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Test

Alcatel Onetouch Idol 3: Ein Smartphone steht Kopf

Sagem, Siemens oder Ericsson: Diese Handy-Marken waren zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts noch groß. Doch heute haben Marken wie Apple, Samsung und Xiaomi ihren Platz eingenommen, die Veteranen haben das Geschäft mit Handys und Smartphones schon lange aufgegeben. Doch es gibt auch wenige erfolgreiche Ausnahmen, wie Motorola, die auch heute noch bestehen. Dieses Jahr gab zudem ein weiteres bekanntes Unternehmen ein Lebenszeichen von sich: Alcatel.

Mit der günstigen runden Smartwatch Onetouch Watch (zum futurezone-Test) sorgte der Hersteller weltweit für Aufsehen. Doch Alcatel hatte im Rahmen der CES eine weitere Überraschung im Gepäck. Das neue Flaggschiff-Modell Onetouch Idol 3 soll den Markt für 300-Euro-Smartphones aufmischen. Die Voraussetzungen sind gut, das Smartphone will mit solider Hardware und cleveren Software-Tricks überzeugen. Die futurezone hat sich das Idol 3 näher angesehen.

Das Idol 3 ist nicht nur beim Preis gleichauf mit dem OnePlus One, auch die Designs ähneln sich. Wie beim One hebt sich das Display leicht vom Gehäuse ab und wird so dezent umrahmt. Das hat aber nicht nur kosmetische Gründe, Alcatel hat die beiden Lautsprecher subtil am Rahmen verbaut. Auf Soft-Keys verzichtet man, die Tasten werden direkt am Bildschirm eingeblendet. Das ermöglicht zudem, dass das Smartphone auch “verkehrt” verwendet werden kann, da das Design nahezu perfekt gespiegelt wurde. Die Software dreht den Bildschirminhalt automatisch um 180 Grad, sodass auch verkehrt telefoniert werden kann.

Einige Funktionen, wie beispielsweise die Frontkamera oder die Hardware-Tasten lassen sich verkehrt aber nur mühsam nutzen. So befinden sich die Hardware-Tasten an der Seite nicht mittig, sondern an der Oberseite. Sobald das Smartphone gedreht wird, liegt die Power-Taste aber beispielsweise rechts unten und lässt sich so kaum betätigen. Abhilfe soll das Aufwecken durch doppeltes Antippen schaffen, aber im Vergleich zum Knock-On-Feature bei LG-Smartphones ist das Idol 3 etwas träge und benötigt spürbar länger. Auch die Hauptkamera auf der Rückseite wird im umgedrehten Modus von der Hand verdeckt. Das Telefonieren funktionierte aber aus jeder Lage problemlos.

Angenehme Kurven

Das Gehäuse besteht aus mattem Kunststoff, der den Look von gebürstetem Aluminium imitieren soll. Die Oberfläche ist angenehem griffig, fühlt sich aber dennoch hochwertig an. Die Kunststoff-Rückseite ist stabil und gibt auch unter Druck nicht nach. Die Kamera wurde im Gehäuse versenkt, die leicht gewölbte Rückseite lässt aber den Eindruck erwecken, dass sie hervorstehen würde. Die Maße des Smartphones lassen eine angenehme einhändige Bedienung zu, auch wenn man hin und wieder an Grenzen stößt.

Das leicht abgerundete Gehäuse lässt sich angenehm mit einer Hand halten, wobei man zum Tippen meist eine zweite Hand zur Hilfe nehmen muss. Das Gewicht von 141 Gramm ist für ein Smartphone dieser Größe in Ordnung, es fühlt sich aufgrund der guten Verteilung sogar deutlich leichter an. Die Positionierung der Power-Taste ist etwas ungewöhnlich, aber schnell erlernt. Diese befindet sich links oben, sodass sie mit dem Daumen betätigt werden muss. Die Lautstärkewippe liegt gegenüber auf der rechten Seite. Der Slot für microSIM- und microSD-Karte lässt sich nur mit einem mitgelieferten Werkzeug öffnen.

Alcatel setzt beim Idol 3 auf einen 5,5 Zoll großen LC-Bildschirm, der mit Full HD (1920 mal 1080 Bildpunkte) auflöst. Das entspricht einer sehr guten Pixeldichte von 401 ppi. So blieben Schrift und Grafiken stets scharf und ohne Stufenbildung. Auch die Blickwinkelabhängigkeit ist sehr gut, der Bildschirminhalt ist auch aus steilen Blickwinkeln gut erkennbar. Die Icons des Idol 3 sind zudem nicht ohne Grund in knallbunten Farben gehalten. Dank IPS-Panel muss sich das Idol 3 nicht vor AMOLED-Smartphones verstecken, die Farben sind kräftig und kontrastreich. Die Helligkeit des Bildschirms reicht zudem auch für sonnige Tage im Freien aus.

