Der Tu-22 kann 2 FAB-3000 M54 im Waffenschacht führen

Der Tu-22 kann 2 FAB-3000 M54 im Waffenschacht führen

© Russisches Verteidigungsministerium / Wikimedia Commons

Militärtechnik

Russland wirft größte Gleitbombe der Welt auf Ukraine ab

Russland hat erstmals die schwerste Gleitbombe in seinem Arsenal eingesetzt. Ein Video, das zuerst vom bekannten pro-russischen Blogger Fighterbomber veröffentlicht wurde, zeigt die Detonation.

Auf dem Video ist eine gewaltige Explosion zu sehen. Die Gleitbombe selbst ist nur winzig und verschwommen in 2 Frames zu erkennen. Sie fliegt von links unten heran. Das Ziel soll das 3-stöckige Gebäude gewesen sein, indem sich angeblich ukrainische Truppen verschanzt hatten.

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Zielgebäude war ein Krankenhaus

Obwohl das Ziel knapp verfehlt wird, ist in dem Video deutlicher Schaden am Gebäude und den umliegenden Häusern zu sehen. Der Angriff fand im Dorf Lyptsi statt, das nur knapp 15 Kilometer von der russischen Grenze entfernt ist.

Bei dem Zielgebäude handelt es sich um ein Krankenhaus. Vermutlich war es zum Zeitpunkt des Angriffs bereits geschlossen und evakuiert. Ob wirklich ukrainische Truppen das Krankenhaus als Vorposten genutzt haben, so wie es Fighterbomber behauptet, ist nicht bekannt.

Das beschossene Gebäude auf Google Maps

Das beschossene Gebäude auf Google Maps

Größte aktive Gleitbombe

Dies wäre der erste dokumentierte Einsatz der FAB-3000 M54 mit dem UMPK-Nachrüstsatz, der sie zur Gleitbombe macht. Anhand des Videos ist nicht eindeutig identifizierbar, ob es wirklich diese Gleitbombe oder eine andere Waffe war. Fighterbomber ist aber üblicherweise gut informiert und die Zerstörungskraft, mangelnde Präzision und der Abwurfort nahe der russischen Grenze, sind Indizien für die FAB-3000 M54.

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Bei der FAB-3000 M54 mit UMPK-Nachrüstsatz dürfte es sich aktuell um die schwerste Gleitbombe im aktiven Einsatz bei einer Armee handeln. Wie der Name sagt, gehört sie zur 3.000-Kilogramm-Klasse. Das tatsächliche Gesamtgewicht mit UMPK liegt zwischen 3,1 und 3,3 Tonnen, eine präzise Angabe von Russland dazu gibt es nicht.

Der damals russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu inspiziert FAB-3000 M54

Der damals russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu inspiziert FAB-3000 M54

Je nach Quelle wird die Menge des Sprengstoffs der FAB-3000 mit 1,1 bis 1,4 Tonnen angegeben. Weder die USA noch China haben eine Gleitbombe im aktiven Einsatz, die dem nahekommt. Die schwerste JDAM-Gleitbombe der USA, die GBU-31, gehört zur 1-Tonnen-Klasse und ist mit 429 Kilogramm Sprengstoff gefüllt.

Bomben bekommen Flügel

Das russische UMPK ist dem amerikanischen JDAM nachempfunden. Es ist ein Nachrüstkit, das aus alten Freiballbomben, die sich noch zuhauf in den Lagern befinden, Gleitbomben macht. So kann man relativ günstig aus Altbeständen Lenkwaffen machen. Ein UMPK soll lediglich 25.000 US-Dollar kosten.

Ein JDAM kostet in etwa 30.000 US-Dollar. Beides ist deutlich günstiger als eine Luft-Boden-Rakete oder ein Marschflugkörper, deren Kosten mehrere hunderttausend Dollar bis zu über einer Million Dollar betragen können.

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UMPK und JDAM bestehen aus Gleitflügeln (werden nach dem Abwerfen ausgeklappt), einem Leitwerk und einem Zielsystem auf Basis von Satellitennavigation und Trägheitsnavigation – falls das Satellitensignal ausfallen sollte. Letzteres könnte der Grund gewesen sein, warum die Bombe das Ziel nicht ganz genau getroffen hat. Womöglich setzt die Ukraine in der Gegend Jammer ein, um russische Waffen mit Satellitennavigation zu stören.

