Wie Roboter und Drohnen Notre Dame gerettet haben
Als die ersten Einsatzkräfte am Montagabend bei der Kathedrale von Notre Dame eintrafen, standen sie vor einer großen Herausforderung: Wie kann man das jahrhundertealte Wahrzeichen möglichst rasch vor den Flammen retten, zugleich aber beim Löschen möglichst wenig Schaden verursachen? Hier erwies sich moderne Technologie als Fluch und Segen zugleich. Während auf Twitter, Facebook und Co. Millionen Menschen das Unglück verfolgten und den Einsatz von Löschflugzeugen forderten (unter ihnen US-Präsident Donald Trump), rückten Polizei und Feuerwehr zunächst einmal mit Drohnen und Robotern aus, um die Lage auszukundschaften.
Die elektronischen Kameraden trotzten Rauch und Flammen und konnten so wertvolle Informationen über die Struktur des Brandes liefern. Die Pariser Feuerwehr verfügt selbst über keine Drohnen, borgte aber kurzfristig mehrere Fluggeräte vom französischen Innenministerium aus. Dabei handelte es sich um Modelle vom chinesischen Hersteller DJI, der auf Anfrage der Einsatzkräfte auch rasch das per Software erwirkte Flugverbot in Paris aufhob. „Dank dieser Drohnen konnten wir taktische Entscheidungen treffen, die uns erlaubten, das Feuer zu stoppen, als es gerade die beiden Türme bedrohte“, sagte Gabriel Plus, Sprecher der Pariser Feuerwehr, gegenüber Franceinfo.
Roboter als „guter Verbündeter“
Hier kam Löschroboter „Colossus“ ins Spiel, der von Lokalmedien neben den mehr als 400 Einsatzkräften als „der andere Held von Notre Dame“ gefeiert wurde. Die 500 Kilogramm schwere Neuentwicklung wurde zu diesem kritischen Zeitpunkt in das Innere der Kathedrale vorgeschickt und gab den Einsatzkräften die Gelegenheit, um zahlreiche bewegliche Kunstschätze zu retten, unter anderem Gemälde und Reliquien, wie eine Dornenkrone, die Jesus nach seiner Kreuzung getragen haben soll.
„Colossus ist ein guter Verbündeter unserer Einheit“, sagte Plus gegenüber der Tageszeitung Le Figaro, der vor allem seine Leistungsfähigkeit hervorhebt. Dank zweier 4000-Watt-Elektromotoren kann er unter anderem bis zu 250 Meter an gefüllten Löschschläuchen transportieren – eine Aufgabe, für die man üblicherweise 15 Personen benötigen würde.
Er kann auch bis zu eine Tonne an Ausrüstung, beispielsweise Sauerstoffflaschen, transportieren und bis zu zwei Tonnen schwere Hindernisse zur Seite räumen. Lediglich die Geschwindigkeit des Raupenfahrzeuges ist mit 3,5 km/h etwas behäbig. In Notre Dame lieferten die verbauten 360-Grad-Kameras, mit denen „Colossus“ trotz Rauch und Flammen sehen konnte, aber wohl die wichtigsten Informationen. Diese verfügen über Infrarot-Sensoren und Restlichtverstärker, sodass man auch bei großer Hitze (Wärmebild) und Dunkelheit die Umgebung wahrnehmen kann. 25-facher Zoom ermöglicht es dem Piloten zudem, auch in die Ferne zu sehen.
Verbesserungspotenzial
Der vor Feuer und Wasser geschützte Roboter ist erst seit etwas mehr als einem Jahr im Einsatz, durfte sich aber bereits mehrmals bewähren, unter anderem bei einem Brand in einer Tiefgarage im Pariser Bezirk Choisy-le-Roi, wo er mehr als acht Stunden im Einsatz war, sowie einer Geiselnahme im vergangenen Juni, bei der er den Täter mit dem Wasserstrahl überwältigte.
Der Roboter wird vom französischen Unternehmen Shark Technology entwickelt. Trotz der Erfolge gibt es Verbesserungspotenzial. Vor allem die Laufzeit – derzeit reichen die 46-Ah-Akkus für fünf bis zehn Stunden – sowie die Funktionalität sollen ausgebaut werden. So soll Colossus etwa um eine Trage erweitert werden, auf der Verletzte transportiert werden können.
Österreich als Weltmarktführer
Für Bruno Walter, Gründer und Geschäftsführer des Vorarlberger Unternehmens LUF, ist „Colossus“ aber nicht mehr als ein „fahrbarer Löschmonitor, der einen Schlauch hält“ und eher ein Handling- als ein Löschroboter. „Der Roboter kann ihnen zeigen, dass es da drinnen brennt, bei der aktiven Brandbekämpfung kann er den Feuerwehrmann aber auch nicht unterstützen.“ LUF ist nach eigenen Angaben Marktführer auf dem Bereich der Löschroboter und erwirtschaftete allein im Vorjahr 16 Millionen Euro damit. Die Fahrzeuge sind in mehr als 20 Ländern weltweit im Einsatz, der Großteil davon in Asien und Europa. „Wir werden da nicht so stark beachtet und das ist uns eigentlich ganz recht“, sagt Walter.
