Wer will, kann mit dem Elektrofahrrad durch die Stadt flitzen.
Wer will, kann mit dem Elektrofahrrad durch die Stadt flitzen.
© eMORAIL

Grüne Mobilität

ÖBB wollen Pendlern Elektrofahrzeuge anbieten

Mit mehreren Partnern testen die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) ein Modell für den Pendlerverkehr der Zukunft. Statt mit laufenden Verbrennungsmotoren im Stau zu stehen, sollen Berufstätige, die etwas weiter von ihrem Arbeitsplatz entfernt leben, mit einer Kombination von Verkehrsmitteln durch die Gegend flitzen, und das umweltfreundlich und komfortabel. eMORAIL ist ein Ansatz, der einiges Umdenken erfordert. Es ist eine Mischung aus Carsharing, intermodaler Elektromobilität und Smartphone-App.

Das Prinzip von eMORAIL kann man sich so vorstellen: Am Morgen steigt ein Pendler in das Elektroauto vor seiner Haustür und fährt einige Kilometer bis zum nächsten Bahnhof. Dort parkt er das Auto auf einem eigens reservierten Parkplatz. Sowohl dort als auch bei ihm daheim befindet sich eine Ladestation. Der Strom wird teilweise in Photovoltaik-Anlagen erzeugt. Der Pendler steigt nun in den Zug um, der ihn in die Stadt bringt. Auf seinem Smartphone sieht er durch eine eigene App, wie es dort weitergehen soll. Währenddessen steigt ein Briefträger in das am Ausgangsbahnhof abgestellte Fahrzeug ein und benutzt dieses, um tagsüber sein Zustellgebiet abzuklappern.

Fahrzeug-Nutzung auch tagsüber

Bei der Ankunft in der Stadt begibt sich der Pendler entweder zu den öffentlichen Verkehrsmitteln oder zum Parkdeck, wo auf einem reservierten Parkplatz ein weiteres Elektroauto auf ihn wartet. Um den schnellsten Weg dorthin zu finden, konsultiert er seine Smartphone-App oder eine interaktive Informationssäule am Bahnhof. Alternativ kann er eines der wartenden Elektrofahrräder wählen, um zum Arbeitsplatz zu gelangen. Am frühen Nachmittag hat der Briefträger seine Tagestour erledigt und bringt das Autos zum Ausgangsbahnhof zurück, wo es wieder aufgeladen wird. Alternativ zur Post sollen die Elektroautos durch Sozialdienste, Gemeinden, Behörden oder andere Zustelldienste genutzt werden.

Nach der Arbeit kann der Pendler sein Stadt-Auto für Erledigungen benutzen, bringt es danach wieder zum Zielbahnhof zurück, nimmt den Zug Richtung Heimat, steigt dort in ein aufgeladenes und gereinigtes Elektroauto um und fährt nach Hause. Mit der Bahn hat der Pendler nun mindestens eine Distanz von 40 Kilometern überbrückt. Weil er dabei nicht im Stau steckte, hat er sich die Zeit erspart, die ihn der Umstieg zwischen den Verkehrsmitteln vielleicht gekostet hat. Bezahlt wird das ganze über eine einheitliche Rechnung. Das gute Gewissen, eine nachhaltige Verkehrsstrategie verfolgt zu haben, gibt es gratis dazu.

Praxistest ab Herbst

Noch ist eMORAIL keine existierende Lösung, sondern ein Forschungsprojekt, bei dem erst ein komplettes Geschäftsmodell erarbeitet werden muss. Im Herbst wird das Konzept erstmals in der Praxis getestet. In zwei ländlichen (Bucklige Welt, Leibnitz) und zwei städtischen Testgebieten (Wien, Graz) soll erprobt werden, wie intermodales eCarsharing samt eBike-Angebot im Alltag funktionieren kann. Der Praxistest soll bis Ende 2013 laufen und wird durch öffentliche Fördergelder und die beteiligten Unternehmen unterstützt. Testteilnehmern werden dafür auch Smartphones zur Verfügung gestellt.