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M54 ist eine schlechte Wahl für eine Gleitbombe

Wahrscheinlicher ist aber, dass die UMPK FAB-3000 M54 prinzipiell unpräzise ist. Schon die leichteren UMPK FABs, mit 500, 1.000 und 1.500 Kilogramm Gewicht, sollen nicht besonders präzise gewesen sein, als Russland begonnen hat sie einzusetzen. Angeblich wurden die Kits in der Zwischenzeit angepasst und verbessert.

Die FAB-3000 könnte also noch Kinderkrankheiten haben. Womöglich wurde deshalb für den ersten Einsatz ein möglichst großes Ziel gewählt, weil sich Russland bewusst ist, dass es Präzisionsprobleme geben könnte. Alleine aufgrund von Größe und Gewicht: 3 Tonnen agil durch die Luft zu steuern ist schwieriger, als 500 kg zu bewegen.

FAB-3000 M54 (ohne UMPK)

FAB-3000 M54 (ohne UMPK)

Hinzu kommt, dass die FAB-3000 M54 eine ziemlich schlechte Wahl für eine Gleitbombe ist. Die 1954 eingeführte Bombe wurde designt, um aus den Waffenschächten von Bombern abgeworfen zu werden. Deshalb muss sie nicht aerodynamisch sein. Daher gleitet sie schlechter und ist im Flug schwieriger zu steuern.

FAB-3000 M54 im Bombenschacht eines Tu-22

FAB-3000 M54 im Bombenschacht eines Tu-22

Für seine ersten UMPKs hat Russland die FAB-Bomben der M62-Serie genommen. Diese sind aerodynamischer, weil sie gedacht sind, um unter den Tragflächen von Kampfflugzeugen transportiert zu werden.

Eine FAB-500 M62 (vorne)

Eine FAB-500 M62 (vorne)

Die FAB-1500 und FAB-3000 gibt es aber nicht in der M62-Ausführung. Russland hatte damals genug große Bomber, da machte es wenig Sinn, diese schweren und großen Bomben für kleinere Kampfflugzeuge zu adaptieren. Eine MiG-23, die 1967 ihren Erstflug hatte und in der B-Variante als Jagdbomber genutzt wurde, hatte etwa nur eine Traglast von 3 Tonnen für Waffen.

Gleitbomben können nur schwer abgewehrt werden

Dennoch setzt Russland die FAB-1500 M54 mit UMPK in der Ukraine ein. Erste Berichte davon tauchten im Frühling 2024 auf.

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Generell sind Gleitbomben ein großes Problem für die Ukraine. Sie werden außerhalb der Reichweite der Luftabwehr abgeworfen. Das Abfangen der Gleitbomben selbst mit Luftabwehr ist schwierig.

Die Bomben sind meist kleiner als Marschflugkörper und haben eine geringere Infrarot-Signatur, weil sie nicht über ein Raketentriebwerk verfügen. Zudem fliegen sie schneller als die üblichen russischen Kamikaze-Drohnen. Und weil UMPKs günstig und schnell zu produzieren sind, kann Russland eine große Menge von Gleitbomben einsetzen.

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Der entscheidende Vorteil der Gleitbomben

Dass die FAB-3000 zur Gleitbombe wird, ist seit März 2024 bekannt. Davor wurde bereits vermutet, dass Russland das anstrebt. Russland hat nämlich die Produktion der alten Bomben wieder aufgenommen. Dass sie als ganz normale Freifallbomben genutzt werden, galt als unwahrscheinlich, da die russischen Bomber sonst in Reichweite der ukrainischen Luftabwehr sind.

Das ist nämlich der entscheidende Vorteil einer Gleitbombe gegenüber einer normalen Bombe: die Reichweite. Bei modernen gelenkten Freifallbomben ist die Reichweite ungefähr 15 km. Bei Gleitbomben kann sie bis zu 75 km betragen, abhängig davon, wie groß und schwer die Bombe ist und aus welcher Höhe sie mit welcher Geschwindigkeit abgeworfen wird. Kleine, aerodynamische Bomben, die aus großer Höhe mit hoher Geschwindigkeit abgeworfen werden, fliegen am weitesten.

