So wird Österreichs Luftraum überwacht
Ob es nun tatsächlich ein chinesischer Spionageballon war oder ein Flugobjekt eines Hobbyvereins: Die aktuellen Abschüsse des US-Militärs haben weltweit Diskussionen über die Sicherheit des Luftraums ausgelöst. In Österreich ist das Bundesheer für die Sicherung und Überwachung des Luftraums zuständig, zusammen mit der Austro Control, die den zivilen Part übernimmt. Die futurezone hat mit Brigadier Gerfried Promberger, Kommandant der Luftstreitkräfte des Bundesheeres, darüber gesprochen, wie der Luftraum überwacht und mit Sichtungen von Objekten umgegangen wird.
Österreichs Luftraum wird mit Goldhaube überwacht
Das Herzstück der Luftraumüberwachung ist Goldhaube. Das System besteht aus mehreren Radarstationen. Diese sind unterteilt in primäre und sekundäre Radars. Primäre Radars senden Hochfrequenzimpulse aus. Diese werden von Flugobjekten reflektiert. Die Radars messen die Reflexionen und wissen so, wo sich das Objekt in der Luft befindet.
Beim sekundären Radar wird das Signal der Flugzeug-Transponder erfasst, der Daten wie Höhe, Position und Geschwindigkeit aussendet. Die Austro Control betreibt nur Sekundärradars und erfasst damit hauptsächlich die zivile Luftfahrt in Österreich. Hat ein Flugobjekt keinen Transponder oder diesen abgeschaltet, kann es mit Sekundärradars nicht erfasst werden, mit Primär-Radars aber schon. Das Bundesheer betreibt die Primär-Radars. Austro Control und Bundesheer stehen im ständigen Informationsaustausch, um den österreichischen Luftraum vollständig zu überwachen.
Die Leistung der Primär-Radars geht über die Staatsgrenze hinaus: „Es reicht bis nach Berlin“, sagt Promberger. Im Osten reicht es weiter als bis nach Budapest, im Süden überragt die Abdeckung der Überwachung San Marino, im Westen Bern und knapp bis zu Turin. Durch diese größere Abdeckung dient Goldhaube auch als Frühwarnsystem bei möglichen Angriffen.
Radarerfassung von Ballonen
Spionageballone können in bis zu 20 Kilometer Höhe fliegen. Laut Promberger kann das Aktiv-Radar Objekte bis in einer Höhe von bis zu 30 Kilometer erfassen. Wie groß ein Objekt sein muss, damit es erfasst wird, sei eine physische Frage: „Das hängt von der Radar Cross Section ab, also der Radarrückstrahlfläche. Ein Airbus A380 hat z. B. eine Radar Cross Section von 100 Quadratmeter. Eine F-35 (US-Stealth-Jet, Anm. der Red.) hat nur 0,005 Quadratmeter“, erklärt Promberger. Das wäre in etwa so, als würde das Radar einen Golfball erfassen.
Obwohl Spionageballone bis zu 60 Meter groß sind, kann ihre Radar Cross Section trotzdem klein sein. Denn moderne Materialien für Ballons sind durchlässig für Radarstrahlen – zivile Ballone, etwa für Forschungen, werden deshalb oft zusätzlich beschichtet, damit sie erfasst und verfolgt werden können.
„Es hängt also nicht so sehr von der Größe des Ballons ab, sondern von dem, was darunter hängt“, sagt Promberger. Im Falle der Ballons ist das die Nutzlast, etwa der Behälter mit Sender, Antenne und Kamera oder die Solarzellen, die die Technik mit Energie versorgen. Einen solchen Spionageballon würde das Aktiv-Radar aber finden. „Wir finden auch eine DJI-Drohne mit unseren Radars.“
Ergänzende Maßnahmen zum Aufspüren von Flugobjekten
Dass die Spionageballone in den USA lange nicht vom Radar entdeckt wurden, hatte einen anderen Grund: Sie waren zu langsam. Da aktive Radars selbst Vögel noch erkennen, werden Filter gesetzt. Die Filter gehen nicht nur nach Radar Cross Section, sondern auch Geschwindigkeit. Nachdem die USA den ersten Ballon abgeschossen hatten, wurden die Filter nachjustiert. Das führte zu der Entdeckung von weiteren Ballonen und deren Abschüssen, wovon zumindest 3 aus heutiger Sicht harmlose Ballone zu Forschungszwecken waren.