Shark Technology sieht Walter nicht als direkte Konkurrenz an, diese sei eher in China zuhause. Eines seiner Modelle hätte er aber dennoch gerne in Notre Dame im Einsatz gesehen. Der knapp 550 Kilogramm schwere LUF Micro hätte sich perfekt für „wasserschadenarme Brandbekämpfung“ geeignet, wie sie dort erforderlich gewesen wäre. Das bislang kleinste Modell des Herstellers aus dem Ort Thüringen (Bezirk Bludenz) ist erst seit vergangenen Herbst auf dem Markt. Es ist kompakt genug, um beispielsweise bei Hochhausbränden in Singapur im Lift zum Einsatz zu kommen. Im Gegensatz zum „Colossus“ brauchen die LUF-Fahrzeuge zudem kein externes Fahrzeug, da diese über eine integrierte Hochdruckpumpe verfügen.
Deswegen setzt man aber auch auf einen Diesel-Motor, da herkömmliche Akkus bei einer derartigen Aufgabe rasch leer wären. „Da wäre eine Batterie schon nach zehn Minuten am Ende, wir halten da bis zu drei Stunden durch“, erklärt Walter. Damit der Diesel-Motor auch bei „totaler Verrauchung“ und anderen Extrembedingungen funktioniere, setze man auf „Militär-Technologie“.
Bei bestimmten Aufgaben besser
Wolfgang Netzer von der Wiener Firma Taurob sieht in „Colossus“ hingegen das perfekte Beispiel dafür, dass „Roboter ein gutes Werkzeug sein können, um gezielte Aufgaben zu erfüllen“. Taurob stellt selbst ähnliche Roboter her, die mit zahlreichen Sensoren ausgestattet sind und im Notfall auch eingreifen können. „Wir haben mit dem Mineralölunternehmen Total einen Roboter entwickelt, der vollkommen autonom auf Ölbohrinseln zum Einsatz kommt“, erklärt Netzer. Dieser fährt regelmäßig eine vorgegebene Strecke ab, nimmt Messungen vor, überprüft Ventile und liest Instrumente ab. Bei Abweichungen wird ein Mensch benachrichtigt, der anschließend die Kontrolle über den Roboter übernehmen kann.
Dass ein Roboter vollständig die Aufgaben eines Feuerwehrmannes übernehmen könnte, hält er nicht für ausgeschlossen, derzeit aber für schwierig umsetzbar. „Die extreme Hitze macht Robotern ebenso schwer zu schaffen. Und man darf nicht vergessen, dass im Katastrophenfall durch Geröll und dergleichen viele Wege versperrt sind, die von Menschen leicht überwunden werden können.“ In gewissen Situationen, beispielsweise wenn hohe Explosions- oder Einsturzgefahr bestehe, mache der Einsatz eines Roboters mehr Sinn.
„Nicht warten, bis der Stephansdom brennt“
Walter schränkt das jedoch ein. „Ein komplett autonomer Löschroboter ist ein Wunschtraum. Man muss einen Roboter in die bestehenden Taktiken eingliedern lassen können.“ Der Roboter könne die Einsatzkräfte lediglich unterstützen, beispielsweise durch das gezielte Versprühen von Aerosol den Raum kühlen. Letztendlich sei ein Roboter auch nur ein Werkzeug, wie ein Löschfahrzeug, weswegen er einige seiner Löschroboter auch als „Mikrofeuerwehrfahrzeug“ bezeichnet. Auch das oberösterreichische Unternehmen Rosenbauer arbeitet seit 2014 an Löschrobotern, derzeit verfügt man aber lediglich über einen Prototypen, der intern erprobt wird. "Es geht bei Löschrobotern um mehr als nur in einen brennenden Raum fahren zu können und Wasser abzugeben", sagt ein Sprecher des Unternehmens. Man wolle entsprechende Geräte erst ausliefern, wenn diese "absolut zuverlässig" seien, um keine Menschenleben zu gefährden. Neben Robotern erprobte man unter anderem auch eine Drohne, die aus 85 Meter Höhe mit einem Schlauch Löscharbeiten durchführte.
Laut Taurob seien die heimischen Feuerwehren „sehr offen gegenüber Technik“ und hätten sich oftmals an der Entwicklung neuer Technologien beteiligt. Doch wenn es um den Einsatz gehe, herrsche oftmals viel Skepsis, so Walter. „Die Feuerwehren trauen sich oftmals nicht, etwas Neues zu kaufen. Das wird solange als Spielzeug angesehen, bis es das erste Mal im Einsatz ist.“ Dabei hätten die Löschroboter durchaus Vorteile, wie Notre Dame gezeigt habe. „Man wartet ja nicht, bis Notre Dame oder der Stephansdom brennt. So etwas beschafft man sich lieber früher als später.“