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Videoüberwachung: Kunden im Visier

Sowohl Hardware- als auch Software-Anbieter verzeichneten im Vorjahr einen massiven Gewinn im Geschäftszweig der Videoüberwachung. Bei Sony waren es 36 Prozent, bei Axis 30 Prozent und beim in Wien ansäßigen Software-Unternehmen Netavis waren es rund 20 Prozent. „IP-basierte Videoüberwachung setzt sich zunehmend durch“, erzählt Wolfgang Baumgartner, Geschäftsführer von  Netatvis, der futurezone.  Neben dem Einsatz von IP-basierten Lösungen zu reinen Überwachungszwecken (hier werden die Kameras beispielsweise so klein, dass man sie gar nicht mehr als solche wahrnimmt) ist bereits ein weiterer Trend in der Branche erkennbar: die Videoanalyse, basierend auf "Face Recognition"-Technologien.

Warum sind IP-basierte Videoüberwachungslösungen im vergangenen Jahr so stark gewachsen? Wird Videoüberwachung immer populärer?
Baumgartner: Es gibt hier verschiedene Effekte. Einerseits ist Videoüberwachung ein generelles Thema geworden, die Leute wollen ein gewisses Sicherheitsgefühl haben. Da kommt das Wachstum her. Der zweite Grund dafür ist, dass man einfach alte Technologien durch neue Lösungen ersetzt. Die Möglichkeiten eines Systems wie dem unserem sind wesentlich größer.

Warum das?
Der große Trend für die nächsten Dekaden ist das Thema Videoanalyse. Dabei geht es darum, dass man automatisiert Bilder auswertet und bestimmte Informationen aus Bildern gewinnt. Ganz klassisch analysieren wir Bilder z.B. dazu, um ein Kennzeichen zu erkennen, oder um Personen oder Objekte zu identifzieren. Wir sind auch in der Lage, diese Objekte zu tracken, d.h. ihnen zu folgen oder sie zu zählen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt im Einzelhandel, denn dadurch ist man in der Lage, Kundenfrequenzen zu zählen.

Das heißt, der Einzelhändler kann dadurch genau feststellen, wie viele Leute in seinen Laden kommen und wo sie sich aufhalten?
Videoüberwachung für den Handel gibt es seit 30 Jahren, aber wir können mit unserer Technologie zusätzliche Informationen liefern. Wie viele Leute sind im Shop, wie viele davon halten sich in der Kinderabteilung auf? Wie sieht es bei den Frauen und bei den Männern aus? Diese Informationen, das sind Video-Metadaten, kann man mit den Business-Daten verknüpfen und sogenannte Conversion-Rates ausrechnen. Das kann ich ohne eine vernünftige Kundenfrequenzmessung gar nicht machen.

Wie lässt sich das Geschlecht bestimmen?
Hier kommt eine Gesichtserkennungssoftware zum Einsatz. Mit dieser lassen sich Alter und Geschlecht bestimmen. Wir sind allerdings nicht in der Lage, das Alter zu identifizieren, das im Pass steht. Unsere Software ist noch nicht perfekt, aber sie liefert wesentlich mehr Informationen als die Retailer heute haben. Mit so einer Technologie kann man sich anschauen, wie viele Leute zu welcher Tageszeit das Geschäft besuchen. Wenn das am Nachmittag zu 70 Prozent Frauen und interessanterweise alle um die 50 sind, kann man spezielle Angebote auf diese Zielgruppe ausrichten. Solche Informationen hat heute noch niemand.

Diese Technologie von uns wird auch im Transportbereich in Skandinavien eingesetzt. Dort werden sie bei Infodesks einer Eisenbahn-Linie verwendet. Die Verantwortlichen wollen wissen, welche Informationen nachgefragt werden und welches Alter und Geschlecht die Personen haben, die nachfragen. Die Eisenbahn-Linie kann ihre Informationen dann besser customisen. Von den Dimensionen her ist das was ganz was Neues, da sind wir schon bei Matrix.

Apropros Matrix: Wohin geht die Entwicklung, was ist technisch in Zukunft möglich?
Hier ist die Videoanalyse ein großer Trend, hier sind wir erst am Anfang. Es ist den Leuten noch gar nicht klar, was man damit alles machen könnte. Mit einer automatischen Gesichtserkennung kann man beispielsweise auch Zutrittssysteme steuern. Sie kommen zur Tür, schauen in die Kamera und die wünscht ihnen einen guten Morgen, macht ihnen die Tür auf, Sie gehen rein. Oder Sie fahren in die Parkgarage, dort wird überprüft, ob ihr Kennzeichen mit ihrem Gesicht übereinstimmt. Dann tönt es aus dem Lautsprecher: Rufen Sie Herrn Mayer an, der wartet schon.

Werden Sie auch soweit gehen, mit ihren Tools Gesten zu kontrollieren?
Nein, das haben wir nicht in Planung. Wir machen allerdings auch Projekte, bei denen man das Kundenverhalten analysiert wird und wir uns fragen: Was macht der eigentlich in einem Shop? Wo geht er hin? Vor welchem Regal bleibt er stehen?

