlich. Dort gibt es vielleicht noch weniger Skrupel, Roboter auch zu militärischen Zwecken einzusetzen“, sagt Kirchner.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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