Tim Cook mit neuer Smartwatch und iPhone 6
Tim Cook mit neuer Smartwatch und iPhone 6
© REUTERS/STEPHEN LAM

Smartphones

Apple versucht uns zu veräppeln

„Bigger than bigger“ – was für ein Slogan. Wie wir es seit Jahren von Apple gewohnt sind, ist auch die achte iPhone-Präsentation zu einer Show der Superlative verkommen – die „besten iPhones aller Zeiten“. Über eine solch vollmundige Aussage kann man eigentlich nur den Kopf schütteln: Herr Cook, Sie wiederholen sich und die Worte Ihres Vorgängers. Ihre Geräte sind längst nicht mehr die Besten, weil sie weder innovativ noch revolutionär sind. Ihrem Unternehmen geht offensichtlich der kreative Saft aus.

Leitete das erste iPhone, das vor mittlerweile mehr als sieben Jahren vorgestellt wurde, tatsächlich eine Revolution bei Smartphones ein (der Touchscreen wurde praktisch salonfähig), so sind weder das iPhone 6 noch das iPhone 6 Plus Geräte, die man mit Superlativen bedenken sollte. Ja, es werden wieder zig Millionen davon verkauft, weil viele Konsumenten immer das Neueste haben wollen. Und weil sie auf das gefinkelte Apple-Marketing, das uns ja einzureden versucht, dass wir diese Geräte wirklich brauchen, reinfallen. Weder das iPhone 6 noch das iPhone 6 Plus sind eine Revolution, sie sind bestenfalls eine Evolution. Was die beiden Geräte besonders machen soll, können Geräte anderer Hersteller schon längst. Apple ist, wie bei vielen seiner neuen Produkte, zu spät dran. Hat das Unternehmen bei iPod, iPhone und auch iPad noch für echte Revolutionen gesorgt, Trends eingeleitet und neue Gerätegattungen und Industrien (man denke an die gesamte App-Entwicklung) entstehen lassen, so wird nun versucht, alte Hüte als neu zu verkaufen. Es wird langweilig Herr Cook.

Keine Überraschungen

Logisch, dass bei einem neuen Smartphone-Modell der neueste, schnellere Prozessor an Bord ist, dass die Kamera verbessert wird hat und der Speicher größer ist. Das ist Pflicht in der Mobilfunkwelt – jedes neue Smartphone-Modell ist schneller und leistungsfähiger als das Vorgängermodell und mit den neuesten Komponenten bestückt. Und endlich sind auch Sie drauf gekommen, Mister Cook, dass es bei den Konsumenten Bedarf nach übergroßen Displays ab fünf Zoll aufwärts gibt. Und darauf sind Sie stolz?

Und die kontaktlose Bezahllösung Apple Pay, die auf Basis der Funktechnologie NFC basiert? Damit sind Smartphones anderer Hersteller wie Samsung, Sony oder LG bereits seit Jahren ausgestattet. Sie hätte diese Funktionalität schon viel früher in Ihre iPhones einbauen können, haben dies aber nicht gemacht, weil es in den USA angeblich keine entsprechende Infrastruktur gegeben hat. Inoffiziell ist es vermutlich eine Ihrer strategischen Entscheidungen gewesen, weil man durch die NFC-Implementierung damit andere Konzerne gestärkt hätte – die Technologie wurde nämlich von Nokia, Sony und Philips Semiconductors (jetzt NXP Semiconductors) entwickelt und übrigens bereits bei der CeBIT 2004 in Hannover präsentiert.

Daten sammeln

Aber ich kann mir vorstellen, was Apple mit dem Slogan „bigger than bigger“ eigentlich sagen will: Die eigene Datensammlung wird immer größer, die Profile, die Apple über Konsumenten angelegt hat, immer genauer. Mit raffinierten Tricks werden die Informationen zusammengetragen. Schon heute weiß nur Apple, wer sich eine App herunterlädt. Der Entwickler erhält diese Informationen nicht. Mit Apple Pay weiß Apple bald nicht nur, dass ein Kunde einkauft, sondern auch, was im Einkaufswagen landet. Kombiniert mit den anderen Apple-eigenen Apps wie Health und Health Kit hat der Technologie-Gigant dann auch noch Gesundheits- und sogar Ernährungsdaten seiner Kunden, die zusammengefügt ein fast perfektes Persönlichkeitsprofil ergeben. Auch wenn Apple behauptet, das alles sei sicher, spätestens seit Edward Snowden weiß man, dass nichts gut genug geschützt ist. Hinzu kommt, dass ich als Europäer kein Interesse daran habe, Apple mit weiteren Informationen zu versorgen, die – auch wenn das derzeit noch bestritten wird – irgendwann einmal verkauft werden könnten. Man kann Nutzern von Apple-Produkten eigentlich nur empfehlen, keine Apple-eigenen Apps zu kaufen, denn für praktisch jeden Zweck gibt es (bessere) Alternativen.

Apple Watch

Wäre da noch Ihr „one more thing“ – die Apple Watch. Auch für dieses Teil werden sich Millionen Käufer auf der Welt finden, die dann hoffentlich erkennen werden, dass es irgendwie keinen Spaß macht, eine Uhr täglich aufladen zu müssen. Und ob es wirklich Sinn und Freude macht, sich auf einem Mini-Display eine Route anzeigen zu lassen, mein iPhone zu steuern oder den Musikplayer einzuschalten, wage ich zu bezweifeln. Erklären Sie mir, Herr Cook, wofür braucht man diese Uhr? Oder ist es eine Ihrer Visionen, Smartphones künftig durch Uhren zu ersetzen? Eine Uhr ist kein Smartphone und wird auch nie eines werden. Ihre Apple Watch ist alles andere als eine Innovation, sie ist bestenfalls eine Spielerei.

Revolutionen

Wo sind die Revolutionen? Mir fielen einige Bereiche ein, in denen Apple innovativ sein und mit einem Superlativ bedacht werden könnte. Der Akku zum Beispiel. Herr Cook, ihr Unternehmen soll sich etwas einfallen lassen, damit ihre Geräte nicht innerhalb eines Tages nach einer Steckdose schreien. Vielleicht sollten Sie Elon Musk um Input bitten.

Wie wäre es mit einem Smartphone, das zu Boden fallen kann, ohne dass gleich das Display zu Bruch geht oder einige Funktionen ausfallen? Ein Nokia 6210 zum Beispiel konnte dutzende Male hart aufschlagen, ohne dass es dramatische Schäden davongetragen hätte. Übrigens finde ich es ziemlich pervers, dass Sie sich nicht zu schade sind, bunte Cover für Ihre neuen Smartphones vorzustellen. Das ist in etwa so, als ob man einen Mercedes verkauft, aber als Käufer noch diverse Spoiler kaufen muss, damit die Straßenlage ausreichend ist.

Ich und viele andere Marktbeobachter wären für innovative Ideen dankbar, die die Zuverlässigkeit Ihres Apple-Steckers verbessern, oder die der Home-Taste.

Das wäre mir „lieber als lieber“ – um an Ihr „bigger than bigger“ anzuknüpfen.

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