Fossile Brennstoffe sollen ersetzt werden
Fossile Brennstoffe sollen ersetzt werden
© dpa-Zentralbild/Patrick Pleul

Nachhaltigkeit

“Verzicht auf fossile Energieträger nur eine Zeitfrage”

“Weltweit liegt der Anteil erneuerbarer Energien am Gesamt-Mix derzeit bei bescheidenen 10 Prozent. In Österreich liegen wir dank der Wasserkraft bei etwa 30 Prozent”, beschreibt Hubert Fechner, Leiter des Instituts für Erneuerbare Energie an der FH Technikum Wien, die heutige Situation. Die Entwicklung schreitet allerdings stetig weiter voran. “Knappheit bei den fossilen Energieträgern ist zwar kein akutes Problem, aber Förderbarkeit, Preis und die industrielle Entwicklung in den Schwellenländern treiben Kosten und Risiko nach oben. Dass es vermehrt in Richtung erneuerbare Energien geht, ist klar, lediglich der Zeitraum ist offen”, so Fechner.

Technisch sei die Umstellung schon heute machbar, aber die enormen Anpassungen in der Infrastruktur bräuchten viel Zeit und Geld. “In 50 bis 70 Jahren werden wir kaum noch fossile Energieträger verwenden. In einer Generation können Wind und Sonne wohl schon den Großteil des Energiebedarfs decken. Das hängt aber auch von der Stärke des politischen Drucks ab”, so Fechner. Eine Möglichkeit, den Wandel zu beschleunigen, sieht der Experte in der Sichtbarmachung der Kosten von fossilen Energieträgern, etwa durch eine CO2-Steuer, bzw. einer Steuerreform, die zu einer verstärkten Ressourcenbelastung bei gleichzeitiger Reduktion der Arbeitsbesteuerung führt.

Nacht und Flauten als Problem

Hubert Fechner
Das größte Problem, das erneuerbaren Energien im Weg steht, ist die Fluktuation, der die Einträge ins Leitungsnetz unterworfen sind. Das kann auf zwei grundsätzlich verschiedene Arten gelöst werden. Die Entscheidung zwischen einem zentralen und einem dezentralen Versorgungssystem ist bislang aber noch nicht gefallen. “Die Politik hat sich bisher nicht auf ein System festgelegt und sendet widersprüchliche Signale. Das hält den Fortschritt auf diesem Gebiet auf”, sagt Fechner.

Vertreter einer zentralen Energieversorgung sind der Ansicht, dass große Strombetreiber mit riesigen Anlagen, die unter Umständen weit draußen im Meer oder in den Wüstenregionen Nordafrikas liegen könnten, den Strom für ganz Europa decken sollen. Das bringt aber hohe Anforderung an das Stromversorgungssystem mit sich und führt überdies zu Verlusten von zumindest rund drei Prozent pro 1000 Kilometer. Dazu kommen Überlegungen wie politische Stabilität und Ressourcenverschwendung.

Jedem Haus sein Kraftwerk

“Ich glaube, dass wir einen viel tiefgreifenderen Wandel in der Energieversorgung anstreben sollten. Durch dezentrale Versorgung mit kleinen Anlagen in der Nähe der Abnehmer bleibt auch ein Großteil der Wertschöpfungskette in der Region. Zudem gibt es weniger Verluste und das System ist insgesamt weniger anfällig für Störungen und Ausfälle”, erklärt Fechner. Allerdings haben manche großen europäischen Energieversorger ein Interesse daran, ihr Kerngeschäft zu schützen, weshalb sie für ein zentrales Modell lobbyieren. “Bei dezentraler Versorgung könnte neue Aufgaben für Energiekonzerne gefunden werden. In Einfamilienhäusern werden sie in einem dezentralen System eher keine Rolle mehr spielen, bei größeren komplexen Anlagen im urbanen Raum muss aber jemand die Stromerzeugungsanlagen errichten und betreiben sowie den Stromverkauf managen. Bei einigen Vertretern der Energiewirtschaft ändert sich die Einstellung bereits”, so Fechner.

Photovoltaikanlage
Ein Problem, das bei dezentraler Versorgung aus Sonne und Wind verstärkt auftritt und nicht einfach zu lösen scheint, ist die Speicherung von überschüssiger Energie. Mit Pumpwasserspeicher alleine kann der Speicherbedarf in Europa nicht gedeckt werden. Es gibt aber bereits andere vielversprechende Möglichkeiten. “Durch die Methanisierung von Wasserstoff kann Erdgas auf erneuerbaren Weg erzeugt werden, für das die Infrastruktur bereits vorhanden ist. Auch elektrochemische Speicher machen Fortschritte”, sagt Fechner. Neben den problematischen Überkapazitäten ist auch die Abstimmung der Nachfrage auf das Angebot ein wichtiger Punkt, vor allem im kommunalen und industriellen Bereich. “Wenn Supermärkte ihre Regale nur dann kühlen, wenn es gerade überschüssige Solar- oder Windenergie gibt, kann das schon einen enormen Effekt haben. Die Kälte hält sich bei entsprechender Isolierung eine ganze Weile. Das kann über die Strompreispolitik einfach gesteuert werden. Privathaushalte werden dagegen weniger leicht motivierbar sein”, so der Fachmann.

Sparsamer Verbrauch

Das Potenzial von Energieeffizienz ist überdies enorm. “Wir könnten bis zu etwa 30 Prozent des Energieverbrauchs einsparen, ohne Einbußen beim Komfort hinzunehmen. Da der Strompreis aber relativ gering ist, gibt es für die meisten Betriebe und Haushalte keine ausreichenden Anreize”, so Fechner. Bevor die Energiewende voll in Fahrt kommt, müssen auch noch einige ökologische Probleme der erneuerbaren Energien geklärt werden. “Der Öko-Fußabdruck ist zwar jedenfalls weitaus besser, als bei fossilen Quellen, aber man muss sich das schon genau anschauen. Bei Solarzellen etwa sollten Materialeinsatz und die Rezyklierbarkeit deutlich verbessert werden. Das wurde lange Zeit vernachlässigt, weil der Fokus auf Kostensenkung lag und die Module üblicherweise zumindest 25 bis 30 Jahre lang halten. Eine Optimierung der Produktionsprozesse ist sicher möglich, so Fechner.

Bei Windkraftanlagen gilt es eher gesellschaftliche Herausforderungen wie Lärmbelästigung und Landschaftskompatibilität zu bewältigen. Kleinanlagen in Wohngebieten könnten vielleicht der nächste Schritt bei der Windkraftentwicklung sein.

Die FH Technikum testet derzeit, ob es Sinn macht, Kleinwindräder als Teil der Energieerzeugung einzusetzen. “Das Thema stößt auf wachsendes Interesse. Bei angemessenen Windgeschwindigkeiten kann mit einigen Produkten durchaus effizient Strom gewonnen werden”, so Fechner. Jedes Kilowatt, das nicht aus der Verbrennung von fossilen Energieträgern stammt, ist ein Gewinn, solange die ökologischen Kosten vertretbar sind. “Aus heutiger Sicht mag ein völliger Verzicht auf fossile Energieträger utopisch erscheinen, aber das war auch mit Pferdegespannen vor 100 Jahren so. Allein die Sonne strahlt 5000 mal mehr Energie auf die Erde ein, als wir weltweit brauchen. Es wäre fahrlässig, das nicht zu nutzen”, so Fechner.

Dieser Artikel ist im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und FH Technikum Wien entstanden.

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Markus Keßler

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