Symbolbild: Eine MiG-29 der slowakischen Luftwaffe

Symbolbild: Eine MiG-29 der slowakischen Luftwaffe

© Łukasz Golowanow/konflikty.pl

Militärtechnik

MiG-29 erstmals bei "Hammer-Wurf" gefilmt: So funktioniert das Manöver

Seit Kurzem geht ein Video durch die sozialen Netzwerke, das für Verwirrung sorgt. Es zeigt eine MiG-29, die im extremen Tiefflug unterwegs ist.

Sie taucht zwischen den Bäumen auf, steigt plötzlich auf und wirft etwas ab, bevor sie genauso schnell abdreht und wegfliegt. Am Himmel bleiben 2 weiße Streifen zurück.

Bomben schupfen

Einige User haben vermutet, dass die MiG-29 von der Luftabwehr erfasst wurde, deshalb aufgestiegen ist und Täuschkörper abgeworfen hat, um anfliegenden Raketen zu entkommen. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um ein spezielles Manöver, um Bomben abzuwerfen.

Man kann es als „schupfen“ bezeichnen. Im Englischen kennt man es als Toss Bombing, Loft Bombing oder Lob Bombing. Der Grundgedanke ist, der Bombe mehr Reichweite zu verleihen.

Das gilt besonders für Gleitbomben, die aufgrund kleiner Flügel „gleiten“ können und so deutlich mehr Reichweite als eine normale Freifallbombe haben. Je schneller und je höher ein Flugzeug beim Abwurf fliegt, desto weiter kann die Gleitbombe gleiten.

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Mehr Reichweite durch Momentum

Das geht aber nicht, wenn man die Lufthoheit nicht hat bzw. der Luftraum, etwa aufgrund von Flugabwehr des Feindes, umstritten ist. Daher wird geschupft. Der Kampfjet nähert sich im Tiefflug, um nicht vom Radar der Luftabwehr erfasst zu werden. Er beschleunigt und zieht nach oben. Im Flug nach oben wird die Gleitbombe abgeworfen. Danach dreht die Maschine sofort ab, und geht wieder in den Tiefflug über, um nicht vom feindlichen Radar erfasst zu werden.

Durch das Momentum des schnellen Aufwärtsfluges, fliegt die Bombe in einer ballistischen Kurve noch weiter nach vorn und oben, bevor die Schwerkraft sie wieder nach unten zieht. Man kann sich die Flugbahn ähnlich wie einen geschlagenen Golfball vorstellen, oder wenn man beim Basketball einen Unterhandwurf riskiert, um auf große Distanz einen Korb zu machen.

Safran, der Hersteller der Gleitbombe Hammer, zeigt das Prinzip in dieser Grafik. Kann man nicht hoch fliegen, weil man in Reichweite der Langstrecken-Flugabwehr wäre, fliegt man tief unter dem Radar. Dort schupft man die Bombe Richtung Ziel, bevor man in Reichweite von schultergestützter Luftabwehr oder anderer Kurzstrecken-Luftabwehr kommt.

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Grün unterlegt ist das Toss Bombing

Grün unterlegt ist das Toss Bombing

Französische Hammer

Bei der Bombe im Video handelt es sich nicht eine gewöhnliche Gleitbombe. Es ist eine AASM Hammer, die der Ukraine von Frankreich zur Verfügung gestellt wurde.

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Ähnlich wie die amerikanischen JDAM-Bomben ist Hammer ein Nachrüstkit, um Freifallbomben zu smarten Gleitbomben zu machen. Allerdings hat es zusätzlich zu Suchkopf, Leitwerk und ausklappbaren Flügeln, noch einen Raketenantrieb. Die weißen Streifen im Video sind also keine Täuschkörper, sondern die Spuren der Raketentriebwerke der 2 abgeworfen Hammer-Bomben.

Der Raketenantrieb erhöht die Reichweite auf über 60 Kilometer. Der Hersteller Safran gibt zudem explizit den Einsatz in „niedrigen Höhen“ an. Bei optimalen Bedingungen sei hier eine Reichweite von über 15 Kilometern möglich.

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Bombe der 250-Kilogramm-Klasse

Üblicherweise wird Hammer vom französischen Kampfjet Rafale abgeworfen. Der Kampfjet wurde im Jahr 2000 bei den französischen Streitkräften in Dienst gestellt.

