© Clemens Lechner

Roman

"Ein totaler Stromausfall ist realistisch"

“Wie ein Verrückter riss Piero Manzano das Lenkrad herum, während die Kühlerhaube seines Alfa unbeirrt auf den blassgrünen Wagen vor ihm zuglitt. Er stemmte beide Arme gegen das Lenkrad, glaubte das hässliche Geräusch schon zu hören, mit dem sich zwei Karosserien ineinander verkeilen.” Der frühere Kolumnist und heutige Strategieberater und Kreativdirektor für Werbung, Marc Elsberg, beginnt seinen Roman “Blackout” mit einem Autounfall seiner Hauptfigur - hervorgerufen durch einen Ampelausfall. Auf den folgenden Seiten erfährt der Leser schnell, worum es geht: Ein totaler Blackout.

Ausgelöst durch einen Hackerangriff bricht in einer Kettenreaktion das gesamte Stromnetz in Europa, später auch in den USA zusammen. Im Roman schildert Elsberg die katastrophalen Folgen für die Menschen - von Nahrungsmangel über fehlende medizinische Versorgung bis hin zu Massenunruhen und eskalierender Gewalt auf den Straßen. Thematisiert wird die zunehmende internationale Vernetzung über computergesteuerte Systeme ebenso wie Datenschutzfragen in Zusammenhang mit intelligenten Stromzählern.

futurezone: In Ihrem Roman schildern Sie das Szenario eines europa- bzw. weltweiten Stromausfalls. Halten Sie einen derartigen Fall für realistisch?
Marc Elsberg: Dass so ein Szenario realistisch ist, zeigt allein schon die Tatsache, dass der deutsche Bundestag etwa zeitgleich mit dem Beginn meiner Recherchen eine Studie zu den Folgen eines weitflächigen und langfristigen Stromausfalls in Auftrag gegeben hat. Und ich fürchte, dass wir uns früher oder später darauf einstellen müssen, dass so ein totaler Stromausfall auf uns zukommt - vielleicht nicht ganz in diesem Ausmaß, aber ausgeschlossen ist eines solches Szenario keinesfalls.

Fürchten Sie sich davor?
Ich glaube, es ist bei mir wie bei vielen anderen, die über so etwas nachdenken: Man hat den Gedanken “Mir wirds schon nicht passieren”. Ich habe im Zuge der Recherchen ein paar simple Vorkehrungsmaßnahmen getroffen, aber wirklich Angst davor habe ich nicht.

Ursache für den Stromausfall im Buch ist ein Hackerangriff aus dem Internet, bei dem ein Smart Meter mit Schadcode manipuliert wird. Können Sie sich auch andere, realistische Gründe vorstellen, die eine so weitreichende Katastrophe nach sich ziehen würden?
Natürlich sind auch andere Szenarien vorstellbar. Auch im Enstehungsprozess des Buches war nicht von Anfang an klar, dass es sich um einen solchen Hackerangriff handeln wird. Ich habe mich mehrfach mit IT-Fachleuten ausgetauscht und gemeinsam mit ihnen verschiedene Szenarien durchgespielt. Ein alternativer Gedanke etwa war, dass man direkt den Stromhandel manipuliert und die Menschen dadurch von der Stromversorgung abschneidet. Ebenso könnte es sich tatsächlich um Kriegsszenarien - Stichwort Cyberwar - drehen, um politische Motive oder schlicht um kriminelle Motive, wo etwa Geld erpresst wird, nach dem Motto: Wir drehen euch so lange den Strom ab, bis gezahlt wird. Es muss sich also nicht zwingend um Hacker handeln.

Wie lange haben Sie für Ihr Buch recherchiert und wie aufwendig waren diese Recherchen?
Insgesamt in etwa drei bis vier Jahre. Einerseits habe ich viel im Internet recherchiert, da findet man mittlerweile sehr viel zu dem Thema. Andererseits habe ich mich mit vielen IT-Fachleuten unterhalten, sowohl aus dem Beraterstab des Bundeskanzleramts als auch mit Leuten von Energieunternehmen, Produzenten ebenso wie Netzbetreiber.