In Österreich gibt es Maßnahmen, um zu verhindern, dass solche Objekte durch die Radarüberwachung schlüpfen. „Wir haben Visual Reporting Teams, die an wichtigen Punkten den Luftraum überwachen“, sagt Promberger. Einfacher ausgedrückt sind das Soldaten mit Feldstechern. „Zusätzlich verdichten wir mit schnell drehenden Radars, diese haben jeweils eine Reichweite von 50 bis 70 Kilometern.“ Sie dienen zur Erfassung von tieffliegenden Objekten, die die normalen Radars sonst nicht erfassen würden. „Diese haben aber die End-of-Lifetime erreicht“, sagt Promberger. Ein Austausch könnte im Rahmen der geplanten Aufstockung der Boden-Luft-Abwehr erfolgen.
Aktive Luftraumüberwachung mit Eurofighter
Haben die Radars oder Visual Reporting Teams ein mögliches Objekt erkannt, das nicht zugeordnet werden kann, kommen die Eurofighter ins Spiel. Goldhaube wird als die passive Luftraumüberwachung bezeichnet, die Kampfflieger Eurofighter sind die aktive Luftraumüberwachung. „Wir lösen einen Alarmstart aus. Die Eurofighter stellen Sichtkontakt her und fotografieren das Ziel. Dazu sind sie mit Kameras ausgestattet“, sagt Promberger.
Die Eurofighter steigen etwa auch auf, wenn ein ziviles Flugzeug ohne Transponder unterwegs ist oder nicht auf Funksprüche oder Anweisungen der Fluglots*innen reagiert. Allerdings nur von 8 bis 20 Uhr. Vor dem Überfall von Russland auf die Ukraine war sogar schon nach 18 Uhr Schluss. Es fehlt an Personal und Budget, um eine 24-stündige Alarmbereitschaft zu ermöglichen. Zudem mangelt es an modernen Nachtsicht-Equipment. Die Bundesheer-Eurofighter können zwar bei Nacht fliegen, was auch regelmäßig trainiert wird, die Identifikation von Objekten und die Nachtkampftauglichkeit ist aufgrund der fehlenden Technik aber stark eingeschränkt. Im Oktober 2022 wurde beschlossen, die Eurofighter mit entsprechenden Geräten nachzurüsten.
Trotz der eingeschränkten Flugzeiten gibt es 50 bis 70 Alarmstarts jährlich für die Eurofighter. Vorfälle mit Ballons gab es bisher 2. 2011 riss sich ein 40x10 Meter großer Ballon eines Kunstprojekts in Linz los. Weil er auf dem Radar zuerst nicht sichtbar war, wurde er von Eurofightern begleitet, um den zivilen Luftverkehr zu warnen und entsprechend umleiten zu können. 2018 gab es laut Promberger einen Vorfall, bei dem ein Ballon von Deutschland aus in den österreichischen Luftraum eindrang. Dieser wurde mit Goldhaube erfasst.