Obwohl das Smartphone während der Testphase nur in der Hosentasche transportiert wurde,bildeten sich rasch Kratzerauf der Display-Oberfläche. Alcatel verzichtet auf das in der Branche übliche Gorilla Glass und setzt auf Dragontrail, das auch Sony bei seinen Flaggschiff-Modellen verwendet. Dennoch ist eine Schutzfolie empfehlenswert, denn das Display war bereits nach zwei Wochen von zahlreichen Kratzern übersät. Das matte Kunststoffgehäuse erwies sich hingegen als deutlich resistenter und blieb frei von Schäden.

Das Idol 3 mag das Top-Modell von Alcatel sein, doch der verbaute Chipsatz lässt sich eher der Mittelklasse zuordnen. Der Qualcomm Snapdragon 615 war einer der ersten 64-Bit-Chips auf dem Markt und kann solide Leistung mit einem LTE-Modem bieten. Auch HTCs Mittelklasse-Modelle Desire 820 und Desire 826 setzen auf den Octacore-Chip. Die insgesamt acht A53-CPU-Kerne sind mit je vier Mal 1,5 sowie vier Mal einem Gigahertz recht niedrig getaktet. In CPU-lastigen Benchmarks schlagen sie sich aber trotz der niedrigen Taktrate gut, sie bringen rund 60 bis 75 Prozent der CPU-Leistung der Flaggschiff-Chips auf die Waage.

3DMark (Ice Storm Unlimited, v1.2): 7822 Punkte
AndroBench (Version 4.0.1, sequentielles Lesen/Schreiben): 129,47 / 12,44 MB/s
AnTuTu (v5.7.1, 64 Bit): 31.208 Punkte
PCMark (v1.1): 3.534 Punkte
Quadrant (v2.1.1): 21.116 Punkte

Enttäuschend fielen hingegen die Ergebnisse für Speicher und Grafikchip aus. Die verbaute Adreno-405-GPU reicht zwar für aktuelle Spiele aus, bietet aber keinerlei Reserven für die Zukunft. Auch der Speicher fiel durch geradezu unterirdische Werte beim sequentiellen Schreiben auf. Dieser Wert mag für eine microSD-Karte in Ordnung sein, für einen fix verbauten Speicher hingegen nicht. Auswirkungen waren kaum spürbar, 4K-Videoaufnahme wird ohnedies nicht unterstützt. Die Werte für das sequentielle Lesen sind für ein Mittelklasse-Modell aber gut.

Das Gerät wurde auch unter hoher Last, beispielsweise in den Benchmarks, nicht unangenehm heiß. Die Rückseite erwärmte sich zwar, mehr als handwarm wurde sie jedoch nicht. Der 2.910-mAh-Akku unterstützt leider kein Quick Charge, ist aber üblicherweise binnen etwas mehr als zwei Stunden voll geladen. Mit einer Ladung ließ sich das Smartphone rund eineinhalb Tage lang verwenden (eine Stunde Telefonieren, zwei Stunden Spotify, eine Stunde aktives Display). Der in Android integrierte Energiespar-Modus hilft zwar im Notfall, sonstige Hilfsmittel bekommt der Nutzer aber nicht spendiert.

Bei der Kamera hat Alcatel nicht gespart und den Sony-Sensor IMX214 mit einer lichtstarken Linse (f/2.0) verbaut. Der Sensor kommt auch im OnePlus One, Xiaomis Mi 4 und dem Nexus 6 zum Einsatz. Er nimmt mit 13 Megapixeln auf und kann weiterhin mit guten Ergebnissen aufwarten. Die Bilder rauschen kaum, sowohl bei Tageslicht als auch bei schwachen Lichtverhältnissen. Dank der relativ hohen Auflösung überzeugen die Bilder mit einem hohen Detailgrad. Die Leistung wird lediglich durch die CPU etwas eingebremst. Das Fokussieren benötigt spürbar länger, auch die Serienbildaufnahme lahmt etwas.

Die umfangreiche Kamera-App macht das aber wieder wett. So gibt es neben dem klassischen Automatik-Modus auch einen manuellen Modus, in dem ISO-Wert (von 100 bis 2400), Belichtungsdauer (1/2000 bis 1/250), Weißabgleich (nur nach Modi) sowie Fokus manuell eingestellt werden können. Eine Belichtungskorrektur kann leider nicht vorgenommen werden. Wer nach Filtern sucht, muss aber zu einer Dritt-Hersteller-App wie Instagram greifen. Alcatel liefert lediglich einen Beauty-Modus für Selfies und Portrait-Aufnahmen sowie einen HDR-Modus mit. Praktisch, aber nicht unbedingt erforderlich: ein Scanner für QR- und Barcodes ist ebenfalls in der Kamera-App integriert.

