Chinesische Kampf-Drohnen wurden als Windturbinen geschmuggelt
Alles was Flügel hat… ist ein Windrad? Der Schmäh hat bei einem Fund der italienischen Behörden nicht gezogen.
In Schiffscontainern, die für Libyen bestimmt waren, befanden sich Teile für Windturbinen. Nur waren diese Windturbinen in Wirklichkeit getarnte militärische Drohnen, die üblicherweise mit Raketen und Bomben bewaffnet sind.
2 Drohnen samt Kontrollstationen beschlagnahmt
Passiert ist das Ganze schon am 18. Juni im Hafen von Gioia Tauro. Ans Licht kam der Vorfall jetzt durch einen Bericht von The Times, die sich auf Informationen von nicht näher genannten Quellen beruft.
Demnach hatten die italienischen Behörden einen Tipp der USA bekommen. Tatsächlich befanden sich auf der MSC Arina, die von China nach Libyen fuhr, verdächtige Güter. In 3 Schiffscontainern befanden sich Geräte und Komponenten, die als Windturbinen-Teile beschriftet daran.
Tatsächlich war es eine zerlegte chinesische Drohne des Typs Wing Loong II. In den Containern waren auch 2 Kontrollstationen für die Drohne. Diese verstoßen gegen das UNO-Embargo für Waffenlieferung an Libyen.
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Eine Woche später wurden erneut 3 Schiffscontainer von den italienischen Behörden aufgegriffen, diesmal an Bord der MSC Apolline. Geladen war wieder eine Wing Loong II samt den benötigten Teilen und Kontrollstationen.
Beide Drohnen waren gut eingepackt. Außerdem hatten sie eine weiße Folienschicht, deren Farbe den typischen weißen Lack von Windrädern imitieren sollte. Darauf war in großen grünen Buchstaben zu lesen „the energy-saving world“, um die Illusion zu verstärken, dass es eine Windturbine und keine bombenabwerfende Drohne ist.
Das Gegenstück zur MQ-9 Reaper
Die Wing Loong II ist das chinesische Gegenstück zur amerikanischen MQ-9 Reaper. Zusammengebaut ist die Wing Loong II 11 Meter lang und hat eine Flügelspannweite von 20,5 Metern. Das maximale Startgewicht beträgt 4,2 Tonnen.
Sie erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 370 km/h, ist aber üblicherweise mit 200 km/h unterwegs. So kann sie für bis zu 32 Stunden in der Luft bleiben, bevor sie zum Flugfeld zurückkehren muss.
Per Satellitenkommunikation kann die Wing Loong II über 1.000 Kilometer von der Einsatzzentrale entfernt sein, von der aus sie ferngesteuert wird. Wird die Bodenstation ohne Satellitenunterstützung oder Relays genutzt, die die Signale weiterleiten, sind es etwa 150 Kilometer.
Die maximale Flughöhe beträgt 9.900 Meter. Üblicherweise ist sie tiefer unterwegs, um ihre Aufgabe als Aufklärungsdrohne zu erfüllen. Dazu hat sie normale Kameras und Infrarot-Kameras sowie diverse Sensoren an Bord.
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Mit Gleitbomben und Raketen bewaffnet
Wie die MQ-9 kann auch die Wing Loong II bewaffnet werden. Bis zu 480 Kilogramm Waffenlast sind möglich. Dazu kann sie mit bis zu 130 Kilogramm schweren Gleitbomben der FT-Serie bestückt werden. Die gängigere Bewaffnung sind Boden-Luft-Raketen, wie etwa die Panzerabwehrraketen AKD-10 Red Arrow und LJ-7 Blue Arrow.
Die Blue Arrow ist etwas neuer und basiert auf der Red Arrow. In der Exportvariante heißt sie BA-7. Das amerikanische Gegenstück zur Blue Arrow ist die Luft-Bodenrakete AGM-114 Hellfire.
Die BA-7 erlangte tragische Bekanntheit, weil damit am 4. Jänner 2020 in Tripoli 26 unbewaffnete Kadetten einer Militärakademie getötet wurden. Die Rakete wurde von einer Wing Loong II abgefeuert, die laut der BBC von den Vereinigten Arabischen Emiraten betrieben und gesteuert wurde.
Ob bei den 2 geschmuggelten Drohnen auch Bomben und Raketen mit dabei waren, geht aus den Berichten nicht hervor. Falls nicht, würden die vermutlich über andere Wege nach Libyen geschmuggelt werden.
Drohnen für die LNA, Öl für China
Der Empfänger der Drohnen dürfte die LNA (Libyan National Army) sein, die von General Chalifa Haftar geführt wird. Sie kontrolliert den Osten des Landes und wird von Ägypten, den Emiraten und Russland unterstützt. Ihr Gegenüber steht die GNA (Government of National Accord) im Westen des Landes, die von der Türkei und Qatar unterstützt wird. Die UNO erkennt die GNA als die legitime Regierung von Libyen an.
Die LNA setzt bereits seit Jahren Wing-Loong-Drohnen gegen die GNA ein. Damals soll sie die von den Emiraten bekommen haben. Seit dem Zwischenfall vom 4. Jänner 2020 dürften die Emirate aber ihre Unterstützung diesbezüglich reduziert haben, weshalb die LNA ihre Drohnen jetzt auf andere Wege ins Land schmuggelt. Russland als Lieferant für Drohnen ebenfalls aus, da diese im Krieg gegen die Ukraine benötigt werden.
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Im April wurden in Kanada 2 Libyer wegen Verschwörung angeklagt. Sie hatten versucht, chinesische Drohnen im Austausch gegen libysches Öl zu kaufen. Beide Männer waren Angestellte der UN-Agentur International Civil Aviation Organization, die im kanadischen Montreal ihr Hauptquartier hat.
Drohnenkrieg in Libyen
Die GNA setzt unter anderem auf Bayraktar-TB2-Drohnen, die von der Türkei geliefert werden. Diese haben eine geringere Reichweite als die Wing Loong II und weniger Traglast, können aber ebenso bewaffnet und für Aufklärungs- und Kampfeinsätze genutzt werden.
Die TB2 wurde bekannt, weil die Ukraine sie in der Anfangsphase des Kriegs erfolgreich gegen Russland einsetzen konnte.
Vor Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine galt der Konflikt in Libyen laut UNO als „der größte Drohnen-Krieg der Welt“. Das ist eine Folge des Bürgerkriegs zwischen der LNA und GNA.
Dabei hatten beide Parteien massive Verluste bei ihren Luftstreitkräften, wodurch ein Machtvakuum bei der Lufthoheit entstanden ist. Kampfjets sind teuer und das Trainieren von Flugzeug-Piloten ist zeitintensiver und aufwändiger als das von Drohnen-Piloten.