Die FAB-3000 M54 mit UMPK dürfte keine besonders große Reichweite haben. Vermutlich sind es 20 km oder weniger. Das ist dennoch besser, als mit einer altmodischen Freifallbombe ohne jeglichen Gleiteigenschaften direkt über dem Ziel fliegen zu müssen.

Da das Ziel des Angriffs nahe an der russischen Grenze war, kann man davon ausgehen, dass die Bombe im russischen Luftraum abgeworfen wurde und über die Grenze zum Ziel geglitten ist. Russland nutzt diese Stand-Off-Taktik auch mit kleineren Gleitbomben, Luft-Boden-Raketen und luftgestarteten Marschflugkörpern, um die Waffen außerhalb der Reichweite der ukrainischen Luftabwehr zu starten.

Welche Flugzeuge die FAB-3000 M54 abwerfen können

Mit welchem Flugzeug die FAB-3000 M54 abgeworfen wurde, ist nicht bekannt. Rein von der Traglast her könnten viele russische Kampfjets die FAB-3000 M54 nutzen – allerdings müssen auch die Waffenaufhängungen (Hardpoints) für das hohe Gewicht geeignet sein. Der Jagdbomber Su-34 kann etwa die FAB-1500 abwerfen. Üblicherweise hat die Su-34 aber keine Waffen geladen, die mehr als 2 Tonnen pro Stück wiegen.

Denkbar ist, dass die FAB-3000 M54 von einer MiG-31K abgeworfen wurde. Die MiG-31K wird genutzt, um die Hyperschallrakete Kh-47M2 Kinzhal zu starten, die 4,3 Tonnen wiegt. Mit einer Dienstgipfelhöhe von 25 km und einer Geschwindigkeit von bis zu Mach 2,83, würde sie zudem gut Höhe und Geschwindigkeit machen, um der FAB-3000 M54 ausreichend Reichweite zu verleihen.

Die offensichtliche Wahl wäre der Tu-22 Bomber. Der kann 2 FAB-3000 M54 in seinem Waffenschacht transportieren. Allerdings ist nicht klar, ob das auch noch gilt, wenn das UMPK an der Bombe befestigt ist. Womöglich passt dann nur noch eine FAB-3000 rein oder gar keine, falls das UMPK die Bombe zu lang macht. 

Außerdem hat Russland aktuell nur 58 aktive Tu-22. Ein Einsatz so nahe an der Front, mit einer womöglich nicht gänzlich erprobten Waffe, scheint da riskant.

Deshalb dürfte auch der Bomber Tu-160, vom den nur aktuell 15 Stück einsatzfähig sein sollen, nicht infrage kommen.

Vom Tu-95 sind zwar auch nur 47 Stück aktiv, der könnte aber schon wegen seiner geringen Geschwindigkeit nicht zum Abwurf der schweren Gleitbombe geeignet sein: Er schafft nur Mach 0,75.

Möglicherweise nur eine Propagandawaffe

Militäranalysten zweifeln an der Sinnhaftigkeit der FAB-3000 M54. Die geringe Reichweite und die anscheinend noch nicht ausreichend vorhandene Stückzahl (sonst müsste Russland nicht die Produktion erneut aufnehmen), sowie die starke Einschränkung bei Flugzeugen, die sie abwerfen können, sind Faktoren, die den Einsatz einschränken. Die FAB-3000 M54 Gleitbombe könnte dadurch eher eine Propagandawaffe als ein taktisches Instrument sein.

Allerdings benötigt die Ukraine dringend Nachschub an Munition, speziell für die Luftabwehr. Je länger es dauert, bis die Hilfslieferung ankommen, desto einfacher haben es russische Flugzeuge, im ukrainischen Luftraum zu agieren. Kommen die Kampfflieger nahe genug heran, könnte die FAB-3000 M54 große Zerstörung bei ukrainischen Verteidigungsstellungen verursachen und so den russischen Bodentruppen eine Bresche schlagen.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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Gregor Gruber

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