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Wie Tourismus das weltweit größte Teleskop stört

Das chinesische Radioteleskop FAST hat einen Spiegel mit einem Durchmesser von 520 Metern und ist damit jenes mit der größten Fläche der Welt. Der Spiegel ist so riesig, weil damit Radiowellen aus dem All gesammelt werden sollen. Denn bis diese bei der Erde ankommen, haben sie etwa eine Leistung von 0,0000000000000000000000001 Watt und sind damit, ohne entsprechend große Radioteleskope, kaum wahrnehmbar. Zum Vergleich: Ein Smartphone strahlt Radiowellen mit etwa ein Watt Leistung aus.

Dementsprechend „sauber“ muss die Umgebung rund um Radioteleskope von Smartphones und anderen elektronischen Geräten sein, damit deren Radiowellen nicht die Signale aus dem All „verschmutzen“ und damit die gesammelten Daten unbrauchbar machen. Jetzt droht der Versuch, Astronomie für die Massen zugänglich zu machen, das Teleskop permanent zu stören, berichtet Wired.

Tausende umgesiedelt

FAST wurde in nur fünf Jahren in der südchinesischen Provinz errichtet. Der Ort wurde gewählt, da es dort nur wenige Menschen gibt und die Lage zwischen den Bergen einen natürlichen Schutz vor Störstrahlung bietet.

Um es weiter vor störenden Radiowellen zu schützen, wurden im Umkreis von fünf Kilometern vier Siedlungen mit 9110 Einwohnern aufgelöst. Den Einwohnern wurde Bargeld als Entschädigung und neue Jobs versprochen. Bis zu 500 Familien sollen aber 2016 dennoch die Regierung geklagt haben, weil sie bis dahin keine Entschädigung erhalten haben.

In diesem fünf Kilometer Umkreis darf niemand wohnen, oder sich auch nur aufhalten. Lediglich Personen mit kommerziellen Interessen, wie etwa Bauern, können eine Sondergenehmigung für das Betreten der Zone erhalten. Natürlich dürfen auch keine Mobilfunker oder Radio- und Fernsehsender in diesem Bereich Sende-Infrastruktur betreiben. Es wurden sogar zwei eingeschränkte Flugzonen in der Nähe von FAST eingerichtet, zwei Flugrouten in dem Gebiet gestrichen und drei andere umgeleitet.

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Eingeschränkte Besucherzahl

Dennoch werden immer wieder störende Radiowellen wahrgenommen. Diese kommen etwa von Satelliten, Navigationssignalen von Flugzeugen und Radarstrahlen, die zwischen den Bergen hin und her springen.

Aber auch Radiowellen von der Oberfläche werden empfangen, obwohl die Einbettung von FAST zwischen den Bergen weitestgehend davor schützen sollte. Die Wellen von Geräten in der Nähe prallen von der Atmosphäre wieder zurück Richtung Erde.

Vom Besucher-Zentrum aus, das eine direkte Sichtlinie zum Teleskop hat, wird ebenfalls Störstrahlung empfangen, obwohl die Besucher ihre Smartphones in Schränken einsperren müssen. Laut den FAST-Wissenschaftlern kommt die Strahlung etwa von Digitalkameras, die verwendet werden.

Touristen-Attraktion

Pro Tag sind nur maximal 3000 Besucher bei FAST zugelassen und dieses Limit wird an den meisten Tagen erreicht. Das reicht der chinesischen Regierung aber nicht. Etwa 15 Kilometer entfernt von FAST wird die Astronomy Town gebaut. Während die Errichtung von FAST gut 160 Millionen Euro gekostet hat, soll diese aus dem Boden gestampfte Kleinstadt das Vielfache davon kosten.

Dort befinden sich bereits mehrere Hotels, ein Shopping-Center, ein Weingarten, Museum, Spielplatz, mehrere Restaurants und verschiedene Lichtinstallationen, die mehr oder weniger ein Weltraummotto haben. So geht man etwa über eine Brücke mit leuchtenden Saturnringen, sieht in der Nacht eine „Wiese“ mit gelb- und pinkleuchtenden Plastikblumen und zieht auf dem Gehsteig einen Sternschnuppenschweif hinterher, wenn man darauf geht.

Die Astronomy Town soll noch weiter ausgebaut werden. Die Lokalregierung hat vor, bis zu hunderttausend Einwohner dort anzusiedeln. Diese Zahl schließt nicht die Touristen ein, die dort in Massen erwartet werden. Die Region soll zu einer der größten Astronomie-Tourismus-Zonen der Welt werden, so die Lokalregierung der Provinz Guizhou.

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Gut gemeint

Viele Menschen bedeuten auch viele Smartphones und noch mehr elektronischen Geräte, die potentiell den Empfang der Radiowellen aus dem All stören. Prinzipiell ist die Astronomy Town ja gut gemeint. Guizhou ist traditionell arm und durch das FAST-Teleskop hofft man Touristen anzulocken und damit Geld in die Region zu bringen. Im Zuge der Aufwertung der Provinz sollen auch 17 Flughäfen, 4.000 Kilometer Gleise für Hochgeschwindigkeitszüge und 10.000 Kilometer Autobahn bis 2020 gebaut werden.

Die Meinungen der astronomischen Wissenschaftler sind gespalten. Einerseits möchten sie die bestmöglichen Voraussetzungen für ihre Forschungen haben und sind gegen den Ausbau der Region zur Touristen-Attraktion. Andererseits sorgt die Popularität von FAST dafür, dass die Regierung weiterhin den Betrieb davon fördert und sich die Wissenschaftler keine Sorgen über fehlende Finanzierungen machen müssen.

Lösungsansätze

Bei FAST ist bereits ein permanentes Team von Ingenieuren damit beschäftigt, um sich Lösungen für die störenden Radiowellen zu überlegen. Eine Idee ist, eine kleine Antenne an einen der Stütztürme von FAST zu montieren. Diese soll nur die Störsignale überwachen. Da die Forscher so wissen, welche das sind, könnten sie die störenden Radiowellen in Echtzeit aus den Signalen herausfiltern, die FAST aus dem All empfängt.

Bei anderen Radioteleskopen arbeiten Forscher an Machine-Learning-Algorithmen. Diese sollen so trainiert werden, dass sie zukünftig die Störsignale erkennen und diese aus den richtigen Signalen herausfiltern.

Unsichtbares sichtbar machen

Mit Radioteleskopen können Teile des Weltalls erkundet werden, die zu weit weg für optische Teleskope sind oder nicht sichtbar sind, wie etwa Gase. Das liegt daran, dass sich die Radiowellen im Vakuum des Alls nahezu ungestört ausbreiten können.

Werden diese von den Radioteleskopen auf der Erde empfangen, werden sie von Computern verarbeitet. So können etwa Gase im Weltall untersucht und neue Galaxien entdeckt werden. Letzteres geschieht, weil Radioteleskope gut im Beobachten von Quasaren sind, den aktiven Kernen von Galaxien.

Auch Pulsare lassen sich mit Radioteleskopen gut entdecken. FAST hat bereits über 40 gefunden, seit der Inbetriebnahme im September 2016. Offiziell ist das Radioteleskop immer noch im Probebetrieb, der für drei Jahre angesetzt ist. Der reguläre Betrieb soll im September 2019 starten.

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