NGAD-Konzept von NORTHROP GRUMMAN

NGAD-Konzept von NORTHROP GRUMMAN

© NORTHROP GRUMMAN

Militärtechnik

Stealth-Fighter ist viel zu teuer: Air Force setzt Rotstift bei NGAD an

NGAD ist das Prestige-Projekt der US Air Force. Das Programm Next Generation Air Dominance soll den weltweit ersten Kampfflieger der 6. Generation hervorbringen und die Schlagkraft der US-Streitkräfte fit für die nächsten Jahrzehnte machen.

Dass der Zeitplan, noch vor 2030 die alternde F-22 mit NGAD abzulösen, nicht eingehalten werden kann, dürfte mittlerweile allen Beteiligten klar sein. Zuletzt mehrten sich aber Gerüchte, wonach NGAD überhaupt kurz vor dem Scheitern ist. Jetzt hat sich die Air Force dazu geäußert – was diese Bedenken nicht entschärft, sondern eher erhärtet.

Konzeptbild eines NGAD

Konzeptbild eines NGAD

Downgrade, um Kosten zu reduzieren

Frank Kendall, ziviler Leiter der Air Force, hat mit Defense News gesprochen: „Wir sehen uns das NGAD-Konzept derzeit aus der Perspektive an, ob es das richtige Konzept ist – oder eben nicht. Wir sehen uns auch an, ob wir etwas daraus machen können, das weniger teuer ist, indem wir auf einige Features verzichten.“

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Kendall sagt auch, warum gespart werden muss: „NGAD ist eine sehr teure Plattform. NGAD kostet grob 3-mal so viel wie eine F-35.“ Rüstungsgüter sind immer schwer zu bepreisen, weil sie je nach Tranche und inflationsbereinigt berechnet werden müssen, je nachdem in welchem Jahr die Kosten budgetiert wurden. Aktuellen Zahlen zufolge liegt die F-35 heute bei 80 bis 100 Millionen US-Dollar pro Stück.

NGAD-Konzept von Collins Aerospace

NGAD-Konzept von Collins Aerospace

Ein NGAD kostet demnach zwischen 240 und 300 Millionen US-Dollar. Wenn die US Air Force den ursprünglich Plan beibehält, müssten 183 F-22 ersetzt werden. Das heißt, die Gesamtkosten für NGAD sind bei gut 45 Milliarden US-Dollar.

Kendall zufolge wird sich die Air Force von dieser Idee verabschieden müssen: „Wir können uns nur eine kleine Anzahl an NGAD leisten.“ Angesprochen darauf, wie viel die Air Force vor hat, für einen NGAD zu zahlen, sagt Kendall: „Die Air Force ist noch nicht so weit, um so ein Ziel zu setzen. Am liebsten wäre es mir, wenn der Preis unter der F-35 liegt. Oder, dass der Preis zumindest in der Nähe der F-35 liegt.“

Was ist NGAD?

NGAD ist ein bemannter, einsitziger Stealth-Fighter der 6. Generation. Details zum Programm sind immer noch geheim. Inoffiziell bewerben sich die Rüstungskonzerne Boeing Defense und Lockheed Martin um den Auftrag. Offiziell ist bekannt, dass Northrop Grumman 2023 freiwillig die Bewerbung zurückgezogen hat.

Details zu NGAD sind noch vage. Bekannt ist, dass der Flieger ein adaptives Triebwerk haben soll, das Verbrauch und Flugverhalten automatisch optimiert. Außerdem soll NGAD eng mit KI-gesteuerten Wingman-Drohnen zusammenarbeiten können.

6. Generation

Würde die Air Force ihren Zeitplan einhalten, wäre NGAD weltweit das erste Kampfflugzeug der 6. Generation im Dienst. Zu den noch lose definierten Fähigkeiten eines Gen-6-Fliegers gehören:

