Smart Meter: Match um technische Standards in Österreich
In Österreich ist derzeit ein technologischer Grabenkampf im Gange, von dem die Öffentlichkeit bisher wenig mitbekommen hat: Es geht um das Match von technischen Standards beim Einsatz von intelligenten Stromzählern. Einer Studie von Arthur D. Little zufolge, die im Auftrag von Cisco erstellt wurde und die der futurezone exklusiv vorliegt, setzen im Jahr 2013 die meisten österreichischen Energieversorger, die bereits Smart Meter-Lösungen im Einsatz haben, auf proprietäre Standards.
Spätestens im Jahr 2016 soll es aber eine Trendwende geben und die Zahl der Energieversorger, die auf offene Standards setzen, wird überhand nehmen. So die Prognose von Arthur D. Little. Im Jahr 2020 sollen die Energieversorger bereits zu einem überwiegenden Teil auf offene Lösungen setzen.
Proprietäre Systeme im Einsatz
Derzeit gibt es zwei Energieversorger in Österreich, die sich bereits fix dazu entschlossen hätten, auf proprietäre Systeme zu setzen. Die Studienautoren fügen hier allerdings hinzu, dass diese ihre Smart Meter-Lösungen bereits zu einem Zeitpunkt in Angriff genommen haben, zu dem noch keine Projekte auf IP-Basis gegeben hat. Drei Energieversorger, darunter auch einer der größten Österreichs, sind von offenen Systemen für Smart Meter-Systeme überzeugt und wollen diese bei ihren eigenen Projekten einsetzen.
Futurezone-Recherchen haben ergeben, dass es sich bei den beiden Energieversorgern, die auf proprietäre Systeme setzen, um die Energie AG und die Linz AG, handelt. Bei der Energie AG wurde gemeinsam mit Siemens der intelligente Zähler AMIS zur Serienreife entwickelt und kommt bei mehr als 120.000 privaten Haushalten zum Einsatz.
IPv6 als künftiger Standard
Der Netzwerkspezialist Cisco, der seit Jahren auf IP-Technologie setzt und Marktführer im Bereich IP-Telefonie ist, setzt sich hingegen dafür ein, dass sich das Internetprotokoll IPv6 als standardisiertes Verfahren zur Übertragung von Daten auch in den Netzen von Energieversorgern durchsetzt. „IPv6 muss künftiger Standard sein. Wenn ich heutzutage in eine veralterte Technologie investiere, die nicht auf IP aufsetzt, produziere ich unnötige Kosten. Außerdem kann man die Vorteile, die es in Zukunft dadurch geben wird, nicht nutzen“, so Achim Kaspar, Österreich-Chef von Cisco im Gespräch mit der futurezone.
Man müsse die Smart Meter-Entwicklung nämlich im „großen Ganzen“ betrachten, so Kaspar. Künftig werde im „Internet of Everything“-Zeitalter alles von der Kaffeemaschine bis zu Gebäuden via IP-Netzwerk gesteuert. „Smart Connected Energy“ sei künftig ebenfalls Teil dieses Netzes. In Folge könne man auch von „Smart Connected Cities“ reden, von der Verbindung von Informationssystemen mit Verkehrsleitzentralen, von Müll-Management und der Regelung von Straßenbeleuchtungen. „Es gibt viele Services, die in Zukunft möglich sein werden. Aber dazu muss erst das Fundament gebaut werden. Wir sehen uns dabei als Fundament-Provider“, erläutert Hans Greiner, Sales Manager bei Cisco die Strategie des Netzwerkausrüsters.
Wahlfreiheit für Kunden
Cisco sei dabei „einer von vielen Playern“, die auf offene Standards und IP setzen würden. „Die Investition des Energieversorgers in IP-Technologie ist eine Investition, die sich in Zukunft rechnen könnte“, erklärt Kaspar. „Es ist aber auch eine Standard-Frage und gibt dem Kunden die Möglichkeit, von Cisco unabhängig zu sein. Kunden gewinnen dadurch Wahlfreiheit. Wir sind realistisch genug, um zu wissen, dass es keine hundertprozentige Cisco-Lösung durch ganz Österreich geben wird“, so Kaspar zur Entwicklung im Smart Meter-Geschäft, bei der Cisco mitmischen will.
Unternehmen wie T-Systems, die M2M-Sparte der Telekom Austria oder Kapsch sehe man dabei nicht als Konkurrenten, sondern als Partner. „Wir sind Teil einer Lösung, bei der wir unsere Übertragungstechnologie in eine Gesamtlösung einbinden. Die Gesamtlösung setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen“, erklärt Kaspar. Dabei sei Cisco auch technologieagnostisch, die technischen Anbindungsmöglichkeiten würden von Powerline bis zu GSM reichen.
Falsche "gefühlte Sicherheit"
Die Arthur D. Little-Studie ergab außerdem, dass proprietäre Protokolle keine besseren Sicherheitsmechanismen mit sich bringen, sondern eine falsche „gefühlte Sicherheit“ vermitteln würden. Öffentlich bekannte Standards wie IP seien sicherer, heißt es in der Studie. Manche Energieversorger in Österreich würden sich allerdings auf diese „gefühlte Sicherheit“ verlassen.
Offene Standards seien sicherer, weil Schwachstellen schneller identifiziert und beseitigt werden können, so Kaspar von Cisco. „Jeder kann sich das SDK herunterladen und zusammenarbeiten. Danach wird geprüft, ob alles passt und im Anschluss wird evaluiert. Es gibt außerdem immer mehr Leute, die uns beim Absichern helfen möchten. Das ist bei proprietären Systemen nicht der Fall“, erklärt Kaspar.
Die Sicherheitsfrage spielt bei der Smart Meter-Thematik eine große Rolle. Es wurde von vielen Seiten kritisiert, dass weder im Gesetz noch in den entsprechenden Verordnungen Sicherheitsstandards definiert wurden. Das sieht auch Cisco nicht ganz unkritisch. Cisco-Chef Kaspar glaubt jedoch nicht, dass das Hacken eines einzelnen Smart Meters künftig einfacher sein werde als das Hacken eines Kraftwerks oder Hauptverteilers. „Wenn IP-Protokolle zum Einsatz kommen, spielt sich alles auf der gleichen Basis ab“, so Kaspar. „Über ähnliche IP-Lösungen verbinden wir auch Großbanken, Staaten und Geheimdienste – und jetzt auch Energieversorger.“
Opt-Out "kein großes Thema"
Der Studie zufolge wird die im Juli 2013 per Gesetz festgeschriebene Opt-Out-Möglichkeit bei Smart Metern von weniger als zehn Prozent der Österreicher genutzt werden. Um das Opt-Out-Risiko zu vermindern, sei es erforderlich, „proaktiv über alle Medienkanäle in Österreich über die hohen Sicherheitsstandards im Bereich Datenkommunikation zu informieren“, heißt es seitens Arthur D. Little im Kapitel „Managing the opt-out risk“. Auch Kaspar von Cisco glaubt nicht, dass das Opt-Out ein „großes Thema“ wird. „Wir haben aus der Studie mitgenommen, dass sich die Bevölkerung nicht genug für ihre Energieinfrastruktur interessiert.“ Um das Opt-Out gibt es aber – wie berichtet – ebenfalls Grabenkämpfe seitens Energieversorger, Wirtschaftsministerium und E-Control. Es bleibt daher fraglich, ob die Studienautoren mit dieser Prognose Recht behalten.