Digital Life

Alltag und Technik im Röntgenblick

Begonnen hat alles mit einer Cola-Dose. Für eine TV-Show wurde Veasey gefragt, ob er nicht ein Röntgenbild des Softdrink-Behälters anfertigen wolle. Nick Veasey, der zuvor als Fotograf und Werber tätig war, willigte ein und war von den Möglichkeiten der Röntgenaufnahmen sofort angetan. "Die Apparatur hat mich begeistert", sagt Veasey zur futurezone.

Seither hat er mehrere hundert Aufnahmen von Objekten und Pflanzen angefertigt - das Spektrum reicht von Lilien und Seegras über Spielzeug und Unterwäsche bis hin zu Motorrollern, Autos und einer Boeing 777. Am Kunstmarkt erzielen seine Werke Preise bis zu 10.000 Euro. Ab Samstag bis zum 4. Juni sind Veaseys Arbeiten im Atelier Jungwirth in Graz und in ausgewählten Grazer Schaufenstern zu sehen.

"Innere Schönheit"
Veasey macht sich die Röntgenapparatur, die in Krankenhäusern und im Grenzschutz zum Einsatz kommt, dazu zu nutze, um versteckte Schönheit und Struktur natürlicher und kultureller Objekte zum Vorschein zu bringen. "Ich will die innere Schönheit der Welt um uns herum sichtbar machen", sagt Veasey: "Röntgenbilder legen die die Art und Weise offen wie Dinge gemacht wurden, egal ob von der Natur oder vom Menschen."

Seine Arbeit mit Röntgenapparaten sieht Veasey auch als eine Form der Aufrichtigkeit. "Sie zeigt die Welt, wie sie wirklich ist. Das Ausblenden der Oberfläche führt zu einer aufrichtigen und oft auch aufschlussreichen Repräsentation des Alltäglichen."

Unmittelbarkeit
Veaseys Arbeiten kommen auch in der Werbung, etwa für den Unterwäschehersteller Victoria`s Secret, auf Software-Verpackungen von Adobe und auf einem Plattencover der britischen Band Supergrass zum Einsatz. Die kulturelle Faszination am Blick unter die Oberfläche erklärt sich Veasey damit, dass es den Leuten wohl gefalle, das Gewohnte im Röntgenblick neu zu entecken: "Fragen werden auf unmittelbare, visuelle Art beantwortet." Das Unmittelbare sei auch ein elementarer Aspekt seiner Arbeit, erläutert Veasey: "Man muss sich nicht anstrengen, um meine Kunst zu genießen. Es genügt, die Bilder einfach anzusehen. Wenn man aber näher hinsieht, gibt es viel zu entdecken."

Hohe Dosen
Für seine Bilder benötigt er Aufnahmen in hoher Auflösung. Seine Objekte bestrahlt er deshalb bis zu einem Tag lang. Im Vergleich dazu beträgt die Dauer einer Röntgenbestrahlung in Spitälern nicht länger als zwei Zehntelsekunden. Lebewesen kommen daher für seine  Bilder nicht infrage. Werden Menschen oder Tiere für die Aufnahmen benötigt, kommen Skellette oder Leichen zum Einsatz.

Die Aufnahmen fertigt er großteils in einer mit einer dicken Betonschichten versehenen Baracke außerhalb Londons an. Während der Bestrahlung befindet sich Veasey nicht im Raum. Der Apparat wird von außen bedient. Zum Schutz vor der Verstrahlung trägt er Schutzkleidung und Bleiunterhosen: "Ich will das ganze ja noch länger machen."

Neben Röntgenapparaten, Filmen und Chemikalien verwendet Veasey Scanner und Computer. Die lebensgroßen Röntgenbilder werden eingescannt und im Falle größerer Objekte in Bildbearbeitungsprogrammen zusammengesetzt.

Innenleben einer Boeing 777
Für seinen Blick ins Innenleben einer Boeing 777 fertigte Veasey etwa rund 500 Bilder der einzelnen Komponenten der Maschine an, die ihm vom Hersteller zur Verfügung gestellt wurden.  Am Photoshop wurden die eingescannten Aufnahmen schließlich zum fertigen Bild montiert. Über die technischen Details seiner Arbeit gibt Künstler aber nicht gerne Auskunft. Das Reden darüber sei ihm "zu langweilig und zu deutsch".

Künftig will Veasey auch verstärkt mit Bewegtbildern arbeiten und auch seine Serie zu Ikonen der Konsumkultur fortsetzen. Aber nicht alles funktioniert als Röngtenbild, sagt er:  "Ich habe einmal einen BigMac geröngt und es hat abscheulich ausgesehen."

Nick Veasey, der 1962 in London geboren wurde, experimentiert seit 15 Jahren mit Röntgenapparaten. Für seine Werke wurde er mit zahlreichen Auszeichnungen, darunter den "International Photographer of the Year"-Award ausgezeichnet. Ab Samstag bis 4. Juni ist eine Auswahl seiner Arbeiten im Atelier Jungwirth in Graz (Operngasse 12, 8010) zu sehen.

Links:

Nick Veasey

Atelier Jungwirth

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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