  • Tarnkappeneigenschaften und interner Waffenschacht
  • Für Luftkämpfe und Bodenangriffe geeignet
  • Geeignet für elektronische Kriegsführung
  • Erweiterte Datenübertragungsfähigkeiten für das vernetzte Schlachtfeld und Datenübertragung direkt zu Satelliten
  • Kann optional ferngesteuert und mindestens teilautonom mittels KI agieren
  • Helm-Display ist mit Außenkameras verbunden, damit der Pilot „durch das Flugzeug“ durchschauen kann und so eine 360-Grad-Rundumsicht hat
  • Adaptives Triebwerk
  • Erweiterte Gegenmaßnahmen, wie Jammer, Infrarot-Blender und optional Energiewaffen – etwa um anfliegende Raketen per Laser zu zerstören

Adaptives Triebwerk könnte gestrichen werden

Um die Kosten zu drücken, könnten Features gestrichen oder geplante Leistungsmerkmale niedriger angesetzt werden. Dazu könnte das Triebwerk gehören, das eigentlich ein Kernstück des NGAD-Projekts ist. Es soll ein anpassungsfähiges Triebwerk sein, das automatisch in die gerade benötigte Konfiguration wechselt, je nach Flugstil, Geschwindigkeit und Wetter. Das soll Treibstoff sparen und bei Bedarf gleichzeitig mehr Leistung liefern als aktuelle Jet-Triebwerke.

Laut Kendall sieht sich die Air Force an, ob dieses Triebwerk aus Kostengründen aus dem NGAD-Projekt rausfallen könnte. Das Triebwerk wird unter dem Projektnamen NGAP (Next Generation Adaptive Propulsion) entwickelt. Für den Auftrag haben sich GE Aerospace und Pratt & Whitney beworben.

Im April 2024 forderte die Air Force 1,3 Milliarden US-Dollar für ihr Budget, um NGAP innerhalb der nächsten 3 Jahre voranzutreiben. Das sind lediglich Entwicklungskosten – Herstellungskosten für Triebwerke, die in die Serienproduktion des NGAD einfließen, sind nicht enthalten.

Die Entwicklungskosten für NGAD haben es ebenfalls in sich: Für das Fiskaljahr 2025 will die Air Force 2,7 Milliarden US-Dollar dafür ausgeben. Die Kosten werden jährlich ansteigen. Im Fiskaljahr 2029 sollen es 8,8 Milliarden US-Dollar sein.

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Sollte NGAP komplett gestrichen oder verschoben werden, womöglich bis zum Nachfolger von NGAD, könnte die Air Force ordentlich sparen. Zudem hätte es der Hersteller von NGAD, der noch nicht bekannt ist, leichter das Flugzeug zu entwickeln – weil eine bestehende Triebwerktechnologie genutzt wird anstatt einer, die es noch nicht gibt. Dadurch könnte NGAD früher fertiggestellt werden.

Ein Konzept eines Stealth-Fliegers (Symbolbild)

NGAD-Konzept von Northrop Grumman

Wingman-Drohnen mit KI

Neben dem neuen Triebwerk ist eine weitere Kernanforderung von NGAD, dass der neue Stealth-Fighter kompatibel mit CCA ist - Collaborative Combat Aircraft. In diesem Programm werden, parallel zu NGAD, autonome Wingman-Drohnen entwickelt. Im Gegensatz zu bisherigen Kampf-Drohnen der USA, wie etwa die MQ-9 Reaper, soll zumindest eine CCA-Drohne die Form eines Stealth-Fighters haben. Das ist nötig, damit sie im Verbund mit NGAD agieren und dessen menschliche Piloten bei Luftkampf und Bodenangriffen unterstützen kann.

Überraschenderweise hat Kendall hier gesagt: „Etwas zu haben, das optimiert für den Einsatz von CCAs ist, ist eine weitere Überlegung für NGAD.“ Das klingt nicht mehr so, als sei CCA fix mit NGAD verknüpft.

Die Schwierigkeit bei der Kombination NGAD/CCA ist, dass es NGAD eben noch nicht gibt. Selbst, wenn die Spezifikationen und Systeme von NGAD bald feststehen, können sich diese in der Entwicklungsphase laufend ändern – und CCA müsste jedes Mal neu dafür angepasst werden. CCA soll auch mit den F-35A der Air Force kompatibel gemacht werden. Das dürfte weit schneller gehen, da man mit den bestehenden Systemen des Stealth-Fighters arbeiten kann.

