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Alpbach

"Vielleicht fahren selbstfahrende Autos schon heute besser"

Durch die Erfassung einer Vielzahl von Daten in Produktions- und Energiesystemen sollen Unternehmen ihre Prozesse optimieren und so effizienter arbeiten können. Überwacht werden sollen etwa der Herstellungsprozess, die Qualität der Teile, der Energieverbrauch und der Verschleiß von Maschinenteilen. Mit fein abstimmbaren Anlagen sollen sich auch individualisierte Produkte in Massen produzieren lassen. Die Stromnetze sollen durch die Ausstattung mit einer Sensoren- und Steuerungsebene überhaupt erst in die Lage versetzt werden, den Anforderungen einer nachhaltigen Energiezukunft gerecht werden zu können. Noch passiert das allerdings kaum.

Bei den Alpbacher Technologiegesprächen wird unter dem Titel "Kybernetik in modernen Energie- und Produktionssystemen" über die Probleme bei der Errichtung solcher cyberphysikalischen Systemen diskutiert. Die futurezone hat Rednerin Dawn Tilbury von der University of Michigan vorab interviewt.

Dawn Tilbury
futurezone: Was sind die derzeit größten Herausforderungen bei der Industrieautomatisierung?
Dawn Tilbury:Viele Firmen arbeiten mit alten Maschinen und produzieren damit in hoher Qualität und mit gutem Profit. Da ist es schwer teure Neuanschaffungen zu rechtfertigen, die es erlauben würden, neue Computertechnologien wie Big Data und Cloud-Computing zu nutzen. Viele der neusten Entwicklungen werden nur in neuen Fabriken umgesetzt und sogar dort ist anfangs oft unklar, ob sich das rechnet.

Kann die Komplexität solcher Systeme zu unerwartetem Verhalten führen?
In einer solchen Anlage gibt es immer Überraschungen, wenn die Automatisierung nicht funktioniert wie erwartet. Das liegt oft an einem unvollständigen oder inakkuraten Modell der Umwelt, mit der das System interagiert. Nicht alles in der Natur kann vorhergesagt oder erwartet werden. Wenn Menschen involviert und an der Kontrolle beteiligt sind, kann mehr unerwartetes Verhalten entstehen.

Können Menschen sicher in automatisierte Produktionsprozesse eingebunden werden?
Ja, in vielen Produktionssystemen können Menschen neben Robotern und Maschinen arbeiten. In der Autoindustrie gibt es bei der Montage schon eine solche Zusammenarbeit.

Wie können komplexe Systeme, die ja auch kritische Infrastruktur steuern, sicher gemacht werden?
Sicherheit ist bei allen Systemen eine Herausforderung, automatisiert oder nicht. Es ist wohl unmöglich, ein absolut sicheres System zu bauen. Deshalb sind gute Sicherheitsprotokolle gefragt, die darauf Rücksicht nehmen, dass es keine Perfektion gibt. Systeme sollten überwacht werden, um Fehler und Angriffe zu erkennen. Obwohl Daten manipuliert werden können, ist es schwierig, Physik vorzutäuschen und kritische Infrastruktursysteme sollten den Gesetzen der Physik normalerweise gehorchen.

Werden wir Systeme wie die Energieversorgung je zu 100 Prozent automatisieren können?
Ja. Menschen werden immer noch eine Rolle spielen, indem sie die Parameter setzen, beispielsweise welche Funktionen es zu optimieren gilt. Aber die Systeme sollten diese Ziele dann durchaus umsetzen können.

Selbstfahrende Autos sind ein heißes Diskussionsthema, vor allem seit einem tödlichen Unfall, in den ein Tesla involviert war. Sind wir bereit, Bereiche zu automatisieren, in denen Leben auf dem Spiel stehen?
Einige Menschen sind bereit, andere nicht. Wir haben Autopiloten in Flugzeugen und einigen Zügen und bald werden wir automatisierte Laster und Autos haben. Das wird nach und nach kommen. Da menschliches Versagen der Hauptgrund für Unfälle ist, werden automatisierte Autos mit der Zeit sicherer sein als manuell gelenkte. Vielleicht fahren selbstfahrende Autos schon heute besser, aber es gibt keine ausreichenden Daten oder Experimente um das zu untermauern. In den USA töten Autounfälle mehr als 600 Menschen pro Woche, das entspricht einem 747 Jumbojet, der vom Himmel fällt. Das Rechtssystem und das Versicherungswesen werden wohl einige Zeit brauchen, um sich an die neue Technologie anzupassen.

Ist die Furcht vor systemischer Arbeitslosigkeit durch Automatisierung berechtigt? Wo werden Menschen künftig arbeiten?
Einige Jobs werden sicher verschwinden, wie es auch in der Vergangenheit geschehen ist, wenn neue Technologien eingeführt wurden. Innerhalb des Produktionssystems werden die Menschen aber herausfinden, was sie in welchen Mengen, zu welchen Preisen und in welcher Qualität herstellen. Design ist immer noch ein sehr kreativer Teil des Gesamtprozesses und ist sehr schwer zu automatisieren. Repetitive Arbeit kann dagegen einfach automatisiert werden. Innerhalb eines bestimmten Rahmens können Optimierungsalgorithmen oft die beste Lösung finden. Aber Menschen müssen den Rahmen definieren.

Glauben Sie an die Singularität?
Nein.

Die futurezene ist Online-Medienpartner der Alpbacher Technologiegespräche.

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Markus Keßler

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