Warum wir mehr Programmiererinnen brauchen
Noch immer entschließen sich wenige Frauen für eine Karriere in der IT-Branche. Weltweit sind nur rund 8 Prozent der Entwickler*innen Frauen, in Europa sind es 17 Prozent. In Österreich ist die Quote mit 14 Prozent leicht unterdurchschnittlich. Dabei werden Frauen in der IT dringend benötigt.
„Einerseits haben wir einen Fachkräftemangel. In der IT fehlen in Österreich rund 24.000 Personen. Diese Zahl kann durch Männer alleine gar nicht gedeckt werden“, sagt Sigrid Hantusch-Taferner, Länderchefin von Codecool, einer internationalen Edtech-Programmierschule, die im Herbst 2021 auch in Österreich gestartet ist.
„Andererseits weiß man, dass diverse Teams immer erfolgreicher sind und bessere Ergebnisse erzielen“, so Hantusch-Taferner. „Die Entwicklung von digitalen Produkten braucht weibliche Beteiligung. Die Hälfte der Weltbevölkerung sind Frauen und digitale Produkte müssen auch auf diese Gruppe zugeschnitten werden“, so die Expertin im Gespräch mit der futurezone.
Akzeptanz von digitalen Produkten
Sie nennt auch Beispiele von technischen Entwicklungen, bei denen Frauen nicht ausreichend berücksichtigt wurden – und die deswegen entweder gescheitert sind oder sich stark verzögert haben. Darunter fallen auch Gaming-Controller der ersten Generation. „Lange Zeit hat man sich gefragt, warum Frauen weniger Games spielen. Das lag durchaus mitunter daran, dass Controller nicht für kleine Hände optimiert waren.“ Frauen bekamen teilweise Krämpfe in den Fingern, weil die Knöpfe zu weit auseinanderlagen.
Auch beim Einsatz von Virtual Reality (VR)-Headsets hat man Frauen nicht von Anfang an mitgedacht. Es brauchte erst zahlreiche Studien, die belegten, dass Frauen beim Tragen von HR-Headsets häufiger übel wird und sie wesentlich öfter Kopfschmerzen bekommen als Männer. Für Frauen müssten daher andere VR-Headsets entwickelt werden.
Derartige Beispiele zeigen, dass es wichtig ist, Frauen von Anfang an bei der Konzeption von neuen Technologien zu beteiligen. Unternehmen kann es durchaus auch wirtschaftlich schaden, wenn sich digitale Produkte am Ende nicht oder nur zeitverzögert durchsetzen, weil Frauen nicht von Anfang an mitgedacht und einbezogen wurden.
Computer-Pionierinnen
Was haben die britische Mathematikerin Ada Lovelace und die österreich-amerikanische Erfinderin Hedy Lamarr gemeinsam? Sie gelten als Computer-Pionierinnen. Beide wurden für ihre Erfindungen allerdings erst posthum geehrt. Lovelace entwickelte 1843 einen Algorithmus für eine analytische Maschine. Sie gilt als erste Programmiererin weltweit. Lamarr erfand 1940 mit dem Frequenzsprungverfahren die Grundlage für den modernen Mobilfunk, um die USA im Kampf gegen das Hitler-Regime zu unterstützen.
Frauen in Bletchley Park
Während des Zweiten Weltkriegs arbeiteten in Bletchley Park, einer geheimen militärischen Dienststelle zur Entschlüsselung von kodierten Nachrichten in Großbritannien, etwa 8.000 Frauen. Sie wurden zum Betreiben kryptografischer Maschinen und von Kommunikationsgeräten sowie zur Datenverkehrsanalyse eingesetzt und spielten auch eine entscheidende Rolle im Kampf um den Sieg gegen Deutschland.
Jane Fawcett arbeitete etwa ab 1940 im „Decoding Room“, in dem verschlüsselte Funksprüche vom deutschen Heer mit der Chiffriermaschine Enigma I abgearbeitet wurden. Auch ihre wichtigen Arbeiten wurden erst in den 1990er-Jahren bekannt. Ebenfalls in Bletchley Park arbeitete Joan Clarke zusammen mit Alan Turing an der Entzifferung von verschlüsselten Funksprüchen der deutschen Kriegsmarine.
Fehlendes Selbstvertrauen
Bei Codecool sind rund 35 Prozent der Bewerber*innen Frauen. Doch von denen, die sich bewerben, werden meist sehr viele Fragen gestellt. Vor allem andere als von Männern, wie Hantusch-Taferner erzählt. „Wir stellen fest, dass Frauen oft einen großen Mangel an Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten haben und sich nicht sicher sind, ob der Job wirklich der richtige für sie ist“, so Hantusch-Taferner. „Und das, obwohl sie bei den Eignungstests häufig besser abschneiden. Männliche Bewerber gehen hingegen voller Selbstbewusstsein in den Prozess, auch wenn sie gar nicht so geeignet sind.“
"Wir stellen fest, dass die Frauen oft einen großen Mangel an Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten haben und sich nicht sicher sind, ob der Job wirklich der richtige für sie ist."
Codecool-Ausbildung zur Programmiererin
Mit der einjährigen Ausbildung von Codecool wird man zum Fullstack Developer mit Jobgarantie ausgebildet. „Die Absolvent*innen sind sehr gut in unterschiedlichsten Bereichen der IT einsetzbar. Der Unterricht ist sehr praxisbezogen und basiert auch auf dem Konzept des Flipped Classroom, bei dem die Studierenden selbst zu den Lehrenden werden“, erklärt die Leiterin von Codecool.
Pro Jahr soll es in Österreich zirka 200 Absolvent*innen des Kurses geben. „Frauen können sich auch für das Codergirl-Stipendium bewerben. 10 Prozent der Plätze werden auf diesem Weg besetzt“, sagt Hantusch-Taferner.
So wolle man Frauen gezielt fördern. „Außerdem müssen wir mehr Aufklärung betreiben. In IT-Jobs sind unterschiedliche Fähigkeiten gefragt. Es geht sehr viel um Teamarbeit, Konfliktfähigkeit, Empathie und Kreativität. Es gibt ganz vielseitige Jobs“, sagt die Codecool-Leiterin.
Frühe Sozialisierung mitentscheidend
Neben der Aufklärungsarbeit sei es auch wichtig, Frauen möglichst früh für Technik und das Programmieren zu begeistern. „Psychologische Studien haben belegt, dass junge Mädchen ihre Kompetenzen in Mathematik noch immer schlechter einschätzen als Buben, dabei sind sie nicht schlechter in Mathematik. Dasselbe gilt auch für den Computerbereich“, sagt Hantusch-Taferner. Man müsse Frauen deshalb aktiv ermutigen, ihre soziale Prägung zu überwinden.
Women in Tech - Let's change IT
Codecool organisiert am 8. März ab 16.30 Uhr mit „Women in Tech – Let’s change IT“ bei freiem Eintritt einen Online-Event, bei dem Frauen in der IT in den Mittelpunkt gestellt werden. Neun Rednerinnen sprechen über den Wert und die Bedeutung von Frauen in der Welt der Technik. Darunter Christine Antlanger-Winter von Google Austria und Tanja Sternbauer, Co-Gründerin von The Female Factor.