Wie Wien natürlich gekühlt werden könnte
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Wien war einst von etwa 50 Wienerwaldbächen durchzogen. Zwei Drittel davon sind heutzutage nicht mehr an der Oberfläche sichtbar, sie wurden im Laufe der Zeit in die Kanalisation eingegliedert. Doch Wasser hat einen kühlenden Effekt und der fehlt in den dicht verbauten Gebieten.
Besonders im Sommer heizen sich Teile der Stadt, sogenannte Hitzeinseln, soweit auf, dass die Wohn- und Lebensqualität in diesen Grätzeln stark abnimmt. Das Forschungsprojekt ProBACH untersucht deshalb Möglichkeiten und Potenziale der Nutzung der Wienerwaldbäche als Maßnahme zur Klimawandelanpassung.
Test in Ottakring
Dafür wird ein Demobach benötigt. Einen potenziell geeigneten Ort hat man bereits gefunden. Auf dem Parkplatz des Jugendzentrums in der Nähe der Kirche Alt-Ottakring könnte temporär auf einer Länge von 30 bis 40 Metern ein künstlicher Bach errichtet werden. „Die Fließstrecke wird dabei noch nicht mit tatsächlichem Bachwasser gespeist“, verrät Magdalena Holzer vom Klimaforschungsinstitut Weatherpark der futurezone. Der früher dort verlaufende Ottakringerbach fließt aktuell nämlich im Mischwasserkanal. Erst wenn er vom Abwassersystem entkoppelt ist, könne man ihn zumindest abschnittsweise an die Oberfläche bringen. „Doch das braucht intensive Vorbereitung und Planung und ist innerhalb der dreijährigen Projektlaufzeit nicht umsetzbar“, sagt Holzer.
Stattdessen will man mit dem sogenannten SchaniBACH erforschen, wie sich das Fließwasser auf das Mikroklima und die Aufenthaltsqualität in der Umgebung auswirkt. „Der Bach dient als temporäres Demonstrationsprojekt“, erläutert Holzer. Der SchaniBACH kann dabei inklusive Begrünung und Sitzgelegenheiten saisonal aufgestellt und wieder abgebaut werden. Der Bach wird übrigens im Umlauf mit einer geringen Menge an Frischwasser betrieben. Filter und regelmäßige Kontrollen sorgen für die Wassersicherheit.
Länge und Breite des SchaniBACHs lassen sich je nach Platz und Anforderungen variieren. Kleine Bäche könnten nur so breit sein wie ein Auto, größere Gewässer könnten auch doppelt so viel Platz einnehmen und wären etwa für Nebenfahrbahnen und Vorplätze geeignet.
Gießen mit Bachwasser
Doch welche Kühlungseffekte kann man sich von einem solchen Bach erwarten? „Die Verdunstungskälte allein bringt zunächst keine großen Effekte“, erklärt Holzer. Durch die Bäche könnten aber auch Begleitgrün und Bäume am Straßenrand bewässert werden. Das verstärkt den Abkühlungseffekt und spart Trinkwasser, das bisher oft für die Bewässerung verwendet wird.
Dass dieser Abkühlung willkommen ist, zeigen Befragungen von Anrainer*innen am ehemaligen Verlauf des Alserbachs und Ottakringerbachs. „In den Bezirken ist die Hitzebelastung deutlich zu spüren. Der Wunsch nach Begrünung und Wasserelementen ist da“, meint Holzer. „Eine mögliche Reaktivierung der Wienerwaldbäche wird grundsätzlich sehr positiv aufgenommen.“
Einschnitte in die Stadt
Die Umsetzung solcher Bäche, seien sie nun temporär oder permanent, stellen natürlich einen Eingriff in die Stadtlandschaft dar. Man sei bereits in einem regen Austausch mit der Stadt Wien und auch in den Bezirken stoße das Projekt auf großes Interesse, verrät Philipp Stern vom Institute of Building Research & Innovation.
Laut Klimaanalysekarte der Stadt Wien gibt es die meisten Hitzeinseln in der Inneren Stadt, aber auch Bezirke wie Ottakring, Favoriten oder Landstraße sind betroffen. Bäche sind nicht überall eine Lösung, denn nicht alle eignen sich dazu, wieder an die Oberfläche geholt zu werden. Der Alserbach in Hernals, der Erbsenbach in Sievering und der Schreiberbach in Grinzing hätten laut Stern das größte Potenzial. Die Bäche würden in der Regel ganzjährig Wasser führen.
Wie viel ist allerdings niederschlagsabhängig. In Dürreperioden, wie sie in Zukunft wohl häufiger vorkommen, kann es auch sein, dass die Bäche austrocknen. „Wichtig ist, die Wasserkreisläufe gesamtheitlich zu denken“, sagt Stern. „Die Nutzung von Reinwasser, wie Bach-, Regen- und Grundwasser, und dessen Speicherung muss jedenfalls in Verbindung mit den Wienerwaldbächen gedacht und umgesetzt werden.“
Das ProBACH-Forschungsprojekt wird durch den Klima- und Energiefonds gefördert und läuft noch bis 2024. Die Gesamtprojektkosten belaufen sich auf 885.000 Euro. Darin sind die Errichtungskosten des SchaniBACHs aber noch nicht enthalten.
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
Wien und seine Bäche
Hitzeinseln
gibt es in Wien vor allem in den inneren Bezirken. Aber auch dicht verbaute Gebiete in Ottakring, Hernals und Favoriten heizen sich im Sommer stark auf.
Etwa 50 Wienerwaldbäche
prägten vor 150 Jahren noch Wiens Stadtbild. Die meisten flossen durch den Nordwesten der Stadt bis zum Wienfluss oder zum heutigen Donaukanal.
885 Tausend
Euro kostet das gesamte ProBACH-Forschungsprojekt. Davon stammen 531.000 Euro aus Förderungen.
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