Der innovative Gedanke bei eMORAIL ist, dass für Pendler nicht mehr ein Verkehrsmittel im Zentrum ihrer Fahrt steht, sondern eine Mobilitätsdienstleistung mit einer Buchung, einem Ticket und einer Abrechnung. Zur Fortbewegung benötigt man quasi nur noch ein Smartphone. Wo der öffentliche Verkehr kein ausreichendes Angebot bieten kann (am Land) werden die Stärken des Inidivualverkehrs (Elektroauto) genutzt. Andererseits wird der öffentliche Verkehr gestärkt, etwa weil der Einzugsbereich von Bahnhöfen vergrößert wird.

eMORAIL soll auch nicht zuletzt den Klimaschutz fördern. Der Strom für Elektroautos soll aus erneuerbaren Energien erzeugt werden. Solar- oder Windkraft-Anlagen speisen den notwendigen Strom direkt ins Netz ein und kompensieren somit den Verbrauch der E-Fahrzeuge. Eine effektive Pendler-Lösung könnte aus ÖBB-Sicht auch die Landflucht bremsen. Mit einem attraktiven Preismodell könnten viele Pendler der Elektromobilität den Vorzug geben und sich die Belastung durch steigende Treibstoffpreise ersparen.

Flexibilität
Um das Angebot attraktiv zu machen, wird auch an seiner Flexibilität gearbeitet und verschiedene Szenarien durchgespielt, die von einem geregelten Arbeitsalltag abweichen. Testteilnehmer werden etwa ein Kontingent an Taxi-Gutscheinen erhalten, die sie einsetzen können, wenn eines der Elektroautos aus irgendeinem Grund einmal den Dienst versagt oder einer der Carsharing-Partner das Auto zu Schrott gefahren hat, während der Pendler im Büro saß.

Wenn der Pendler früher aus dem Büro rauskommt, soll er mit der Smartphone-App auch seine fix geblockten Zeiten innerhalb gewisser Grenzen verändern können. Ist er einmal krank, benötigen Post oder andere Institutionen das Fahrzeug natürlich dennoch. In diesem Fall wird der Autofahrerklub ARBÖ einspringen und das Elektromobil vom Pendler-Wohnort abholen.

Wer will, kann mit dem Elektrofahrrad durch die Stadt flitzen.

Ergänzung

Bezüglich des Benutzungsumfangs von eMORAIL herrscht bei den ÖBB Realismus. Das Elektroauto für Pendler wird wohl eher als Zweitauto eingesetzt werden, als ergänzendes Mobilitätsangebot. Viele Nutzer werden daneben immer noch ein eigenes Fahrzeug besitzen, mit dem sie etwa auf Urlaub fahren können. Dieser Umstand wird vielen Testteilnehmern auch die "Organisation ihrer Mobilitätsbedürfnisse", wie es so schön heißt, vereinfachen, auch wenn das Elektroauto einmal nicht zur Verfügung stehen sollte.

Preis
Ein überaus wichtiger Faktor, sollte aus dem Projekt ein tatsächliches Produkt hervorgehen, ist klarerweise der Preis für den Benutzer. Zu diesem Zweck werden gerade mit einem Marktforschungsanalysetool marktfähige Paketpreise ermittelt. Laut ÖBB liegt die größte Herausforderung dabei in der Vermittlung, wie Mobilitätskosten überhaupt berechnet werden.

Viele Menschen sehen bei ihrem Auto vornehmlich Treibstoffkosten als relevanten Kostenfaktor. Dabei gilt es auch Reparaturen, Wertverlust, Versicherungskosten oder Straßenbenützungs-Abgaben in die Berechnung miteinzubeziehen. eMORAIL soll im Endeffekt als das attraktivere Angebot dastehen. Förderungen werden dabei nicht miteinbezogen. eMORAIL soll sich selbst finanzieren.

Mehr zum Thema

  • car2go im Test: Bequemlichkeit hat ihren Preis
  • Autos: "Strom wird Ressource der Zukunft"
  • Google bringt Fahrradnavigation nach Österreich
  • "Transparenz muss man erst mal aushalten"
  • EU-Parlament spricht sich für eCall aus

eMORAIL wird auf dem ITS-Weltkongress vorgestellt, der von 22. bis 26. Oktober in Wien stattfindet. Neben der Präsentation der Grundsatzidee der Pendlerlösung werden Besucher auch Elektroautos ausprobieren können. Beim ITS Weltkongress zeigen über 300 Unternehmen aus 65 Ländern ihre neuesten Entwicklungen im Bereich Verkehrstechnik und Telematik. Neben internationalem Fachpublikum soll die Veranstaltung auch Privatpersonen die Möglichkeit bieten, die Technik auf den Straßen von morgen zu begutachten.

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

mehr lesen
David Kotrba

Kommentare