Dying Light 2 im Test: Festhalten, durchhalten, Zombies spalten
Dying Light 2 (PS4/5, Xbox One/Series, PC, ab 18 Jahren) spielt 15 Jahre nach dem ersten Teil. Die Zombie-Apokalypse hat den Großteil der Zivilisation dahingerafft. Nur noch wenige Städte beherbergen größere Gruppen von Menschen und auch diese sind alles andere als sicher.
Man schlüpft in die Rolle von Aiden, der in eine solche Stadt geht, um jemanden zu suchen. Ich habe Dying Light 2 für die PS5 getestet.
Größer, höher, westlicher
Während die Stadt in Teil 1 vom Nahen Osten inspiriert war, ist die in Dying Light 2 westlich. Laut dem Spielentwickler Techland ist sie irgendwo in Europa, sie könnte aber genauso gut im Nordwesten von Amerika sein.
Der Szenenwechsel kann zu Beginn überwältigend sein – nicht im positivem Sinn. Das gilt vor allem, falls man seit dem Erscheinen des ersten Teils im Jahr 2015 das Game nicht mehr gespielt hat, oder überhaupt ohne Vorbelastung in Dying Light 2 einsteigt.
Die Häuser sind höher, die Straßen sind enger, die Dächer sind verwinkelter. Es dauert eine Weile, bis man sich wieder an die Parcours-Elemente und Klettereien in der First-Person-View gewöhnt.
Der Boden ist Lava!
Dabei merkt man recht schnell: Der Boden sollte gemieden werden, wie der Teufel. Dort wimmelt es von Zombies, Gesetzlosen und gelegentlich giftigen Chemikalien.
Da die Häuser der Stadt jetzt höher sind, ist das zusätzlich gefährlich. Man muss erstmal einen Weg finden, um wieder auf ein Dach zu kommen, wenn man doch mal am Boden ist. Wenn man dabei von einer Zombiehorde gejagt und bespuckt wird, ist das stressig. Wenn Aiden dann auch noch das Klettern an einer Stelle verweigert, die perfekt kletterbar aussieht, ist das nervig und endet oft in: „Du bist tot. X drücken für Respawn“.
Das stärkste Element im Spiel braucht starke Nerven
Und das ist ein großes Problem in Dying Light 2. Das ganze Game ist für die Parcours-Elemente ausgelegt und da stockt es. Es ist frustrierend, wenn Aiden irgendwo nicht rauf kommt – selbst ohne Untote, die an seinen Pobacken nagen. Für eine Stelle habe ich 7 Versuche benötigt, weil Aiden sich an einem runden Ding, das von der Decke hängt, nicht festhalten wollte. Obwohl es nur einen Absprungort gibt, springt Aiden mal darüber hinweg, dann genau dagegen, ohne sich festzuhalten, usw.
Stichwort festhalten: Im Gegensatz zu anderen Actiongames, kostet es hier Ausdauer. Das heißt man hat gerade am Anfang des Spiels nur wenig Zeit, um Kletter/Parcours-Passagen zu meistern. Wer zu lange herumhängt oder ein bisschen zu tief an die kletterbare Wand gesprungen ist, hat nicht genug Ausdauer, um bis nach oben zu klettern und stürzt ab.
Durch das Finden von Inhibitoren kann man die Ausdauer erhöhen. Wer viel läuft, springt und klettert, schaltet zudem weitere Parcours-Fähigkeiten frei. Hier wird Dying Light 2 dann deutlich besser. Die höhere Ausdauer und einige Fähigkeiten, wie etwa vertikaler und horizontaler Wallrun, helfen hakelige Parcours- und Kletterpassagen zu glätten und die Nerven zu schonen.
Bis dahin muss man gut 8 bis 10 Stunden Spielzeit durchhalten. Dann kommen auch Gegenstände zur schnelleren Fortbewegung hinzu, wie der Gleitschirm. Das, plus der nächste Stadtteil mit massiven Hochhäusern, heben das Game auf ein neues Level.
