Solarkälte: Wien Energie weitet Photovoltaik-Modelle aus
Wien Energie hat mit Ende 2013 elf fertige Bürgersolarkraftwerke, die rund 1.600 Wiener Haushalte mit Strom versorgen. Kann man hier schon von einem Solarboom in Wien sprechen?
Als Solarboom würde ich es noch nicht bezeichnen, aber als deutliches Signal, das in diese Richtung etwas passiert. Wir haben in Wien insgesamt 860.000 Haushalte, jetzt rund zweitausend Haushalte, die wir mit Energie aus der Photovoltaik, die aus den Bürgersolarkraftwerken stammen, versorgen. Allerdings ist das nicht alles. Wir setzen einige hundert Photovoltaik-Projekte um in unserem Stammgebiet.
Die Paneele der Bürgersolarkraftwerke sind immer sehr beliebt, es gibt Wartelisten und der Ausverkauf erfolgt meist recht rasch. Liegt das Ihrer Meinung nach wirklich daran, dass die Wiener Solarkraft unterstützen wollen, oder ist die gute Verzinsung von 3,1 Prozent für die Beliebtheit des Modells mitverantwortlich?
Unsere Analysen zeigen, dass ungefähr 60 bis 70 Prozent der Kunden Paneele aus dem Umweltgedanken heraus kaufen und der restliche Teil aufgrund der lukrativen Vergütung.
Es hat großes Interesse an diesem Projekt gegeben, das haben wir auch selbst auf Konferenzen festgestellt. Es kommen auch immer wieder Gemeinden und Kunden auf uns zu, die etwas in dem Bereich gemeinsam mit uns machen wollen. Ansonsten haben es einige Unternehmen auch als Vorbild genommen und selbst umgesetzt. Wir machen jetzt bereits den nächsten Schritt, denn wir versuchen immer, einen Schritt voraus zu sein.
Was bedeutet der nächste Schritt?
Es wird im Frühjahr auch ähnliche Bürger-Modelle für Windkraft geben. Auch das aktuelle Modell werden wir ausweiten, weil da gibt es noch einiges an Potenzial. Demnächst werden wir mit Spar für deren Kunden ein neues Beteiligungsmodell präsentieren.
Wird es auch weitere Bürgersolarkraftwerke geben?
Unsere Kunden bestimmen das und im Moment schaut es so aus. Aber wir werden das Modell ausweiten. Es bleibt nicht bei dem, wie es jetzt ist. Es wird eine breitere Palette an Produkten geben.
Was macht Solarenergie für ein Land wie Österreich überhaupt attraktiv? In Portugal gibt es beispielsweise viel mehr Sonnenstunden pro Jahr, es wurde bisher aber kaum in Solarkraft investiert. Zu teuer, heißt es beim dortigen Energie-Versorger REN.
Das Thema ist sehr stark von der Förderpolitik in unterschiedlichen Ländern getrieben. In Deutschland hat es den Boom sicherlich deswegen so stark gegeben, weil Photovoltaik stark gefördert wurde. In Österreich war das eine Zeit lang auch so, das gab es Anwendungsförderungen für die Anlagen. So eine Unterstützung war nicht in allen Ländern üblich. Man merkt das ja auch auf kleinerer Ebene: Es gibt einen Teil in der Bevölkerung, der seine Investition in Panelle beim Bürgersolarkraftwerk nur als Anlage sieht.
Warum hat sich Wien Energie für den Einstieg in den Bereich entschieden?
Weil es unsere Kunden wollen. Wir können nicht an der Realität vorbeiplanen. Deswegen ist unsere Philosophie auch, die Produkte so lange weiterentwickeln, bis die Kunden sie nachfragen. Wenn das nicht mehr der Fall ist, wird es die Produkte auch nicht mehr geben.
Sie haben ja nicht nur Modelle für Privatkunden, sondern bieten seit Juli 2012 Photovoltaik auch für Gemeinden, Gewerbe und Industrie an. Wie wird dieses Angebot bisher angenommen?
