Tumulte bei OpenAI: Was hinter dem Chaos beim ChatGPT-Macher steckt
Update, 20.11. 18:46 Uhr: Die Zahl der Unterzeichner*innen des offenen Briefs ist von 505 auf mehr als 600 angestiegen, darunter ist auch Ilya Sutskever. Der Artikel wurde entsprechend aktualisiert.
ChatGPT löste einen Hype um Künstliche Intelligenz (KI) aus. Man kann den Chatbot alles Erdenkliche fragen und er wird eine Antwort geben. Auch Texte, wahlweise mit kuriosen Aufgabenstellungen wie „schreibe einen Wetterbericht im Stil von Thomas Bernhard“ lassen sich per Anweisung generieren. Ganze Bücher kann der Bot in wenigen Minuten in wenigen Absätzen zusammenfassen.
Zuerst Rückkehr, dann Wechsel zu Microsoft
Bei OpenAI, dem Unternehmen hinter ChatGPT, rumort es derzeit aber gewaltig. Am Freitag wurde völlig überraschend bekannt, dass Unternehmenschef Sam Altman seinen Posten räumt. Der Aufsichtsrat befand Altman als nicht länger geeignet. Über die genauen Ursachen von Altmans Rausschmiss herrscht Unklarheit. In einer offiziellen Stellungnahme heißt es kryptisch, dass der entlassende CEO in seiner Kommunikation nicht „offen genug“ war. Die rund 700 Mitarbeiter*innen wurden vorab nicht informiert, genauso wenig wie Microsoft, das Milliarden in das Unternehmen investiert hat. Am Samstag wurde dann eine Rückkehr von Altman zu OpenAI in den Raum gestellt. Am Montag wurde verlautbart, dass Altman und weitere Mitarbeiter*innen zu Microsoft wechseln.
In einem offenen Brief forderten zudem mehr als 600 der 770 Mitarbeiter*innen den Aufsichtsrat selbst zum Rücktritt auf. Sie wollen auch die Rückkehr Altmans. Ansonsten würden sie ebenfalls zu Microsoft wechseln, wie es heißt. Zu Beginn hatten 505 Personen den Brief unterzeichnet, die Zahl wächst aber kontinuierlich.
Gegründet wurde OpenAI 2015, mit an Bord waren große Namen wie Elon Musk und der umstrittene Investor Peter Thiel. Beide sind mittlerweile ausgestiegen. OpenAI gilt aber auch ohne sie als wertvollstes KI-Unternehmen der Welt. Zwischen 80 und 90 Milliarden US-Dollar könnte das Unternehmen wert sein, schätzt das Wallstreet Journal. Die hohe Bewertung kommt daher, weil Künstliche Intelligenz viele wirtschaftliche Bereiche wie Finanzen, Transport oder Gesundheit grundlegend verändern soll.
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Von nicht-gewinnorientiert zu Mischform
OpenAI ist kein klassisches Unternehmen. Gegründet wurde es 2015 zunächst ohne Gewinnorientierung. Weil die Gehälter für KI-Experten im Silicon Valley so hoch sind und notwendige Rechenleistung von Computern teuer, wurde die Unternehmensform 2018 geändert. Seitdem ist es eine Mischform mit „gedeckelten Gewinnen“, wie OpenAI das selbst nennt. Mit dieser Änderung wollte das Unternehmen mehr Geld einsammeln und dabei gleichzeitig seinen Zielen treu bleiben.
Altmans Abgang scheint überraschend, könnte sich aber bereits seit Längerem angekündigt haben. Manche sehen in seinem Abgang den Höhepunkt eines Zweikampfes. Demnach habe Altman auf ein schnelleres wirtschaftliches Wachstum des Unternehmens gedrängt, während der wissenschaftliche Leiter, Ilya Sutskever, zu einem langsameren und bedachteren Vorgehen mahnte, um so die Sicherheit in der KI-Entwicklung zu gewährleisten.
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KI zwischen Geschäft und Gefahren
Mit seiner Sichtweise ist Sutskever nicht allein. Offenbar verlaufen die Gräben in der Szene zwischen zwei Lagern: Die einen sehen in der Künstlichen Intelligenz das Geschäft ihres Lebens, die anderen finden, dass die Entwicklung zu schnell geht. Sie sagen, dass die Gefahren zu groß sind und uns die Technologie über den Kopf wachsen könnte – etwa, wenn sie in autonomen Waffen eingesetzt wird.
Bei Microsoft soll Altman nun eine neue KI-Forschungsabteilung leiten. Mit ihm wechselt auch Greg Brockman, der ebenfalls zurückgetretene Aufsichtsratschef zu Microsoft. Auch wichtige Wissenschafter folgen Altman, etwa Jakub Pachocki. Er war für die Entwicklung von GPT-4 verantwortlich, die neueste Version von ChatGPT. Besonders heikel: Erst vor Kurzem beförderte Altman ihn zum zweiten wissenschaftlichen Leiter neben Sutskever. Das dürfte diesem nicht gefallen haben. Auf X bedauert Sutskever nun in einem Posting, dass er die Mitarbeiter*innen von OpenAI verunsichert hat. Inzwischen hat er sogar den offenen Brief unterzeichnet, in dem die Mitarbeiter*innen den Aufsichtsrat zum Rücktritt auffordern.
Die Rolle des Übergangs-CEOs von OpenAI soll nun Emmett Shear übernehmen. Der Tech-Manager ist bekannt als Gründer der Streaming-Plattform Twitch, deren Chef er bis vor kurzen war. Wie fix diese Neubesetzung ist, wird sich noch zeigen. Denn momentan bleibt bei OpenAI kein Stein auf dem anderen.