Wiener Start-up stellt sicher, dass sich Streaming auszahlt
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Streaming hat sich in den vergangenen Jahren zum beliebtesten Vertriebsweg für Musik entwickelt. Spotify, Amazon Music, Apple Music und Co. sorgen heute für 75 Prozent aller Einnahmen im Musikverkauf. Die Verkäufe von Downloads und CDs sinken dagegen immer weiter. Musiker sind also immer stärker auf das Geld angewiesen, das sie von Streaming-Diensten erhalten.
Der aufstrebende Vertriebsweg ist jedoch mit allerlei neuen Betrugsformen konfrontiert. An der Abrechnung von Streams sind zudem mehrere Stellen beteiligt, neben den Streaming-Plattformen etwa Plattenfirmen, Labels und Manager. Bei jedem Zwischenschritt können Fehler auftreten. Ein österreichisches Start-up hat nun einen Weg gefunden, um die korrekte Abrechnung von gestreamter Musik zu überprüfen.
Ausgangspunkt Uni-Projekt
Die Erfinderin dieser neuen Methode ist Nermina Mumic. Im Rahmen ihrer Dissertation an der TU Wien hat sich die 27-jährige Mathematikerin der Analyse großer Datenmengen (Big Data) in der Musikbranche gewidmet. Bei dem von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützten Projekt "Big Data in Music" wurde ein statistisches Verfahren entwickelt, um die Angaben mehrerer Streaming-Dienste zu vergleichen und Unregelmäßigkeiten zu erkennen.
In einem weiteren Schritt wurde daraus ein selbstständig lernendes Computerprogramm. Mumic hat sich mit Peter Filzmoser, dem Leiter des Instituts für Stochastik und Wirtschaftsmathematik an der TU Wien sowie Günter Loibl, dem CEO des Musikvertriebs und -innovationsunternehmens Rebeat (das auch HD Vinyl zum Erfolg führen will) zusammengeschlossen, um gemeinsam das Start-up Legitary zu gründen.
92 Prozent Genauigkeit
Das Jungunternehmen will nun als Dienstleister die Musikbranche erobern. "Für die meisten Unternehmen ist es schwierig, die enormen Datenmengen zu verarbeiten, die durch Streaming entstehen", meint Mumic im Interview mit der futurezone. "Im Moment ist es so, dass technische Möglichkeiten fehlen, mit so großen Datenmengen umzugehen." Legitary verweist nach Praxistests auf eine Genauigkeit von 92 Prozent bei der Entdeckung von Fehlern bei der Streaming-Abrechnung.
Wie Fehler genau erkannt werden, erklärt Mumic anhand eines Beispiels: "Ein Song wird auf unterschiedlichen Plattformen angeboten. Klarerweise sprechen diese Dienste unterschiedliches Publikum an. Dennoch müssen sich Umsätze in stabilen Verhältnissen zueinander bewegen. Es gibt verschiedene Trendmuster, saisonale Muster im Laufe der Zeit. Unser Algorithmus erstellt Erwartungswerte und analysiert Abweichungen davon. Außerdem gibt er eine Schätzung darüber, wie viel Geld zu viel oder zu wenig ausbezahlt wurde."
Korrektheit wollen alle
Eine Norm, wie die Tantiemen für Streams abgerechnet werden, existiert nicht. Jede Plattform geht dabei anders vor. Legitary kann laut Mumic mit allen Abrechnungsformen umgehen. Der Dienst richtet sich sowohl an Streamingplattformen als auch Labels, Künstler-Manager oder Wirtschaftsprüfer. "Alle Akteure in der Branche sind daran interessiert, korrekte Zahlen zu berichten", meint Mumic. Die Verwertungsgesellschaften AKM und austro mechana bestätigen das. Zu Konflikten komme es nur sehr selten.
Wenn es zu Konflikten komme, so stelle Legitary eine unabhängige Instanz dar. "Wir haben die Rückmeldung bekommen, dass das ein Werkzeug ist, auf das viele in der Branche schon jahrelang gewartet haben", meint Mumic.
Internationales Interesse
Das Start-up mit Sitz in Wien wurde wohl deshalb auch schon international entdeckt. Beim Branchenevent MIDEM 2019 in Cannes wird Legitary einer von 20 Finalisten des Start-up-Wettbewerbs MIDEMLAB sein. Langfristig soll die Reise des Start-ups nach Kalifornien gehen. "Wir wollen dort sein, wo der Musikmarkt zu Hause ist. Das ist in Los Angeles", meint Mumic.
Derzeit arbeitet lediglich das Gründertrio für Legitary. Das Team soll aber in naher Zukunft erweitert werden, meint Mumic. "Wir sehen noch viel Potenzial für andere Fragestellungen, die man mit unserem Algorithmus bearbeiten und optimieren kann." Das Berichten korrekter Zugriffszahlen betreffe unter anderem auch den Videostreaming- oder Gaming-Bereich.
Diese Serie erscheint in redaktioneller Unabhängigkeit mit finanzieller Unterstützung der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG).
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