Sehr gut. Es gibt viele Kunden, die ein Interessen haben, einen Beitrag zum Ausbau der Erneuerbaren Energien zu leisten. Die Anzahl der Kunden wächst von Tag zu Tag.
Wer zählt z.B. dazu?
Einer der aktuellen Kunden ist Spar. Dort starten wir demnächst ein Modell, bei dem wir auf den Dächern Photovoltaik-Anlagen installieren, deren Energie direkt in der Filiale verbraucht wird. Wir haben aber auch viele andere Kunden wie z.B. Wiener Wohnen. Es gibt auch sehr viele Gemeinden, die den Gemeindeverbrauch mit Photovoltaik decken wollen, konkret umgesetzt wurden z.B. Projekte in Trumau oder Perchtoldsdorf. Es ist eine breite Palette.
Genau, das ist bei 99 Prozent unserer Solarprojekte der Fall. Wir versuchen die Anlage so zu dimensionieren, dass ein Großteil des Verbrauchs in der Anlage selbst produziert wird. In manchen Gebäuden sind es fünf Prozent des Verbrauchs, in anderen sind es 25 Prozent - das hängt davon ab, ob es ein Bürogebäude ist, bei denen der Verbrauch tagsüber erfolgt.
Wird sich das einmal ändern, in dem man etwa Energie aus Solarkraft zwischenspeichern kann?
Ja. Was wir im Frühjahr auf den Markt bringen werden, ist eine Kombination aus Photovoltaik und Speicher. Diese Verbindung werden wir für Kunden anbieten.
Wie funktioniert das?
Im Wesentlichen ist es ein lokaler Speicher mit einer Steuerung. Bei der Photovoltaik-Anlage wird der Verbrauch gemessen, die Anlage gibt Signale an den Speicher - und der Speicher weiß daher, wann er laden soll. Wenn kein Strom produziert wird, ladet er nicht mehr und wenn Strom verbraucht wird, wird einfach Strom aus dem Speicher gezogen.
Wird es für den Geschäftskunden-Bereich ebenfalls noch weitere Modelle geben?
Ja. Wir werden das Produkt Solarkälte anbieten. Dabei setzen wir Photovoltaikanlagen für Kälteanlagen ein. Die Steuerung erfolgt so, dass die Kälteanlage dann in Betrieb ist, wenn die Photovoltaik-Anlage Strom produziert. Damit werden wir bald auf den Markt gehen.
In ganz Österreich gab es im Jahr 2012 ein Plus von 157 Prozent bei Photovoltaik. Wie hat die Entwicklung in Wien ausgesehen?
Mit Ende 2012 haben wir 18 Megawatt installierte Leistung gehabt, gut 50 Prozent dieser Anlagen gehören Wien Energie. Wir sind im Photovoltaik-Bereich erst seit zwei Jahren tätig, vorher haben wir diesen Markt bewusst nicht besetzt. Dafür hat es mehrere Gründe gegeben: Das eine Thema war die Wirtschaftlichkeit, das andere war die Umweltkomponente. Bei den alten Paneelen war weder die Entsorgungsfrage gelöst, noch war der Erntefaktor hoch genug (Anmerkung: Produzierte Energie aus der Photovoltaik in Relation zu Energie erforderlich für die Herstellung der Anlage)
Das hat sich erst die letzten Jahre gedreht, die Umweltbedenken sind vollständig ausgeräumt. Dann sind wir in den Photovoltaik-Markt eingestiegen und in den zwei Jahren haben wir einen Marktanteil von 50 Prozent erlangt und ich behaupte, die nächsten 2-3 Jahre werden es 90 Prozent werden in unserem Stammgebiet.
Ein ambitioniertes Ziel. Wenn Sie sagen, dass es davor nicht wirtschaftlich gewesen wäre – hat sich das jetzt pauschal geändert?
Das Thema Wirtschaftlichkeit das hängt sehr stark von der Konstellation der Einzelprojekte ab. Es gibt keine Pauschalaussage, aber wenn man einen Kunden hat, bei dem die Rahmenbedingungen passen und der Stromverbrauch mit der Produktion gekoppelt werden kann, passt das. Wir garantieren in solchen Fällen, in denen der Verbrauch der Produktion erfolgt, auch eine stabile Preisentwicklung.