War es schwierig, an Informationen zu gelangen oder waren die Leute auskunftsfreudig?
Es war gar nicht schwierig. Die Leute sprechen sehr gern darüber. Solange sie nicht direkt in der Energiebranche sitzen, sprechen sie über alles. Jene, die direkt in der Branche arbeiten, wissen natürlich bis zu welchem Punkt sie Auskunft geben können, waren aber im Allgemeinen auch sehr offen.

Welcher Anspruch an das Buch stand für Sie im Vordergrund: Dass die Geschichte möglichst faktenorientiert ist oder ging es in erster Linie doch um die fiktionale Story, also darum, Menschen mit einem Roman zu unterhalten?
Ich wollte in erster Linie eine spannende Geschichte schreiben. Die sollte aber nicht an den Haaren herbeigezogen sein, sondern auf Fakten basieren. Die Fakten waren insofern wichtig, weil sich die Leser so eher mit der Story identifizieren und in die Personen hinein fühlen können.

Hatten Sie je die Überlegung aus dem Thema ein Sachbuch statt eines Romans zu machen?
Nein, nicht wirklich. Man kann über die Thematik ohnehin wahnsinnig viel im Netz oder in Fachbüchern nachlesen. Jetzt im Nachhinein überlege ich allerdings, ob es Sinn machen würde, einen Faktenband nachzureichen, weil sehr viele Informationen, die ich im Laufe der Recherchen gesammelt habe, nicht in das Buch einfließen konnten und keinen Platz mehr darin gefunden haben. Gleichzeitig passiert auf dem Gebiet derzeit so viel, dass ein Sachbuch mit dem Erscheinen wohl schon wieder veraltet wäre.

Hat Sie das Thema Energie/Stromversorgung schon zuvor in Ihrem Leben begleitet bzw. wie Sie sind sie darauf gekommen?
Zunächst hab ich mich damit gar nicht beschäftigt. In den vergangenen Jahren hat mich dann mit dem Aufkommen des Internets die zunehmende Vernetzung der Welt interessiert. Grundsätzlich hab ich nach einer spannenden Story gesucht, über die ich schreiben konnte. Im zweiten Schritt stand dann die Überlegung im Raum, wie man über so etwas schreibt. Das resultierte in dem Gedanken, wie es ist, wenn man Leuten etwas Vorhandenes “wegnimmt”. Der im Buch beschriebene Stromausfall wirkt sich letztlich ja auf all diese vernetzten Systeme aus und zeigt, wie die Menschheit in kürzester Zeit ins 19. Jahrhundert zurückgeworfen wird.

In Ihrem Buch schreiben sie kapitelweise von unterschiedlichen Orten - Mailand, Den Haag, Brüssel, Paris, Berlin, Ratingen, etc. Gibt es hier einen Realitätsbezug, befinden sich an diesen Orten wichtige Knotenpunkte oder Kraftwerke?
Es gibt ein paar Orte, die gewissermaßen durch (technische) Fakten vorgegeben wurden. So startet der Roman beispielsweise in Italien und es kommt auch die Hauptfigur aus Italien, weil das Land schon sehr gut mit Smart Metern ausgestattet ist. Als Alternative wäre hier noch Schweden infrage gekommen. In einem Fall, wie im Buch beschrieben, ermittelt dann Europol, die haben ihre Zentrale in Den Haag, so kam diese Stadt ins Spiel. Oder etwa politische Zentren, wie Berlin. Einige andere Orte wie Ratingen im Speziellen spielen in der Realität hingegen keine Rolle und wurden eher per Zufall ausgewählt.

