Graphmasters will mit seiner Navi-Lösung Staus vermeiden
Graphmasters will mit seiner Navi-Lösung Staus vermeiden
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Navigation

Graphmasters: Egoistisches Autofahren produziert Staus

Kaum ein Autofahrer kommt heute noch ohne Navigationsgeräte bzw. entsprechende Apps aus. Zwar berücksichtigen viele Lösungen aktuelle Verkehrsinformationen, laut dem deutschen Start-up Graphmasters sorgt das allerdings oft erst Recht für eine Verschärfung der Verkehrsprobleme. Da alle Navi-Benutzer stets auf dieselbe vermeintlich beste Route geschickt werden, sind Staus auf Haupt-, aber auch Ausweichstrecken angesichts der begrenzten Aufnahmefähigkeit von Straßen vorprogrammiert.

Das Nunav-System (links) verteilt den Verkehr auf mehrere Routen, anstatt alle Teilnehmer auf eine oder zwei Hauptverkehrsrouten (rechts) zu lotsen.

Vom Stau in den Stau

„Mit Verkehrsmanagement haben TomTom und Co, aber auch Google Maps nichts zu tun. Sie bedienen alle nur den egoistischen Bedarf, auf der kürzesten bzw. schnellsten Route zum Ziel zu gelangen. Kommt es zum Stau, werden wieder alle zur nächstbesten Route umgeleitet, wo dann erst Recht wieder Stau entsteht“, erklärt Graphmasters-Mitgründer Sebastian Heise im futurezone-Interview. Damit der einzelne tatsächlich schneller zum Ziel kommt, müssen laut Heise die anderen Verkehrsteilnehmer immer mitberücksichtigt und entsprechend auf verfügbaren Routen verteilt werden.

Die eigene Technologie, die unter anderem in einer Android-App namens Nunav umgesetzt wurde (eine iOS-Version ist ebenfalls geplant), berechnet mittels ausgeklügelter Algorithmen für jeden Navi-Nutzer eine individuelle Route und optimiert alle sieben Sekunden diese jeweils in Abhängigkeit zum Fahrverhalten der anderen Teilnehmer. „Auf große Straßen werden mehrere Autos zugeteilt, kleinere können entsprechend weniger Fahrzeuge aufnehmen“, sagt Heise. Als Vorbild dient die Abwicklung des Flugverkehrs: jedes Fahrzeug bekommt wie im Luftraum einen eigenen Slot und wird so zum Ziel geschleust.

Routenberechnung in der Cloud

Um die Auswertung der Verkehrsdaten praktisch in Echtzeit bewerkstelligen zu können, findet die Berechnung in der Cloud statt. Damit das System optimal funktioniert, ist eine ständige Internetverbindung notwendig, die übertragenen Datenmengen sollen aber sehr gering sein. Auch klar ist, dass das System umso besser funktioniert, je mehr Autos das Graphmasters-System verwenden und ihren Standort an das System mitteilen.

In Tests konnten die Graphmasters-Erfinder zeigen, dass User um bis zu 50 Prozent schneller am Ziel waren als Fahrer mit herkömmlichen Lösungen. „Selbst wenn nur ein Prozent der Autofahrer unser System nutzen, sind die Auswirkungen im Verkehr bereits messbar. Würden fünf Prozent das System einsetzen, könnte man viele Verkehrsprobleme und Staus überhaupt vermeiden – vor allem im städtischen Raum“, sagt Graphmasters-CEO Robert Dohrendorf.

"Google hat anderen Fokus"

Dass Navilösungen derartige Technologien noch nicht implementiert haben, liege auch daran, dass viele Hersteller technisch gesehen eher aus der Hardware-Ecke kommen und sich bisher weniger mit komplizierten Software-Algorithmen befasst haben. Google wiederum, das über die entsprechenden Entwickler und finanziellen Ressourcen verfüge, verfolge ein ganz anderes Geschäftsmodell.

„Dass die Google-Lösung eher lahm ist, liegt auch daran, dass es denen egal ist, wie schnell jemand von A nach B kommt oder ob es in einer Stadt Stau gibt. Denen geht es in erster Linie darum, Daten der User zu sammeln und diese anderweitig zu verwerten“, so Heise.

Bosch als Partner

Um eine entsprechende Marktdurchdringung zu erreichen, setzt das Start-up in erster Linie auf Partner. So konnte Graphmasters unter anderem Fahrzeugausstatter Bosch davon überzeugen, gemeinsam einen Prototypen zu entwickeln, der in Zukunft in Navigationslösungen bekannter deutscher Automarken implementiert werden könnte. Aber auch mit den etablierten Navigationsherstellern sowie Verkehrsexperten im DACH- sowie Benelux-Raum ist man im Gespräch.

Geschäftliche Hoffnungen setzt Graphmasters zudem in die Logistik-Branche, etwa wenn es um die zeitgerechte Zustellung von Paketen sowie das Fahrzeug-Flottenmanagement geht. „Wir können praktisch minutengenau vorhersagen, wann ein Fahrzeug an einem Zielort ankommt bzw. wie die verschiedensten Stationen auf dem Weg angefahren werden müssen, um zeitliche Zielvorgaben zu erfüllen“, erklärt Dohrendorf. In Kombination mit einer intelligenten Ampelschaltung kann das System auch verwendet werden, um den öffentlichen Verkehr in der Stadt zu beschleunigen.

Start-up-Kaiser

Während der Durchbruch am Markt – sei es über eine eigene App-Lösung oder entsprechende Partner in der Industrie – noch auf sich warten lässt, konnte Graphmasters in den vergangenen Jahren zumindest bei Start-up-Wettbewerben groß auftrumpfen. So gewann das Team bereits im Jahr 2012 den mit 100.000 US-Dollar dotierten Hauptpreis des Microsoft-Start-up-Events Imagine Cup.

Nach weiteren Auszeichnungen wurde das Unternehmen auch von Cisco als eines von sechs Start-ups für ihr „Entrepreneurs in Residence“-Programm ausgewählt. Im Sommer plant das Team eine Seed-Financing-Runde, in der eine Million Euro aufgetrieben werden soll.

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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