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Digital Life

Womit Frauen in der IT-Branche kämpfen müssen

„Meine Meinung zählt nicht so viel, wie die eines Mannes“, „ich soll ein Frauen-Fach studieren“, „meine Nettigkeit wird von Kollegen fehlinterpretiert“. Das erzählen Frauen in technischen Berufen häufiger als man glaubt. Daher ist es wenig überraschend, dass Frauen in MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) unterrepräsentiert sind.

Das führt unweigerlich dazu, dass am Arbeitsmarkt die Frauenquote selten auf über 20 Prozent beschäftigte Frauen steigt. Das bestätigt auch Christine Wahlmüller-Schiller, die mit dem Verband Österreichischer Software Industrie (VÖSI) „Women in ICT“ ins Leben rief. Das Netzwerk für Frauen in technischen Berufen lädt vierteljährlich Frauen - und interessierte Männer - zu Vorträgen und anschließendem Austausch ein. „Wir wollen Frauen in der Branche sichtbar machen. Sie sind Vorbilder, das wollen wir zeigen“, so Wahlmüller-Schiller.

Gespräche auf Augenhöhe

Das ist auch ein Anliegen der Frauen, die solche Veranstaltungen besuchen. Im Gespräch mit der Informatik-Doktorandin Katharina Krösl und der Forscherin Johanna Schmidt, die selbst Teil der Gruppe „IEEE Women in Engineering“ sind, wurde klar: Solche Veranstaltungen sind wichtig, um einen fachlichen Austausch zwischen Frauen zu fördern. „Ich habe oft das Gefühl, dass mir Kolleginnen stärker auf Augenhöhe begegnen. Mir fällt es leichter, sie zu fragen, wie sie sich beispielsweise bei Gehaltsverhandlungen verhalten“, erzählt Krösl. Schmidt hält es vor allem für entscheidend, dass jungen Kolleginnen Mut zugesprochen wird. Mut, sich auch mal durchzusetzen und sich nicht vor Hörsälen zu fürchten, in denen fast nur Männer sitzen.

Eine Studie der FH Oberösterreich zeigte 2018, dass 85 Prozent der befragten Schülerinnen nahegelegt wurde, lieber einen "frauentypischen" Berufsweg einzuschlagen, wie der ORF berichtete. Gemeint ist damit etwas "Kommunikatives" oder "Naturwissenschaften". Ihnen wollen Frauen wie Wahlmüller-Schiller sagen: „Traut s’ euch!“ 

Auch die Programmiererin Teresa hat solche Erfahrungen gemacht: Obwohl sie sich für Informatik interessiert hat, traute sie sich nicht, auf eine HTL zu gehen, studierte zunächst Medizin und wechselte erst nach mehreren Anläufen in die Informatik. Dort fühlt sie sich auch deshalb gut aufgehoben, weil ihre fachliche Kompetenz immer im Vordergrund steht.

Einschüchterungen

Trotzdem passiert es, dass Frauen in der IT eingeschüchtert werden. Die Entwicklerin Lena (Name von der Redaktion geändert) hat solche Erfahrungen gemacht: „Wenn ich fachlich begründete Vorschläge vorbrachte, wurden sie abgetan. Ich wurde abschätzig 'Feministin' genannt“, erzählt sie von ihrer Arbeit in einem großen IT-Unternehmen. Auf ihr Anregen, eine gegenderte Sprache einzuführen, erfuhr sie Ablehnung: "Man fühlt sich ausgelöscht".

Bemühungen der Firmen, für mehr Diversität einzustehen, hat sie noch nicht erlebt. „Meiner Erfahrung nach rühmen sich Firmen gern damit, was sie für Frauen tun - aber die Realität sieht anders aus“. Ihr würde es schon reichen, wenn mehr gegen sexuelle Belästigung getan werden würde. Denn auch das musste sie schon erleben. Statt des von mehreren Frauen beschuldigten Mannes, kündigten aber die Frauen, während er weiterhin eine leitende Position innehat. „Den Frauen wird das Gefühl gegeben, dass sie sich falsch verhalten.“ Auch Teresa setzt sich für Frauen im Unternehmen ein: „Solange das Thema in der Gesellschaft wichtig ist, sollte es auch beim Arbeitgeber wichtig sein.“ Das Budget dafür fehle aber oft.

Gemeinsam stark

Netzwerke, wie „Women in ICT“ verstehen sich deshalb auch als Vermittler. „Gemeinsam sind wir stark. Es ist wichtig, dass sich Frauen einen Erfahrungsaustausch holen. Wenn sie ihn in der Firma nicht bekommen, finden sie ihn außerhalb“, so Wahlmüller-Schiller. 

Christine Wahlmüller-Schiller ist der von "Women in ICT"

Neben der gegenseitigen Stärkung ist vielen auch am Aufbauen eines Expertennetzwerks gelegen. „Männer haben ihre Seilschaften schon lange, bei Frauen fehlt das noch“, sagt Krösl. „Ich möchte wissen, wo die Expertinnen sind und wen ich für zukünftige Projekte anrufen kann“, wünscht sich Johanna Schmidt. Dafür seien Events wichtig, die sich direkt an Frauen richten. Das bedeutet natürlich nicht, dass Männer draußen bleiben müssen, ganz im Gegenteil. Ziel von Netzwerken wie „Women in ICT“ ist es, auch ihnen zu zeigen, welche Probleme und Herausforderungen Frauen haben, und wo gemeinsam etwas verbessert werden kann.

In Österreich gibt es zahlreiche Angebote, die ausschließlich von Frauen für Frauen sind. Women&Code bietet Programmier-Workshops an, die Gruppe NewITGirls organisiert regelmäßig Treffen, bei denen sich Frauen in IT-Jobs weiterbilden können. IEEE - Women in Engineering organisiert Events und Vorträge für Frauen in technischen Berufen. Die Coder Dojos, die es beispielsweise in Wien oder der Steiermark gibt, bieten kostenlose Kurse in Robotik und Programmierung für Kinder und Jugendliche an.

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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