Bangkoks Öffi-Nutzer fahren dicht gedrängt, aber pünktlich
Die thailändische Hauptstadt Bangkok hat in den vergangenen Jahrzehnten ein rasantes Bevölkerungswachstum erlebt. 1947 lebten noch knapp zwei Millionen Menschen im Großraum Bangkok, 2015 sind es knapp 20 Millionen. Das gleichzeitig stark gestiegene Verkehrsaufkommen führte zu großen Problemen. Mitte der 90er-Jahre entschloss sich die Stadt dafür, ein schienengebundenes öffentliches Verkehrsnetz zu errichten.
Gesucht wurde ein Auftragnehmer, der genügend Know-How mitbrachte, um sowohl die Errichtung als auch den laufenden Betrieb des Öffi-Netzes sicherzustellen. Dabei entschied sich die Verwaltung für Siemens. Das Unternehmen aus dem vermeintlich teuren Europa konnte ein schlüsselfertiges (Turnkey-)System anbieten. Nun, einige Jahre später, hat Siemens bei einer Veranstaltung in Bangkok die Ergebnisse seiner Aktivitäten in Bangkok präsentiert. Die futurezone war vor Ort.
Drei Betreiber, vier Linien
1994 veröffentlichten Bangkoks Stadtplaner einen Masterplan für den Aufbau eines Öffi-Systems. 1999 nahm Siemens die erste Linie in Betrieb. Der so genannte Skytrain ist eine Art Stadtbahn, die auf Stelzen durch die Stadt führt. Mittlerweile gibt es zwei Skytrain-Linien, die täglich mehr als 600.000 Fahrgäste transportiert. Betrieben wird der Skytrain von Bangkok Transit System (BTS).
Im Mai 2004 wurde die erste U-Bahn-Linie der Stadt eröffnet. Sie befördert heute 250.000 Fahrgäste pro Tag. Der Betreiber ist die Mass Rapid Transit Authority (MRTA). 2010 wurde außerdem eine Expresszuglinie vom Stadtzentrum zum Flughafen Suvarnabhumi in Betrieb genommen. Dieselbe Strecke wird für die City Line, eine Art S-Bahn durch die Vororte zwischen Innenstadt und Flughafen, genutzt. Diese Linien werden von der thailändischen Staatsbahn SRT betrieben. Zwischen den einzelnen Linien gibt es mehrere Umstiegsmöglichkeiten.
Siemens hat sowohl Züge und Schieneninfrastruktur geliefert, als auch deren laufende Wartung übernommen. In den vergangenen Jahren wurde ein Zuverlässigkeitswert von 99,96 Prozent erreicht. Mit derart wenigen Ausfällen kann sich das öffentliche Verkehrsnetz von Bangkok mit solchen in reichen Industrieländern vergleichen. Dass die Bevölkerung diese Zuverlässigkeit freudig annimmt, davon konnten wir uns bei einer Fahrt im Verkehrsnetz überzeugen. Die Züge sind voll, gut klimatisiert und pünktlich.
Ausbauplan bis 2029
In den kommenden Jahren soll das öffentliche Schienenverkehrsnetz von Bangkok weiter ausgebaut werden. Die Stadt soll weitere U-Bahn- und Schnellbahnlinien erhalten. Neben Siemens wird dazu ein weiterer Schienenfahrzeughersteller aktiv werden. Bis 2019 will Bangkok insgesamt acht Milliarden Euro in den Ausbau investieren. Für die Zeit bis 2029 existiert bereits ein weiterer Zehnjahresplan. Die Fortführung der Betriebs- und Wartungsleistungen von Siemens für die bestehenden Linien wurde bereits vertraglich fixiert.
"Wir haben mit den drei Turnkey-Projekten für den Schienennahverkehr in Bangkok gleich dreifach unsere Kompetenz und Qualität als Weltmarktführer bei schlüsselfertigen Systemen untermauern können", sagt Jochen Eickholt, Chef der Siemens-Sparte Mobility bei der Veranstaltung in Bangkok. "Wir haben bewiesen, dass wir komplette Bahnsysteme für den Nahverkehr selbst in knapp kalkulierten Projektzeiten pünktlich und zuverlässig auf die Schienen stellen können."
Dass sich Bangkok als Großstadt eines Schwellenlandes beim Ausbau seines Öffi-Netzes an ein Unternehmen aus dem vermeintlich teuren Europa wendet - anstatt beispielsweise an China - wird als wenig ungewöhnlich betrachtet. Siemens kann als eines von wenigen Unternehmen sämtliche notwendigen Dienstleistungen und Produkte aus einer Hand anbieten. Außerdem kann das Unternehmen auf einige ähnliche Projekte rund um den Globus verweisen. Im saudiarabischen Riad wird derzeit etwa ein komplettes U-Bahnnetz aus dem Boden gestampft. Siemens steuert zwei ganze U-Bahnlinien bei.
Schienenverkehr im Wachstum
Der Schienenverkehr im Allgemeinen spielt in Thailand noch eine eher untergeordnete Rolle. Nur zwei Prozent des gesamten Verkehrs finden auf der Schiene statt. 96 Prozent aller Strecken im Land sind eingleisig. Die thailändische Staatsbahn SRT arbeitet daran, diesen Zustand in Zukunft stark zu verändern. In mehreren Bauprojekten sollen in einem ersten Schritt zweigleisige Strecken entstehen. Zur Errichtung sind japanische und chinesische Partner im Gespräch. Danach könnte es sogar zur Errichtung von Hochgeschwindigkeitslinien kommen.
Diesbezügliche Pläne wechseln allerdings je nach Regierung, erzählt der Regierungsberater Nakorn Chantasorn. Die Bevölkerung sei außerdem noch stark an den Straßentransport gewöhnt. Auch die Landnutzung sei stark an die Straße gebunden. "Eine schienenorientierte Umgebung braucht einige Zeit, um sich zu formen", meint Chantasorn. Dennoch genießt der Ausbau der Transportinfrastruktur hohe Priorität in der öffentlichen Verwaltung.
Auch Siemens will in diesem Bereich kräftig mitmischen. Das deutsche Unternehmen hat in Thailand ein eigenes Kompetenzzentrum für Schienenverkehrstechnologien gegründet, das als Sprungbrett in den gesamten ASEAN-Wirtschaftsraum dienen soll. Der Siemens-Standort Thailand soll aber auch der Verbreitung weiterer Siemens-Angebote dienen, unter anderem im Stromversorgungs- und Gesundheitsbereich.
Die Kosten des futurezone-Besuchs in Bangkok wurden von Siemens übernommen.