Taiwanische Fischer entdecken chinesisches Atom-U-Boot vor der Küste
Dass chinesische Flugzeuge in Taiwans Luftraum eindringen, ist mittlerweile schon Alltag. Dass ein chinesisches Atom-U-Boot in der Meerenge zwischen Taiwan und China auftaucht, kommt allerdings nicht oft vor.
Wie taiwanische Medien berichten, haben genau das Fischer beobachtet. Sie waren unterwegs, um Kalmare zu fangen. Plötzlich tauchte das chinesische Atom-U-Boot auf – in einem Gebiet, indem die Meerestiefe lediglich 45 Meter beträgt. Kurz nach dem Auftauchen fuhr ein Kriegsschiff zu dem U-Boot. Beide fuhren zusammen Richtung chinesisches Festland weiter.
➤ Mehr lesen: Chinesisches U-Boot zerstört Landungsschiff mit Torpedo
Möglicherweise ein Defekt
Dies deutet darauf hin, dass es ausnahmsweise keine Provokation oder Drohgebärde Chinas war. Es ist üblich, Atom-U-Boote vor der Küste von anderen Nationen auftauchen zu lassen, um zu signalisieren, dass man jederzeit einen Atomangriff starten könnte. In diesem Fall würde aber kein Begleitschiff in der Nähe sein, weil das den Überraschungseffekt schmälert.
Außerdem befand sich das chinesische U-Boot westlich der Mitte der Formosastraße (Meerenge zwischen China und Taiwan), also näher an der chinesischen als an der taiwanischen Küste. Laut den Koordinaten der Fischer war das U-Boot zum Zeitpunkt des Auftauchens in etwa 180 Kilometer vor der taiwanischen Hauptinsel entfernt und knapp 50 Kilometer vom chinesischen Festland. Überraschend wäre eine Bedrohung von dieser Seite für Taiwan also nicht, da man ohnehin damit rechnet, dass der Großteil eines chinesischen Angriffs von Richtung des Festlands aus erfolgen würde.
➤ Mehr lesen: U-Boot aus Titan: Warum Russlands Alfa-Klasse gefürchtet war
Abgesehen von Drohgebärden, versuchen Atom-U-Boote so lange wie möglich Unterwasser zu bleiben. Jede aufgetauchte Fahrt bietet Feinden nämlich die Möglichkeit, Fahrtrouten und -zeiten zu analysieren. Bei möglichen Konflikten könnte das ein entscheidender Vorteil sein, etwa um Seeminen oder Jagd-U-Boote strategisch zu platzieren.
Typ 094 ist mit Atomraketen bestückt
Anhand der Fotos der Fischer ist klar, dass es sich um ein Typ 094 Atom-U-Boot (Jin-Klasse) handelt. Theoretisch könnte es noch eine Typ 094A sein, das leicht verbessert wurde. Soweit am Foto ersichtlich sieht der Turm des U-Boots aber wie der eine reguläre 094 aus.
Soweit bekannt ist, hat China 4 Typ 094 und 2 Typ 094A im Einsatz. Die erste Typ 094 wurde 2007 an die chinesische Marine geliefert. Getaucht beträgt die Verdrängung 11.000 Tonnen. Sie ist 137 Meter lang und hat eine Besatzung von bis zu 140 Mann. Die Reichweite ist aufgrund des Atomantriebs theoretisch unendlich.
➤ Mehr lesen: Frankreich startet Produktion von neuem Atom-U-Boot
JL-2 mit mehr als 7.000 Kilometer Reichweite
Die USA bezeichneten damals die Typ 094 als erstes Atom-U-Boot Chinas, das Teil der seebasierten Nuklearstrategie ist. Dazu hat die Typ 094 12 Startröhren für ballistische Raketen. Die Standardbewaffnung ist die JL-2. Seit Dezember 2015 patrouillieren die Typ 094s mit dieser Rakete.
Die Rakete wiegt 42 Tonnen und ist 13 Meter lang. Die Reichweite beträgt 7.200 Kilometer. Die JL-2 ist üblicherweise mit einem nuklearen Gefechtskopf ausgestattet. Dieser hat eine Sprengkraft von einer Megatonne. Zum Vergleich: Die Atombombe, die die USA auf Hiroshima abwarfen, hatte eine Sprengkraft von 13 Kilotonnen (0,013 Megatonnen).
Alternativ kann die JL-2 mit MIRV-Mehrfachsprengkörpern bestückt werden. Bis zu 8 Stück mit jeweils bis zu 150 Kilotonnen soll eine JL-2 tragen können. Zum Abfeuern der JL-2 muss die Typ 094 nicht vollständig auftauchen. Am Anfang des folgenden Videos (0:36) seht ihr, wie eine Typ 094 bei einer Übung die Raketen abfeuert.
Seit 2022 wird die JL-2 nach und nach durch die Nachfolgerakete JL-3 im Typ 094s ersetzt. Zu dieser sind nur wenige Informationen bekannt. So soll die Reichweite bis zu 10.000 Kilometer betragen. Standardmäßig soll sie einen nuklearen Gefechtskopf mit 3 oder mehr MIRVs haben. Die Sprengkraft ist nicht bekannt.
➤ Mehr lesen: Totale Vernichtung: USA überlegen Rückkehr zur zerstörerischsten Atomwaffe
Grund des Auftauchens unbekannt
Ob das U-Boot wirklich ein Problem hatte, ist derzeit nicht bekannt. China äußert sich meist nicht zu Problemen seiner Armee. Jedenfalls ist es riskant, mit einem Atom-U-Boot in einem Gebiet zu tauchen, das stellenweise nur 45 Meter tief ist. Das Auftauchen könnte also einfach der Sicherheit geschuldet gewesen sein.
2021 wurde eine ähnliche Bewegung eines chinesischen Atom-U-Boots in der Formosastraße beobachtet. Und schon damals fragte man sich, warum es diese Route gewählt hat.
Diese Route ist die kürzeste Verbindung zwischen Chinas U-Boot-Basis auf einer der Hainan-Inseln im Süden und den großen Docks im Norden. U-Boote werden von der Basis zu den Docks üblicherweise für größere Reparaturen oder Umrüstungen verlegt.
Allerdings könnten die U-Boote auch östlich um Taiwan herumfahren, anstatt durch die flache und durch zivile Schifffahrt stark befahrene Formosastraße. Östlich von Taiwan sind Tiefen mit weit mehr als 500 Meter vorhanden. Womöglich gab es dringende Wartungsarbeiten und das U-Boot wurde deshalb angewiesen, die kürzeste und sicherste Route ins Dock zu nehmen.
Kommentare