Videoaufnahmen sind lediglich in 1080p-Auflösung möglich, allerdings werden HDR und Zeitraffer-Videos unterstützt. Hier fehlt allerdings die Option, den Grad der Beschleunigung selbst zu bestimmen.

Alcatel setzt auf Android 5.0, leider muss man aber auf den Google-Launcher verzichten. Die von Alcatel entwickelte Oberfläche ist knallbunt und sehr verspielt. An jeder Ecke warten Animationen auf den Benutzer, die aber trotz des schwachen Grafikchips die Leistung des Smartphones kaum einbremsen. Eine nette Ergänzung am Homescreen findet sich nach einem Wisch nach links. Dort hat Alcatel seine Alternative Google Now entfernt und seine eigene Übersicht für Wetter, Kalender und Nachrichten platziert. Sowohl die Animationen als auch der “Onetouch Stream” lassen sich leider nicht deaktivieren.

Mit der Ausnahme zahlreicher optischer Anpassungen hat Alcatel aber kaum etwas an Android verändert. Sowohl das Benachrichtigungszentrum als auch die Einstellungen sind wie in der Stock-Version, auch hinter den bunten Icons für die System-Apps verbergen sich Google-Lösungen. Es gibt lediglich einige wenige Ausnahmen, wie einen Kompass, ein Radio, einen Rechner und einen Sprachrekorder. Alcatel hat zudem einen eigenen App Store und einen eigenen Spieledienst installiert, wobei die Auswahl hier noch etwas spärlich ist.
Sehr gut gelungen ist jedoch die Musik-App, die einen umfangreichen DJ-Modus bietet. So können die Titel mit eigenen Samples oder Drum Loops unterlegt, “gescratcht”, das Tempo verändert sowie zwischen gleichzeitig laufenden Titeln beliebig gewechselt werden. All das lässt sich auch als Aufnahme speichern.

Der verfügbare Speicher der 16-Gigabyte-Variante ist etwas knapp bemessen. Dem Benutzer stehen lediglich elf Gigabyte zur freien Verfügung, wobei etwas mehr als zwei Gigabyte davon durch vorinstallierte Apps belegt sind. Dazu zählen neben den System-Apps auch insgesamt 15 Apps von Dritt-Herstellern (von Google- und Facebook-Apps abgesehen), der Großteil davon Spiele. Diese lassen sich aber problemlos entfernen.

Alcatel liefert mit dem Onetouch Idol 3 wohl eines der besten Smartphones unter 300 Euro ab. Man muss geringe Abstriche gegenüber einem Flaggschiff-Modell hinnehmen, bekommt aber gute Qualität geliefert. Der positive Gesamteindruck wurde nur etwas durch den lahmen Speicher sowie das kratzeranfällige Display getrübt. Zumindest der letzte Makel lässt sich durch eine Schutzfolie beheben. Alcatel verspricht regelmäßige Updates für das Idol 3, die Custom-ROM-Szene hat das Smartphone bislang noch nicht für sich entdeckt.

Die nach wie vor beste Alternative in dieser Preisklasse ist das OnePlus One, das allerdings aufgrund der Ankündigung des OnePlus 2 Ende Juli nur mehr in Restbeständen verfügbar ist. Das 299-Euro-Smartphone kann aber weiterhin mit aktuellen Flaggschiff-Modellen mithalten. Alternativ gibt es auch das Sony Xperia M4 Aqua, bei dem man jedoch auf einen Full-HD-Bildschirm verzichten muss. Im Gegenzug ist es allerdings vor Wasser und Staub geschützt.

Modell:
Alcatel Onetouch Idol 3
Display:
5,5 Zoll IPS LC-Bildschirm - 1920 x 1080 Pixel (16:9, 401 ppi)
Prozessor:
Octacore-SoC (1,5 GHz A53 Quadcore und 1 GHz A53 Quadcore, Qualcomm Snapdragon 615)
RAM:
2 Gigabyte
Speicher:
16/32 GB intern, microSD-Kartenslot (bei 32-GB-Variante Dual-SIM)
Betriebssystem:
Android 5.0
Anschlüsse/Extras:
microUSB, Bluetooth 4.1, WLAN (a/b/g/n), LTE, JBL-Kopfhörer
Akku:
2.910 mAh
Kamera:
13 Megapixel (Rückkamera, LED-Blitz), 8 Megapixel (Frontkamera)
Videos:
Aufnahme in 1080p bei 30 fps möglich
Maße:
152,7 x 75,1 x 7,4 mm, 141 Gramm
Preis:
299 Euro (UVP)

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Michael Leitner

derfleck

Liebt Technik, die Möglichkeiten für mehr bietet - von Android bis zur Z-Achse des 3D-Druckers. Begeistert sich aber auch für Windows Phone, iOS, BlackBerry und Co. Immer auf der Suche nach "the next big thing". Lieblingsthemen: 3D-Druck, Programmieren, Smartphones, Tablets, Open Hardware, Videospiele

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