Digital Life

Russland manipulierte Kurs von britischem Kriegsschiff

Am 19. Juni stachen die HMS Defender und HNLMS Evertsen in See. Das Ziel des britischen und niederländischen Kriegsschiffes: der russische Marinestützpunkt in Sewastopol, Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte.

Bis auf 3,7 Kilometer näherten sich die NATO-Kriegsschiffe der Einfahrt des Hafens. Für Russland war das eine klare Provokation. Die NATO würde die Übung im Schwarzen Meer nutzen um zu stänkern, beschwerte sich Russland. Jeder konnte diese Provokation in den öffentlichen Daten des Automatic Identification System (AIS), nachverfolgen, das den Kurs der NATO-Kriegsschiffe zeigte.

Schiffe waren immer noch im Hafen

Allerdings waren die Schiffe zu diesem Zeitpunkt 300 Kilometer weit entfernt. Sie lagen im ukrainischen Hafen Odessa. Das ist nicht nur eine Ausrede der NATO: Sie wurden dort von Live-Webcams gefilmt und allen Bewohner*innen mit Blick auf den Hafen gesehen, berichtet USNI News.

Das AIS-Signal der beiden Schiffe ist offensichtlich manipuliert worden. Das AIS ist ein freiwilliges System, bei dem Schiffe ihre GPS-Position übermitteln. Andere Schiffe können die Signale empfangen und so den Kurs nachvollziehen, um Kollisionen zu vermeiden.

Stationen an der Küste können die Signale empfangen, verstärken und zu Datenbanken übertragen. Ähnlich wie Flightradar.com gibt es Websites, die die Daten sammeln und öffentlich grafisch darstellen. In diesem Fall wurde die angebliche Fahrt der 2 NATO-Kriegsschiffe auf marinetraffic.com und ähnlichen Websites veröffentlicht.

Die HMS Defender ist ein britischer Zerstörer des Typs 45.

Manipulation des Signals fand vermutlich im Hafen statt

Die HMS Defender wurde auf diesen Websites mit ihrer korrekten, aktuellen Kennung angezeigt, IMO 4907878. Die HNLMS Evertsen war als „Netherlands Warship” mit der Kennung MMSI 244942000 gelistet.

Die falschen Signale der 2 Kriegsschiffe wurden von mehreren AIS-Providern erfasst. Deshalb könne man davon ausgehen, dass es sich dabei nicht um einen klassischen Hackerangriff gehandelt hat, bei dem direkt die Datenbank manipuliert wird, berichtet The Register.

Der Datenexperte Steffan Watkins geht deshalb davon aus, dass ein manipuliertes AIS-Signal gesendet wurde. Für dieses „Spoofing“ musste der Sender in der Nähe der Schiffe positioniert werden. Der Sender hätte in einem beim Hafen geparkten Auto oder einem Boot sein können. Da solche Sender zur Manipulation des Signals relativ kompakt sind und in einen Rucksack passen, gebe es zahlreiche Möglichkeiten, ihn unauffällig in der Nähe der Schiffe zu platzieren.

Spoofing ist für Russland nichts Neues. 2019 gab es mehrere Berichte, etwa von den USA, Norwegen und Finnland, das Russland aktiv GPS-Signale von NATO-Ländern störe. Davor soll Russland diese Technologie wiederholt im Jahr 2016 während des Syrien-Konflikts getestet haben.

Warnschüsse gegen HMS Defender

Nach dem gefälschten Vorfall kam es diese Woche zu einem echten Vorfall mit der HMS Defender. Im Rahmen der NATO-Übung im Schwarzen Meer querte die Defender die Gewässer vor der Krim. Russland beansprucht diese Gewässer für sich. Die NATO erkennt aber die russische Besatzung der Krim nicht an. Nach NATO-Ansicht handelt es sich also um Gewässer der Ukraine, ein verbündetes Land der NATO.

Erst versuchten 2 russische Schiffe die Defender vom Kurs abzudrängen. Dann feuerte ein russisches Kriegsschiff Warnschüsse Richtung der Defender ab. Russische Kampfjets flogen im Tiefflug über dem Schiff. Die Defender verließ schließlich die umstrittenen Gewässer, es kam niemand zu Schaden.

Russland hat dieses Bild veröffentlicht, das die HMS Defender zeigen soll

Warnschüsse waren laut Großbritannien nur eine Übung

Laut einem BBC-Reporter an Bord der Defender hatte der Kapitän ganz bewusst diesen Kurs gewählt. Man wollte internationales Recht durchsetzen. Der britische Premier Boris Johnson steht hinter der Aktion: „Es war absolut richtig, das Gesetz zu verteidigen und die Freiheit der Schifffahrt durchzusetzen, in der Weise, wie wir es getan haben.“

Allerdings versucht die britische Regierung den Vorfall auch herunterzuspielen. Während Russland ganz klar von Warnschüssen spricht, handelte es sich laut dem Kabinettsmitglied George Eustice lediglich um eine russische Militärübung. Diese gebe es auf der Krim öfters. Sie habe also wohl gerade zufällig zum selben Zeitpunkt stattgefunden, wie die Fahrt der Defender.

Klicken Sie hier für die Newsletteranmeldung

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!