Dazu reicht die Analyse der Bewegung aus...
Exakt. Wir schauen uns nur die Bewegung an. Vor welchem Regal bleibt der Kunde stehen, wie lange ist die Verweildauer, wie hoch ist die Geschwindigkeit? Wenn sich die Kunden zu schnell im Shop bewegen, können Hindernisse aufgebaut werden. Solche Informationen sammeln wir schon, aber - ganz wichtig - , nicht personalisiert. Da geht es rein um die Daten, damit man den Shop optimieren kann, damit man die Plätze findet, die für PR-Aktionen geeignet sind. Mimik auslesen - brauchen wir im Moment nicht.

Die Daten werden also nicht personalisiert gespeichert?
Vor allem in Österreich und Deutschland spielt das Thema Datenschutz eine extrem wichtige Rolle. Wir auch in der Lage, die Technologie so zu benutzen, dass sie nicht personalisiert ist. Wir wissen zwar, dass vor uns eine dreißigjährige Frau steht, aber wir speichern das Bild dazu nicht ab, sondern verwenden die Daten anonymisiert. Das ist ganz wichtig, dass wir da compliant sind, für die Datenschutzkommission.

Wie wichtig ist das Thema Datenschutz für Sie?
Generell ist das Thema Datenschutz ein sehr wichtiges Thema für uns. Wir sind unter den wenigen, die in der Lage sind, alles zu verschlüsseln - von der Kamera bis zum Server, das Archiv ist extra verschlüsselt, auch die Verbindung vom Client zum Server ist verschlüsselt. Alles High-Tech, plus Vier-Augen-Prinzip beim Zugriff auf die Daten, plus Privacy-Masking - die Kamera schaut nur in einen bestimmten Bereich, aber in der Mitte darf man nichts sehen. Wir arbeiten außerdem noch weiter an Verpixelungen. Wir machen alles, was möglich ist, damit man das Thema Datenschutz wirklich seriös bearbeiten kann. Das ist auch vor allem für Banken und den Handel wichtig.

Wie sehen Sie die Datenschutzbestimmungen von Österreich im internationalen Vergleich?
In den 40 Ländern, in denen wir tätig sind, gibt es zwei Länder, in denen das Thema wirklich wichtig ist. Das sind Deutschland, das aus meiner Sicht noch strenger ist, und dann kommt Österreich.

Sie sind ja auch in arabischen Ländern tätig und haben beispielsweise Großprojekte in Saudi Arabien. Wie sieht es dort im Vergleich zu Österreich mit dem Datenschutz aus?
Saudi Arabien ist der andere Pol, das andere Extrem. Natürlich ist es dort so, dass der Datenschutz überhaupt keine Rolle spielt, weil die meisten Projekte vom Government gemacht werden. Da gibt es eher andere Themen, Frauen und Männer werden stärker trennt. Also Frauen dürfen nur Frauen und Männer nur Männer überwachen. Das Datenschutzthema gibt es dort nicht. Aber Saudi Arabien ist jetzt kein Überwachungsstaat.

Aus welchen Ländern verzeichnen Sie im Moment die größte Nachfrage?
Das ist die DACH-Region, also Österreich, Deutschland, Schweiz. Wir sehen auch, dass Osteuropa wieder kommt. In Saudi Arabien und Middle East haben wir riesige Projekte.

Welche Einrichtungen haben das größte Interesse an Ihren Lösungen?
Generell die wichtigsten Branchen für uns sind Government in verschiedensten Ausprägungen. Wir haben das Wiener Wohnen-Projekt in Wien, das eines der grö0ten Projekte in Zentral-Europa ist, das derzeit läuft. In Middle East ist fast jedes Projekt Government. In Abu Dhabi mit Siemens, in Saudi Arabien mit dem Ministry of Iternal Affairs. Das zweite wichtige Thema ist der Handel. Wir machen Geschäfte mit Kika in ganz Zentraleuropa, mit Benneton, in Skandindavien mit T.Hansen und sind in Diskussion mit Louis Vuitton. Auch bei Banken steigt das Interesse.

Interessiert Sie als Hersteller dieser Lösungen auch, was tatsächlich überwacht wird?
Natürlich interessiert es uns, was tatsächlich überwacht wird. Nur wenn wir wissen, was die Leute mit unserer Technologie machen, können wir eine gute Technologie erzeugen. Aber wir haben 6000 Installationen, von denen kenne ich vielleicht 100. Das heißt, wir wissen natürlich nicht, was mit unserer Technologie tatsächlich alles gemacht wird. Die meisten, die ich kenne, sind absolut ok. Wir machen sehr wenig im Bereich Army Defence, das ist ein kritischer Bereich. Ich kenne kein einziges unserer Systeme, mit dem verdeckt überwacht wird. Dafür sind wir auch nicht geeignet.

Warum nicht?
Weil wir uns nicht darauf spezialisiert haben. Da muss man ein spezielles Know-How haben, das haben wir nicht und wollen wir auch nicht haben.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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