Die Vernetzung von Maschinen bringt auch Gefahren mit sich. Produktionsanlagen in der Industrie 4.0 werden zu Zielen von Angreifern.
Die Vernetzung von Maschinen bringt auch Gefahren mit sich. Produktionsanlagen in der Industrie 4.0 werden zu Zielen von Angreifern.
© APA/AFP/RONNY HARTMANN

Sicherheit

"Das Internet der Dinge ist ein Eldorado für Angreifer"

Mit der Digitalisierung steigt auch die Verbreitung vernetzter Gegenstände, die auch bei Unternehmen zunehmend zum Einsatz kommen. Das Internet der Dinge bietet Firmen aber nicht nur Möglichkeiten, sondern birgt auch Gefahren. "In Zukunft wird jede Schraube eine IP-Adresse haben", sagt Harald Reisinger, Co-Geschäftsführer des Wiener Sicherheits-Start-ups RadarServices. Die Vielzahl der vernetzten Dinge und die sich daraus ergebende Komplexität sei für Angreifer ein Eldorado, sagt der Sicherheitsexperte: "Sie haben nicht nur einige wenige, sondern unendlich viele Systeme, die sich übernehmen können. Sie müssen sich nur die Schwächsten heraussuchen."

Angreifer können über solche Einfallstore Daten entwenden, die Infrastruktur für ihre eigenen Zwecke, etwa das Schürfen von Bitcoins, nutzen oder auch die Produktion lahmlegen und Firmen erpressen. Heute würden über erpresserische Software Rechner und IT-Systeme in Geiselhaft genommen, in Zukunft werden es Produktionsanlagen sein", sagt Reisinger. Die Herausforderung werde es sein, die Systeme sicher zu gestalten und aktuell zu halten.

Angriffe werden spät entdeckt

Reisingers Unternehmen bietet Lösungen zum Monitoring der IT-Sicherheit an, mit denen Cyberrisiken erkannt werden können. Auf Basis von Datenanalysen werden dabei Verhaltens- und Statusinformationen von Systemen verarbeitet und Risiko-Lagebilder erstellt. Ein erfolgreicher Cyberangriff auf Unternehmen werde meist erst nach 150 bis 290 Tagen erkannt, erzählt Reisinger. "Wenn ich 200 Tage lang nicht mitbekomme, dass eine Schadsoftware oder ein Angreifer bei mir im Unternehmen ist und tun und lassen kann, was er will, dann ist das fatal."

Harald Reisinger, Gründer RadarServices

Das 2011 gegründet Wiener Start-up zählt hundert Mitarbeiter und erwirtschaftet mit Kunden in Europa und den Golfstaaten einen jährlichen Umsatz im zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Mit seinen Lösungen ist das Unternehmen zum europäischen Branchenprimus beim Cybersicherheits-Monitoring aufgestiegen.

Anti-Cloud

Dazu hat auch beigetragen, dass sich das Start-up auf europäische Sicherheitsstandards beruft und Unternehmen rät, ihre Daten im Haus zu behalten. "Sobald sie Daten über die Cloud hinausgeben, verlieren Sie einen Teil der Herrschaft darüber", sagt Reisinger. Wenn Firmen sich für die Cloud entscheiden, sollten sie zumindest sicherstellen, dass ihre Daten verschlüsselt werden, sobald sie das Unternehmen verlassen, und auch darauf achten, europäische Anbieter zu wählen. "Dann kann man sicher sein, dass die Daten dem europäischen Datenschutzrecht unterliegen."

Zukunftsmarkt

Der Cybersicherheitsmarkt werde von US-amerikanischen und israelischen Unternehmen dominiert, meint Reisinger. "Wir sollten massiv daran arbeiten, eine europäische Cybersicherheitsindustrie aufzubauen."

Der Sicherheitsbereich sei ein Zukunftsmarkt, Angreifer würden zunehmend professioneller vorgehen, der Druck steige: "Es wäre schade, wenn wird diesen Markt nicht nutzen würden." In Österreich habe sich die Situation für Start-ups aus dem Sicherheitsbereich zuletzt verbessert. Die Ausbildung an Fachhochschulen und Universitäten sei gut. Es gebe sehr viele Leute mit sehr guten Ideen, meint der Gründer: "Wir sollten massiv daran arbeiten, eine europäische Cybersicherheitsindustrie aufzubauen."

"Gespür für Gefahren"

Was aber rät der Sicherheitsexperte privaten Nutzern, um sich vor den Gefahren von Cyberangriffen zu wappnen? Systeme, die man verwendet, müssten upgedatet werden und auch beim Anklicken von E-Mail-Anlagen sollte man vorsichtig sein. Auch Anti-Virenschutz habe noch seine Berechtigung, meint Reisinger. Generell gelte es, ein gewisses Gespür für seine Geräte zu entwickeln. "Wenn bei meinem Laptop dauernd der Lüfter läuft, dann könnte das ein Indikator dafür sein, dass mit dem System etwas passiert ist."

"Irrsinn Alexa"

Reisinger empfiehlt auch, die Kamera seines Notebooks abzukleben und auf smarte Lautsprecher, wie Amazons Alexa oder Google Home zu verzichten. "Ich halte es für einen vollkommenen Irrsinn, sich Geräte in die Wohnung zu stellen, die jedes Wort mithören können." Die Stasi hätte wochenlang getanzt, wenn sie solche Möglichkeiten gehabt hätte. Es sei naiv zu glauben, dass die von den Geräten erhobenen Daten nicht verwendet würden. "Es werden riesige Datenbanken aufgebaut und de facto über jeden Menschen ein Profil angelegt. Es ist nicht schwierig, Schlüsse zu ziehen, welches Potenzial sich daraus ergibt", sagt Reisinger: "Die Langzeitwirkungen solcher Geräte werden vollkommen ausgeblendet. Das ist eine unglaubliche Gefahr für unsere Gesellschaft."

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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