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Die XQ-58A ist eine Test-Drohne, mit der die Air Force Technologien für CCA erprobt

Mögliche Alternativen zu NGAD

Die aktuellen Pläne der Air Force sehen vor, dass NGAD 2028 zum Jungfernflug abhebt. Sollte das Projekt noch gestrichen werden, was laut Rüstungsexperten immer wahrscheinlicher wird, wird eine Alternative benötigt. Die Air Force machte zuletzt nämlich deutlich, dass an CCA festgehalten wird. Bis zu 1.000 solcher Wingman-Drohnen wollte sie kaufen.

Denkbar wäre, dass statt NGAD eine aufgerüstete F-35A eingeführt wird, um die alternden F-22 zu ersetzen. Theoretisch könnte die Air Force NGAP fertig entwickeln und in die neue F-35 einbauen. Ursprünglich war schon für die F-35A ein adaptives Triebwerk gewünscht, musste aber damals aus Kostengründen gestrichen werden. NGAP kann jedenfalls unabhängig von NGAD weiterexistieren, da die Technologie zukünftig in vielen weiteren Flugzeugen und Drohnen zum Einsatz kommen kann.

Ähnliches gilt für CCA. Die Wingman-Drohnen fliegen auch ohne NGAD. Sinnvoll könnte es sein, wenn die Air Force CCA mit der F-15EX kompatibel macht.

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Die F-15EX ist ein Zweisitzer. Der Waffenoffizier könnte den Drohnen Befehle geben und sich ihre Aufklärungsdaten ansehen, damit der Pilot sich aufs Fliegen konzentrieren kann. NGAD hätte das durch Teilautonomie gelöst. Ist der Pilot mit anderen Aufgaben abgelenkt, kann die KI im Flieger das Steuer übernehmen und bei Gefahr auch selbstständig agieren.

Unwahrscheinlich, aber nicht auszuschließen, ist, dass die Air Force statt NGAD einen anderen Stealth-Fighter entwickelt. Ein Zweisitzer auf Basis der F-35 zum Beispiel, der das adaptive Triebwerk hat. Das wäre aber wieder teuer und würde vom Konzept her nicht die F-22 ersetzen, sondern eher eine Mischung aus F-22 und F-15EX sein.

US Navy hat mit F/A-XX ein eigenes NGAD

Eine andere Option ist, dass die Air Force enger mit der US Navy kooperiert. Die hat mit dem F/A-XX ein eigenes Programm, quasi NGAD für Flugzeugträger. F/A-XX soll ab 2030 die F/A-18 und F-35C ablösen.

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Boeing-Konzept der F/A-XX mit Wingman-Drohne

Boeing-Konzept der F/A-XX mit Wingman-Drohne

Die Navy ist bereits an NGAP beteiligt – da würde es sich anbieten, dass NGAD und F/A-XX wieder zusammengelegt werden, um Kosten zu sparen. Ursprünglich war das sogar der Plan, bevor die Projekte aufgedröselt wurden.

Als Beispiel für die mögliche Kooperation bei NGAD könnte die F-35 dienen. Die Air Force bekam die F-35A, die US Navy die abgeänderte F-35C, die von Flugzeugträgern aus startet.

F-22 Raptor

Die F-22 Raptor gilt als der erste moderne Stealth-Fighter und erste Kampfjet der 5. Generation. Den Erstflug hatte sie 1997. Ganz offiziell wurde sie erst 2005 in Dienst gestellt. 

Ursprünglich wollte die Air Force 750 Stück kaufen – aus Kostengründen wurden es schließlich weniger als 200. Die F-22 ist nur bei der US Air Force im Dienst, sie wurde nie exportiert. Geplant ist, dass die Stealth-Flieger ab 2030 ausgemustert werden.

Produziert wurde die F-22 bis 2011, die letzte wurde 2012 an die Air Force geliefert. Dann war nämlich klar, dass stattdessen die F-35A angeschafft wird.

Optisch sehen sich die beiden sehr ähnlich. Die F-35 hat aber nur ein Triebwerk, statt 2. Das erleichtert sie zu warten und macht sie günstiger. Zur Erinnerung: Die F-35 kostet aktuell ca. 80 bis 100 Millionen US-Dollar. Inflationsbereinigt hat die F-22 191 Millionen US-Dollar pro Stück gekostet.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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