Was möchten Sie Menschen, die Ihr Buch lesen oder gelesen haben, gerne mitgeben bzw. welche Reaktionen erhoffen Sie sich?
In erster Linie wollte ich für die Leser ein paar spannende Lesestunden schaffen. Natürlich möchte ich damit aber auch gerne etwas mehr Bewusstsein für das Thema erzeugen. Letztlich geht es in dem Roman aber auch nicht nur um die technischen Aspekte, sondern tatsächlich um die Menschen und deren Schicksale, wenn plötzlich die gesamte Stromversorgung zusammenbricht.

Welche Maßnahmen sollten Ihrer Meinung nach ergriffen werden, um ein Horrorszenario wie im Buch beschrieben in der Realität zu verhindern? Gibt es Kritikpunkte Ihrerseits an den derzeitigen Gegebenheiten?
Ich bin natürlich kein Fachexperte für Elektrizität. Was mir im Laufe meiner Recherchen aufgefallen ist: Wie ahnungslos manche Leute an verantwortlichen Stellen vor einigen Jahren noch waren. Das hat sich mittlerweile schon etwas gebessert. Es gibt leider aber nur wenige Leute, die das “große Bild” im Blick haben. Meist geht es um Partikularinteressen einzelner Unternehmen oder Behörden. Ich würde mir wünschen, dass mehr über den Tellerrand hinaus gedacht wird. Gleichzeitig ist es auch problematisch, wenn man sieht, wie Großkonzerne eigentlich die gesamte Energie- und Energiewende-Diskussion beherrschen, die natürlich ihre eigenen Interessen durchsetzen wollen. Dabei geht es leider auch darum, wer am meisten Geld im Rücken und die stärkeren Lobbys hat - so finden die großen Unternehmen auch eher Gehör. Hier wir also eine kontroversiellere Diskussion durchaus wünschenswert.

Haben Sie das Gefühl, dass die Energie-Debatte auf internationaler Ebene geführt wird oder kocht jedes Land sein eigenes Süppchen?
International gibt es leider noch so gut wie keine gemeinsame Denke, die Diskussionen werden nach wie vor sehr national geführt. Das zeigt ja auch das Thema Klima, wo große Nationen wie die USA noch immer stark auf der Bremse stehen. Auch der nach Fukushima in Deutschland debattierte Atomausstieg wurde ja auf internationaler Ebene vielfach nur belächelt.

Haben Sie Ihr Leben im Laufe der Recherchen umgestellt, sind Sie jetzt besser auf einen derartigen Stromausfall vorbereitet, als Sie das früher gewesen wären?
Ich habe ein paar grundlegende Vorkehrungen getroffen, ja. So hab ich etwa die notwendigen Vorräte an Lebensmitteln und Getränken für ein bis zwei Wochen im Haus, was ich vorher nicht hatte. Der Tank meines Autos ist zudem immer gut gefüllt, damit ich im Zweifelsfall möglichst schnell aus der Stadt weg könnte. Am Land wäre man in so einem Katastrophenfall immer etwas besser aufgehoben, weil in der Stadt sehr schnell das totale Chaos ausbricht.

Könnten Sie sich vorstellen, dass Ihr Roman auch irgendwann verfilmt wird oder sogar als Videospiel erscheint?
Das ist natürlich alles Zukunftsmusik, aber jeder Autor freut sich, wenn sein Buch verfilmt wird. Videospiele fände ich an sich einen interessanten Widerspruch, weil Games bzw. Konsolen ja nach einem solchen Stromausfall bestenfalls noch wenige Stunden mittels Akku funktionieren würden. Aber natürlich fände ich die Spielidee grundsätzlich spannend, würde jemand auf die Idee kommen, das Buch als Game herauszubringen, würde ich mich dem sicher nicht verschließen.

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Zur Person:
Der 1967 in Wien geborene Autor war Kolumnist für die Zeitung „Der Standard“ und arbeitet heute als Strategieberater und Kreativdirektor in der Werbebranche. Sein Roman „Blackout“ ist seit März im Handel erhältlich.

Blackout ist seit März im Blanvalet Verlag erhältlich. Auf der Webseite zum Buch können die Leser zudem in einem Quiz testen, wie gut sie selbst auf einen Stromausfall vorbereitet wären.

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Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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