Blick in den Plenarsaal im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates im Juli 2025

Blick in den Plenarsaal im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates im Juli 2025

© APA/GEORG HOCHMUTH

Digital Life

Rede mit KI-Avatar im österreichischem Parlament: So funktioniert es

Wenn ÖVP-Mandatar Klaus Fürlinger bei der heutigen Plenarsitzung im österreichischen Parlament am Rednerpult ist, wird seine Stimme von einem Computer simuliert. Der 60-jährige Nationalratsabgeordnete leidet nämlich an einer chronischen Erkrankung, die seine Stimme schwer beeinträchtigt. 

Mithilfe von Computerprogrammen und Künstlicher Intelligenz wurde die Stimme von Fürlinger geklont. Dadurch ist es möglich, dass er eine Rede mit seiner persönlichen Stimme hält, ohne selbst zu sprechen. 

Premiere im Parlament

Für das Hohe Haus ist das eine Premiere. Fürlinger sei sogar weltweit einer der ersten Parlamentarier, der eine Rede hält, die er selbst verfasst hat, deren Vortrag jedoch von einer KI-generierten Stimme übernommen wird, heißt es von Zero Project Austria, das in die Erstellung des sogenannten Stimmavatars eng eingebunden war. 

Das Zero Project ist eine in Österreich gegründete, internationale, forschungsbasierte Initiative. Deren Ziel es ist, innovative Lösungen zu finden, um Menschen mit Behinderungen ein barrierefreies Leben zu ermöglichen. Ins Leben gerufen wurde Zero Project von der Essl Foundation. Die technische Umsetzung für den Stimmavatar hat das Tiroler Unternehmen "Smart In Life" übernommen.

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NATIONALRAT - SONDERSITZUNG: FÜRLINGER

ÖVP-Mandatar Klaus Fürlinger bei einer Rede im Parlament im Mai 2021

Wie entsteht ein KI-Stimmavatar?

Um die Stimme des ÖVP-Mandatars klonen zu können, wurden seine früheren Reden im Nationalrat herangezogen. Anschließend wurde ein KI-Modell mit den Aufzeichnungen seiner Stimme trainiert, um die jeweilige Tonalität, Betonung und Intonation zu erlernen. Daraus ist eine natürlich klingende Computerstimme entstanden, die von der echten Stimme Fürlingers kaum zu unterscheiden ist. 

Im konkreten Fall kam die Software der KI-Audioplattform ElevenLabs zum Einsatz, wie Martin Morandell von Smart In Life im Gespräch mit der futurezone erklärt. ElevenLabs ist darauf spezialisiert, mithilfe von KI menschlich klingende Stimmen zu erzeugen. Auf diese Weise lässt sich ein geschriebener Text als gesprochene Rede vortragen - so wie es in der Plenarsitzung am 11. Dezember das erste Mal im Hohen Haus passieren wird. 

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In enger Zusammenarbeit entstanden

Wichtig festzuhalten ist, dass die Stimme nur mit der ausdrücklichen Zustimmung des Redners selbst erstellt wurde, erklärt Morandell gegenüber der futurezone. Die Umsetzung sei mittels transparenter Prozesse und enger Abstimmung mit der Parlamentsdirektion über die Bühne gegangen. 

ÖVP-Mandatar Fürlinger hat seine Rede zur Gänze vorbereitet und am Computer geschrieben. Am Rednerpult wird dieser vorgefertigte Text mithilfe seines KI-Stimmavatars vorgetragen. Eine spontane Interaktion mit dem Plenum ist daher nicht möglich.

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Screenshot EvenLabs - Text-to-Speech-Tool

So sieht ein Text-to-Speech-Generator aus, mit dem aus einem Text eine menschlich klingende Rede wird.

Kommunikation mittels vorgefertigter Bausteine

Das sei im konkreten Fall auch gar nicht beabsichtigt gewesen, sagt der Gründer und CEO von Smart In Life. Rein technisch sei eine Interaktion seitens des "Redners" aber durchaus möglich. Dafür gäbe es verschiedene Herangehensweisen, die im Wesentlichen von den jeweiligen körperlichen Beeinträchtigungen abhängen. 

So könnten beispielsweise vorgefertigte Sätze mittels Stimmavatar vorformuliert werden, mit denen in der Folge kommuniziert wird. Die Auswahl dieser Textbausteine sei unter anderem mittels Touch-Eingabe, über eine herkömmliche Tastatur sowie per Augensteuerung oder durch Kopfbewegungen möglich. 

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Strenge Sicherheitsvorkehrungen

Die KI-Spezialisten von EvenLabs haben umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen getroffen, damit eine geklonte Stimme nicht missbräuchlich verwendet werden kann. So muss man sich beispielsweise mit seiner eigenen Stimme identifizieren, bevor man mit den EvenLabs-Werkzeugen einem Stimmavatar irgendwelche Worte in den Mund legen kann. 

Wenn dies nicht möglich ist, etwa weil die Person selbst keine Stimme mehr hat, sind spezielle Identifikationsmethoden notwendig. Auch eine ausführliche medizinische Diagnose wird verlangt, damit eine Rede, wie jene von Fürlinger, per KI-Stimme erstellt werden kann. 

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Missbräuchliche Verwendung

EvenLabs ist aber nur eine Anlaufstelle von vielen, wenn es um die Erzeugung von menschlich klingenden KI-Stimmen geht. So wie diese fortschrittliche Technologie im Fall des ÖVP-Mandatars in Richtung Barrierefreiheit geht und im positiven Sinne eingesetzt wird, können nachgeahmte Stimmen aber auch mit negativen Absichten angewandt werden. 

Man denke nur an Fake News, bei denen Politikern irgendwelche Worte in den Mund gelegt werden können - mit möglicherweise weitreichenden Auswirkungen. Denkbar wäre auch, dass geklonte Stimmen von Kriminellen für Telefonbetrügereien eingesetzt werden.

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Florian Christof

Großteils bin ich mit Produkttests beschäftigt - Smartphones, Elektroautos, Kopfhörer und alles was mit Strom betrieben wird.

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Florian Christof

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