Smart Metering

Nur wenig Interesse am Stromsparen

Durch intelligente digitale Stromzähler, sogenannte Smart Meter, können Kunden künftig ihren Energieverbrauch besser kontrollieren. Einerseits können sie wie bisher direkt und in Echtzeit vom Zähler ablesen, was sie gerade in dem Moment an Strom verbrauchen, andererseits können sie ihren Verbrauch vom Vortag täglich in einem Webportal abrufen und mit den Werten aus den Vortagen oder -monaten vergleichen. Doch Stromsparen interessiert nicht alle Menschen gleichermaßen, wie Roland Hierzinger von der Österreichischen Energieagentur gegenüber futurezone.at erklärt. Der Experte beschäftigt sich verstärkt mit Fragen der Verhaltensbeeinflussung, Kundenzufriedenheit und -akzeptanz sowie Bewusstseinsbildung. Zu seinen aktuellen Arbeitsschwerpunkten zählt auch Smart Metering.

"Es interessiert sich nur eine kleine Gruppe dafür"
"Wir können nicht davon ausgehen, dass alle Menschen gleich gestrickt sind. Es ist nur eine sehr kleine Gruppe, die sich für den eigenen Verbrauch von Energie interessiert, das sind maximal fünf bis zehn Prozent. Und nicht jeder wird durch die neuen Möglichkeiten, die Smart Metering mit sich bringen, gleich zum Energiesparer", fährt Hierzinger fort. "Bei den meisten Pilotprojekten in Österreich ist klar eine Grundtendenz erkennbar: Am Anfang interessiert die meisten Teilnehmer zwar ihr Verbrauch, aber der Sprung zur Verhaltensänderung scheint schwierig zu sein", beschreibt Hierzinger.

In Österreich wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Pilotversuche im Bereich Smart Metering gestartet, nachdem die EU eine Energieeffizienzrichtlinie herausgebracht hatte. Diese EG-Richtlinie 2006/32/EG sieht vor, dass bis 2020 mindestens 80 Prozent der Haushalte mit neuen, modernen Geräten ausgestattet werden müssen. Österreich hat die Richtlinie bereits gesetzlich verankert und sämtliche Spielregeln dazu festgelegt. Bis 2019 müssen in Österreich alle privaten Haushalte über einen intelligenten Stromzähler verfügen.

Die EU möchte den Verbrauchern mit dieser Strategie das Potenzial des Energiesparens näher bringen. Doch um dieses Potential auszuschöpfen, braucht es mehr als nur eine Verordnung, meint Hierzinger: "Man braucht äußerst kreative Ansätze, wenn man möchte, dass sich Kunden mit ihrem Energieverbrauch beschäftigen. Es ist außerdem gefährlich, den Menschen bei der Einführung der neuen Technologie die Karotte vor die Nase zu halten, wenn sie diese dann nicht erreichen können, weil am Ende nur geringe Einsparungen möglich sind."

Digitale Stromzähler messen viel zu hohen Verbrauch

"Einsparungen reichen nicht aus"
Bisherige Studien (

) haben nämlich ergeben, dass sich derzeit durch die neuen Zähler jährlich im Schnitt lediglich bis zu 3,7 Prozent an Energie einsparen lassen. Das sind rund 30 bis 50 Euro pro Jahr und Haushalt. "Es ist mehr als fraglich, ob das als Anreiz dafür reicht, sich für seinen Verbrauch zu interessieren. Für die große Masse wird das nicht ausreichen", meint Hierzinger. Ähnliches berichtet Maximilian Urban vom EVN Netz bei einemRoundtable. Die EVN hat von Mai 2010 bis Oktober 2011 einen Feldversuch durchgeführt und kommt zum Schluss: "Nicht jeder ist an der Transparenz seines Energieverbrauchsverhaltens interessiert." Auch Gerhard Riegler von den Stadtwerken Amstetten, die bis zum Frühjahr 2012 ebenfalls ein Pilotprojekt am Laufen hatten, ortet nur "ein geringes Kundeninteresse".

Riegler kritisiert dabei vor allem, dass die Visualisierung der Vortagesdaten (

) in einem Web-Portal die Kundenanforderungen nicht erfülle. "Die Grundvoraussetzung dafür, dass Kunden sich mit ihrem Energieverbrauch beschäftigen, ist, dass der Zugriff so einfach wie möglich ist. Bei einem Webportal muss man zuerst den PC aufdrehen, dann muss man sich einloggen. Dafür ist also viel Aufwand notwendig. Einfacher abrufbar wäre der Verbrauch mit In-Home-Displays, die man leicht da platzieren kann, wo man öfters vorbei kommt. Oder man könnte die Informationen über den SmartTV zugänglich machen", so Hierzinger. "Je höher der Aufwand, desto unwahrscheinlicher ist es, dass der Energieverbrauch langfristig im Auge behalten wird."

Gratis-Tablet als Zuckerl
Laut Hierzinger wird viel davon abhängen, wie kreativ Anbieter künftig sein werden, aber auch wie die Regulierungsbehörde E-Control und die Energieversorger den Menschen die Einführung der neuen Technologie erklären, auch ohne ihnen "die Karotte vor die Nase zu hängen". Jan Maciejanski von der REE! Managementgesellschaft schlägt beispielsweise vor, Gratis-Tablets auszuteilen, damit Kunden darüber ihren Energieverbrauch einsehen, aber auch steuern können. Das Tablet dient dabei als Eintrittspforte für Smart Home-Dienstleistungen sowie zur Visualisierung des täglichen Verbrauchs. "Diesen Ansatz halte ich für sehr gut, weil er mit einem Motiv verknüpft ist. Man kann damit auch etwas steuern", sagt Hierzinger, der auch darauf hinweist, dass die Heimautomatisierung derzeit noch in einem Anfangsstadium steckt - und sich bis zur verpflichtenden Einführung der Stromzähler 2019 noch entsprechend weiterentwickeln wird. Das Stromsparen könnte dadurch an Bedeutung gewinnen.

"Derzeit hat Strom kaum einen Wert"
Die Stadt Wien hält in ihrer

gar fest, dass Energieverschwendung im Jahr 2050 "gesellschaftlich ein Tabu" sein werde. Hierzinger hält das für unwahrscheinlich. "Es wird sicherlich nicht für alle zutreffen, das wäre ein schöner Wunsch", sagt der Experte. "Ob wir 2050 wirklich keine Energie mehr verschwenden, wird wiederum auch davon abhängen, wie teuer und knapp Energie zu dem Zeitpunkt geworden ist. Eine Verteuerung des Strom- und Gaspreises würde natürlich zu einer stärkeren Sensibilisierung führen. Derzeit hat der Stromverbrauch für viele Menschen kaum einen Wert. Strom muss einfach da sein, aber er emotionalisiert nicht. Was aber passiert, wenn Strom teurer wird, wissen wir nicht", fügt Hierzinger hinzu. Vielleicht ist die Vision der Stadt Wien bis 2050 daher doch keine Utopie mehr.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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