Roboter "Pepper" hilft Demenzkranken in Österreich
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In Japan, dem Mutterland der modernen humanoiden Roboterforschung, prägen freundliche Androiden seit Jahrzehnten die öffentliche Diskussion. Aber auch in Österreich ist der Einsatz von sozialen Robotern längst im Pflegealltag angekommen. Im Haus der Barmherzigkeit in Wien war vier Jahre lang der 1,75 Meter große und 80 Kilogramm schwere „Henry“ zu Gast. Im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts zeigte der Roboter Personen den Weg, unterhielt Demenzkranke mit Musik und Videos und fungierte darüber hinaus als Infoterminal mit aktuellen Nachrichten und dem Wetterbericht.
Kleiner Androide
Noch ambitionierter ist das Projekt „Amigo“, das derzeit im Bezirk Deutschlandsberg in der Steiermark realisiert wird. Dabei zieht der Roboter „Pepper“ für drei Wochen in den Haushalt von insgesamt 20 Personen ein, die an Demenz leiden. Er soll die Betreuten zu Bewegungsübungen, aber auch zum Gedächtnis- und Wissenstraining animieren. Darüber hinaus erinnert Pepper an die Einnahme von Medikamenten, an Essen und Trinken oder auch an den bevorstehenden Arzt- oder Verwandtenbesuch. Über ein Tablet, auf dem neben den Trainingsprogrammen auch Medien wie Fotoalben genutzt werden können, soll die Interaktion und Kommunikation der Betroffenen gefördert werden.
Das Projekt, das von Joanneum Research mit dem Sozialverein Deutschlandsberg und weiteren Partnern wie Human Factors Technologies und die Wiener Firma Humanizing Technologies realisiert wird, wird vom Institut für Pflegewissenschaften der Medizinischen Universität Graz begleitet. Es ist eines der weltweit ersten Forschungsprojekte, das den Einsatz von Robotern zuhause untersucht. Bisher wurden Roboter meist nur in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern verwendet.
Problem Überalterung
„Durch den demografischen Wandel wird unsere Gesellschaft immer älter. Neuesten Zahlen zufolge verdoppelt sich die Anzahl der an Demenz Erkrankten alle 20 Jahre“, sagt Maria Fellner von Joanneum Research im futurezone-Interview. Der Mangel an Pflegekräften werde durch gesellschaftliche Entwicklungen noch verschärft.
„Die Großfamilie, wo Personen leichter von Angehörigen gepflegt werden können, wird immer seltener. Ältere Menschen wollen zudem so lange wie möglich in ihrem Zuhause bleiben“, sagt Fellner. Moderne Technologien, wie soziale Roboter, könnten dafür einen wertvollen Beitrag leisten.
Die Testpersonen, bei denen eine leichte bis mittlere Demenz diagnostiziert wurde, werden auf den Besuch des kleinen Roboters vorbereitet. Eine geschulte Trainerin erklärt die Bedienung und Funktionsweise. Einmal pro Woche kommt sie zudem persönlich vorbei, um sich mit dem Patienten über die gesammelten Erfahrungen und etwaige Probleme auszutauschen.
Sozialer Faktor und Herausforderung
„Natürlich haben die Patienten anfangs großen Respekt vor der Technologie. Man muss die Leute daher positiv und spielerisch an den Roboter heranführen. Wenn sie dann aber den Umgang mit ihm beherrschen, macht das viele sehr stolz“, erklärt Projektleiter Lucas Paletta von Joanneum Research. Er warnt generell davor, Menschen mit einer Demenzerkrankung zu unterschätzen.
„Die Erfahrung zeigt, dass Demenzbetroffene gefordert werden wollen. Sie wollen wissen, wo sie stehen. Die Übungen müssen daher abwechslungsreich und interessant sein.“ Dabei kommen auch die „sozialen“ Fähigkeiten des Roboters zum Tragen. So reagiert dieser bei Erfolgen mit witzigen Kommentaren oder einer Verbeugung mit Fanfarenmusik. Klappt etwas nicht, muntert „Pepper“ die Person auf. Sämtliche Übungen können auch mit Angehörigen durchgeführt werden.
„Wenn das Enkerl zu Besuch kommt, um bei den vorgezeigten Bewegungsübungen oder einem Wissensquiz mitzumachen, verstärkt das den sozialen Effekt“, erklärt Paletta. Und genau darum gehe es. „Roboter sollen weder Pflegepersonal noch Angehörige ersetzen. Sie sollen helfen und unterstützen, wo sie nur können.“
„Betroffene sind teilweise aufgeschlossener“
Im Rahmen des Projekts Amigo will Sandra Schüssler vom Institut für Pflegewissenschaften an der Medizinischen Universität Graz herausfinden, was die Bedürfnisse von Demenz-Patienten sind und wie assistierende Roboter positiv zur Stabilisierung des Krankheitsbildes beitragen können.
futurezone: Wie gut ist der Einsatz von Pflegerobotern erforscht?
Sandra Schüssler: Es gibt fast keine internationalen Studien und schon gar nicht zum Einsatz von Pflegerobotern zuhause.
Sie haben vorab 80 Betroffene und Pflegende befragt. Was kam dabei heraus?
Betroffene sehen das Projekt sehr positiv und sind teilweise sogar aufgeschlossener als Pflegekräfte, für die ethische Fragen dominieren.
Was erwarten sich Betroffene?
Personen mit Demenz wollen selbstständig bleiben. Sie wollen nicht, dass der Roboter ihnen alles abnimmt, sondern sie zur „Selbstpflege“ im Tagesablauf motiviert. Er soll sie an Termine und Aktivitäten erinnern, aber auch klare Anweisungen geben, etwa wie man die Kaffeemaschine richtig bedient, wo die Tasse zu finden ist oder in welcher Reihenfolge man Kleidungsstücke anzieht. Manche wollen auch, dass der Roboter passende Kleidung auswählt.
Wurden auch Tabus geäußert, etwa in der Körperpflege?
Da es um den Intimbereich geht, empfinden einige Personen mit Demenz die Hilfe eines Roboters weniger unangenehm, als wenn die Körperpflege von einer anderen Person durchgeführt wird. Pflegende äußerten hierbei größere ethische Bedenken. Die Ergebnisse zeigen aber, dass man Patientenbedürfnisse unbedingt stärker berücksichtigen muss.
Wie humanoid sollen solche Roboter sein und agieren?
Ein zu menschliches Aussehen wird derzeit noch als gruselig empfunden, da Mimik, Gestik, aber auch Sprache noch nicht ganz natürlich wirken. Viele wünschen sich aber schon jetzt, dass ein Roboter eine angenehme Oberfläche hat, die sich wie warme Haut und nicht wie kaltes Plastik anfühlt.
Was bleiben die größten Herausforderungen?
Gerade die Kommunikation mit Personen mit Demenz erfordert viel Sensibilität. Das beherrschen Roboter und Sprachassistenten noch nicht. Auch die Datensicherheit ist ein großes Thema.
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
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