UFO-Sichtungen werden ernst genommen
Sichtungen von nicht identifizierbaren Objekten sind Promberger nicht bekannt. Auch von anderen Stellen des Bundesheeres heißt es, dass es bisher „keine unerklärlichen Fälle gab“. Abtun will Promberger Meldungen zu Flugobjekten keinesfalls: „Wir nehmen das ernst. Wenn uns E-Mails über den Bürgerservice oder andere Wege erreichen, wird das entsprechend überprüft. Wir gehen dem nach, jeder Vorgang wird entsprechend bearbeitet. Auch Bilddokumente werden untersucht und analysiert. Wichtig für die Untersuchungen sind möglichst präzise Angaben über den Vorfall, im Idealfall mit GPS-Koordinaten des Ortes der Sichtung.“
Ein Teil dieser Untersuchung ist, die Radarerfassungen im betroffenen Gebiet zu dem Zeitpunkt der Sichtung zu überprüfen. Laut Promberger ist das auch mehrere Wochen nach dem Vorfall möglich. „Wenn wir aber keine Radarerfassung haben, dann gehen wir davon aus, dass da nichts ist.“
Genormte Abläufe für Anlassfälle
Und wenn doch mal was ist? Was passiert dann? „Wenn etwas Seltsames zeitnahe vorkommt, wird Alarmstart ausgelöst und die Eurofighter fotografieren das Objekt“, sagt Promberger. Bei jeder Verletzung der Lufthoheit wird ein Protokoll eingehalten: „Bundesministerin Tanner wird angerufen, wir schlagen eine Vorgehensweise vor, geben ein Lagebild. Bei Bedarf wird das Innenministerium mit an Bord geholt.“ Auf die Frage der futurezone, ob es ein spezielles Vorgehen gibt, wenn das Objekt nicht durch die Eurofighter klar als Flugzeug oder Ballon identifiziert werden konnte, gibt es folgende Antwort: „Es gibt genormte Abläufe aufgrund der Anlassfälle.“
Abschießen eines Objekts
Bisher musste noch kein Objekt abgeschossen werden. Beim Ballon-Vorfall von 2011 entschied man sich dagegen. Die Gefahr, dass durch den Absturz des Ballons Menschen zu Schaden kommen, wäre zu hoch gewesen.
Technisch möglich ist so ein Abschuss jedenfalls. Der Eurofighter ist mit Iris-T-Raketen bewaffnet. Das ist das europäische Gegenstück zur amerikanischen Sidewinder-Rakete. Mit dieser Luft-Luft-Rakete hat die US Air Force die Ballone abgeschossen. Der Eurofighter hat eine maximale Flughöhe von 19 Kilometern, die Iris-T eine Reichweite von 25 Kilometern. Ein Spionageballon in 20 Kilometern Höhe könnte also bekämpft werden. Die Iris-T und Sidewinder nutzen einen Infrarot-Suchkopf zur Zielerfassung. Vor dem kalten Himmel würde ein Ballon, bzw. dessen Nutzlast, „regelrecht aufleuchten“, erklärt Promberger. Im Falle der USA war die Sidewinder die sichere Wahl, weil eine Rakete mit Radar-Suchkopf (z. B. AIM-120 AMRAAM) womöglich Ballone mit geringer Radar Cross Section nicht korrekt anvisiert.
Dass aber auch die Sidewinder kein perfekter Ballon-Killer ist, mussten sich die USA eingestehen. Bei einem der Ballon-Abschüsse verfehlte eine erste Sidewinder, abgefeuert von einer F-16, das Ziel. Immerhin ist die Sidewinder günstiger als eine AMRAAM: Eine AMRAAM kostet eine Million US-Dollar, eine Sidewinder 400.000 US-Dollar. Die IRIS-T kostet mit etwa 400.000 Euro ähnlich viel.
Ein Abschießen eines Spionageballons oder anderen Objekts vom Boden aus ist in Österreich nur eingeschränkt möglich. Die Boden-Luft-Rakete Mistral hat eine effektive Einsatzreichweite von 6 Kilometern und Einsatz-Schusshöhe von 3 Kilometern.
Im aufgestocktem Bundesheer-Budget ist die Anschaffung eines Flugabwehrsystems mit mittlerer Reichweite vorgesehen, also bis zu 40 Kilometer. Dafür sind 2 Milliarden Euro eingeplant.