Als bekannt wurde, dass Frankreich Hammer zur Verfügung stellen wird, wurde gemutmaßt, dass die Ukraine ihre Flieger aus der Sowjet-Ära damit bewaffnen wird. Die MiG-29, Su-25 und Su-27 wurden etwa auch schon modifiziert, um die US-Gleitbombe JDAM-ER abzuwerfen.

Es ist das erste Mal, dass ein Video eines Einsatzes von Hammer mit einer ukrainischen MiG-29 gefilmt werden konnte. Bei den abgeworfenen Hammer soll es sich um die Standardversion AASM-250 handeln.

Diese nutzt als Basis eine Bombe der 250kg-Klasse, wie etwa die amerikanische Mark 82 oder europäische BANG. Die MK82 ist mit 89 Kilogramm Sprengstoff gefüllt, die BANG 250 mit 70 Kilogramm.

USA wollten Atombomben schupfen

Die Technik des Bombenschupfens gab es schon vor Gleitbomben. Die USA haben Piloten während des Kalten Kriegs trainieren lassen, Atombomben zu schupfen. Der Gedanke dahinter war, dass durch die höhere Reichweite die Piloten mehr Zeit haben, der atomaren Explosion zu entkommen.

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Ein Nachteil der Technik ist, dass es großes Können erfordert, um Bomben gezielt ins Ziel zu schupfen. Selbst dann ist es aufgrund der vielen Faktoren, die Einfluss auf die Flugbahn haben, extrem schwierig, das Ziel zu treffen. Bei einer Atombombe ist das nicht so wichtig: Die richtig auch massive Zerstörung an, wenn das Ziel nicht genau getroffen wird.

Mit Gleitbomben macht das Schupfen mehr Sinn, da sie per GPS und Trägheitsnavigation ins Ziel lenken. Hammer soll laut dem Hersteller eine Präzision zwischen einem und 10 Meter erreichen, je nach Version der Gleitbombe.

Warum keine Marschflugkörper?

Das Bombenschupfen ist dennoch riskant. Aufgrund der geringeren Reichweite, als wenn die Gleitbombe aus großer Höhe abgeworfen wird, muss man näher an die Front. Selbst wenn man unter dem Radar fliegt, erhöht das die Gefahr, entdeckt und beschossen zu werden. Zudem könnte eine schnell aufschaltende Flugabwehr den Kampfjet beim Wendemanöver nach dem Aufstieg erfassen.

Sicherer wäre es, den Marschflugkörper Storm Shadow abzufeuern, den die Ukraine zur Verfügung gestellt bekommen hat. Der hat eine Reichweite von 250 Kilometer und fliegt in niedriger Höhe zum Ziel, um nicht von der Luftabwehr erfasst zu werden.

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Allerdings kosten Storm Shadow und die französische Variante SCALP in der Exportversion gut 2 Million Euro. Eine Hammer liegt bei etwa 165.000 Euro. Storm Shadow wird deshalb für besonders wichtige strategische Ziele genutzt, während Hammer für reguläre Luftunterstützung genutzt wird, etwa zum Bekämpfen von feindlichen Verteidigungsstellungen.

Hammer ist auch kleiner und leichter als Storm Shadow und schneller zu bauen. Daher kann Hammer in höherer Stückzahl an die Ukraine geliefert werden.

Hubschrauber-Artillerie und Sturzkampfbomber

Eine ungewöhnliche Form des Tossings wird in der Ukraine von Kampfhubschraubern beider Seiten eingesetzt. Sie fliegen im Tiefflug und ziehen die Nase kurz nach oben, um mehr Reichweite mit ihren ungelenkten Raketen zu erzielen. Als Salve abgefeuert, werden sie so zu einer Raketenartillerie – mit wahrscheinlich wenig Präzision.

Das krasse Gegenteil von Toss Bombing sind Sturzkampfflugzeuge. Hauptsächlich im Zweiten Weltkrieg wurden die Bomben im Sturzflug abgeworfen, mit 70 bis 90 Grad Neigung.

Oben die normale Flugkurve einer Bombe, unten bei einem Sturzkampfbomber

Durch den steilen Winkel fliegt die Bombe sehr nahe der Flugrichtung, wodurch sie präziser wird. Das bekannteste Beispiel eines Sturzkampfbombers („Stuka“) ist die Junkers Ju 87.

Die USA nutzten die Douglas SBD Dauntless im Zweiten Weltkrieg als Sturzkampfbomber. Sie kam vorrangig bei Flugzeugträgern und Stützpunkten im Pazifik zum Einsatz.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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Gregor Gruber

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