Steigen sie da nicht schlechter aus dabei?
Der Kunde hat Planungssicherheit und wir erzielen unsere Mindestrendite. Wir kalkulieren die Anlage so, dass sie sich über die Lebensdauer von 20-25 Jahre rechnet. Das ist eine Win-Win-Situation.
Das ist einer der essenziellsten Punkte. Wir unterscheiden uns von Einzelkunden, die sich eine Anlage aufs Dach bauen, fundamental. Jede Photovoltaik-Anlage, die von uns installiert wird, wird online gemessen und direkt in eine Zentrale übertragen. Wir gewährleisten, dass alles, was an dezentralen Erzeugungsleistern ins System kommt, bei uns in der Zentrale gesammelt wird. Wir sind in der Lage, sofort einzugreifen, wenn Verbrauch und Erzeugung aus der Balance geraten. Das unterscheidet uns von punktuell ungesteuerten Anlagen, wir schauen auf die Systemsicherheit und dadurch, dass wir einen großen Kraftwerkspark mit den steuerbaren Kraftwerken haben sind wir in der Lage, Stabilität zu gewährleisten, in dem wir das ausgleichen. Ich behaupte, das wird auch das Zukunftsmodell sein.
Wir sind überzeugt, dass im Moment eine wesentliche Komponente fehlt, nämlich der Leistungsmarkt. Eine Leistung, die immer da ist, hat einen anderen Wert, als eine Leistung, die nicht immer da ist. Man hat eine andere Sicherheit, wenn man ein Projekt mit uns umsetzt, als wenn man sich vom Elektriker eine Anlage bauen lässt.
Aber die kleinen Häuslbauer sind derzeit kein Thema für Sie, oder?
Im Moment sind wir noch nicht so weit. Wir gehen den Markt so an, dass wir dort ansetzen, wo das größte Potential ist und arbeiten uns dann sukzessive weiter nach vor.
Was ist aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung bei der Energiewende?
Was die Energiewende betrifft, ist die größte Herausforderung, dass sich der Strommarkt zu einem Hybrid aus Markt und Fördermechanismen entwickelt hat. Um die derzeitigen Verwerfungen am Markt zu beseitigen, sind drei Dinge erforderlich. Zum einen müssen die erneuerbaren Energien klug gefördert werden und am freien Markt partizipieren. Dazu ist statt dem Einspeisetarif eine Investitionsförderung oder ein Marktprämienmodell erforderlich.
Das zweite wichtige Thema ist das Implementieren eines Leistungsmarktes. Planbare Produktion darf nicht den gleichen Wert haben wie unplanbare Produktion. Und zu allerletzt ganz wichtig ist die Funktionsfähigkeit des CO2 Marktes. Wenn der Markt wieder funktioniert, wird der Ausbau der Netze und der Speichermöglichkeiten auch leichter zu bewerkstelligen sein.
Das "Team Austria" hat den „Solar Decathlon“ Wettbewerb in Kalifornien gewonnen– ein gutes Signal für Österreich?
Auf jeden Fall ein gutes Signal, weil es die Leistungen von Österreich bzw. österreichischer Innovatoren in ein internationales Licht rückt. Die Innovation ist der Schlüssel, der uns in die Energiezukunft führt. Ich bin überzeugt davon, dass die Energiewelt, wie wir sie heute kennen, in 20 Jahren nicht mehr existieren wird. Gerade im Bereich "urban technologies" wird noch viel entstehen. Neue Ansätze zu Energienutzung, -gewinnung und -steuerung werden unsere Branche prägen.
Susanna Zapreva ist Geschäftsführerin der Wien Energie GmbH. Sie absolvierte das Studium der Elektrotechnik an der Technischen Universität in Wien und promovierte im Jahr 2000. Danach arbeitete sie als Beraterin in der Energiebranche, bevor sie 2001 zu Wien Energie wechselte.