Nahkampf und Dropkicks sind Trumpf
Wie schon bei Teil 1 werden die Kämpfe fast ausschließlich mit Nahkampfwaffen bestritten. Zwar gibt es auch Bogen und Armbrust, diese sind aber sehr schwach. Ein Zombie, der nach 2 Schlägen mit der Machete kopflos ist, läuft mit 8 Pfeilen im Kopf noch munter herum. Auch menschliche Gegner sind ziemlich unbeeindruckt, wenn man ihnen aus dem Hinterhalt einen Pfeil in den Kopf schießt. Besser wird es erst ab ca. 15 Spielstunden, wenn vernünftige Bögen gefunden und die passenden Kampffähigkeiten dafür freigeschaltet werden.
Wie beim Parcours, können durch gesammelte Kampfpunkte neue Kampffähigkeiten freigeschaltet werden. Und ja, der Dropkick ist wieder dabei und es macht immer noch riesigen Spaß, mehrere Feinde oder Zombies gleichzeitig von Häuserdächern oder in Stachelbarrikaden zu kicken.
Aber auch hier braucht man etwas, bis man sich an alles gewohnt hat, was ua. an der nicht schlüssigen Steuerung liegt. Zu Beginn kann man den Dropkick nur machen, wenn man auf einen benommen Gegner zuläuft, R1 drückt und dann R2 drückt bzw. gedrückt lässt. Um den später freischaltbaren normalen Dropkick zu machen, drückt man R1 zum Springen und dann zweimal L1. Im normalen Kampf ist L1 die Blocktaste, viel Sinn macht diese Steuerung nicht.
Blocken, ausweichen, Schädel spalten
Bei gewöhnlichen Zombies kann man meistens einfach draufhauen, solange die Ausdauer reicht. Gegen Menschen muss man im richtigen Moment blocken oder erkennen, wenn sie einen starken Schlag machen, und ausweichen, um Treffer landen zu können. Diese blocken und weichen nämlich auch aus, werfen Messer oder schießen Pfeile. Alles macht sehr viel Schaden, weshalb man sich nicht leisten kann, viele Treffer einzustecken.
Hat man den Rhythmus mal raus, machen selbst chaotische Kämpfe Spaß, bei denen sich etwa Zombies dazu mischen oder man stärkere Infizierte bekämpft. Im Idealfall kombiniert man Kampf und Parcours dabei.
Für Zartbesaitete ist dieser Todestango jedenfalls nicht geeignet. Regelmäßig fliegen in Zeitlupe Körperteile davon, egal ob von Zombies oder Menschen, werden Schädel zertrümmert und Körper verbrannt.
Shitstorm wegen zu viel Inhalt
Anfang Jänner hat Techland noch stolz verkündet, dass man 500 Spielstunden braucht, um in der offenen Welt von Dying Light 2 alles zu erledigen. Die Folge war ein Shitstorm der Fans, die ihre Freizeit nicht genug gewürdigt sahen – es sei zuviel.
Ja, es ist viel. Und ja, der Shitstorm war unnötig, da „alles“ auch alles optionale beinhaltet. Es ist eine offene Welt und wie üblich, ist diese gefüllt mit sammelbaren Gegenständen, Easter Eggs, Nebenaufgaben, Zeitrennen, usw. Dazu kommen noch multiple Enden, die Wahl ob man eroberte Gebäude der einen oder anderen Fraktion gibt und Missionen, die man nur bekommt, je nachdem welche Entscheidung man in der Story trifft. Man muss also das Game mehrmals spielen, um alles zu sehen.
Fokussiert man sich nur auf die Hauptgeschichte, ist man nach 20+ Stunden durch. Mit allen Nebenmissionen geht es Richtung 80 Stunden. Wer dabei Gesellschaft möchte, kann Dying Light 2 online kooperativ spielen: 2 bis 4 Spieler*innen sind möglich. Ein Genuss ist das nur, wenn alle Beteiligten auf etwa demselben Level sind – ingame und mit dem Controller. Es ist schon sehr mühsam, wenn man immer wieder minutenlang auf einem Dach auf die Mitstreiter*in warten muss, weil sie in Parcours noch schlechter ist als man selbst.
Das leidige Thema Nachtarbeit
„Mühsam“ ist auch das Wort, dass vielen Spieler*innen von Dying Light in den Sinn kommt, wenn sie an die Tag-Nacht-Wechsel aus dem ersten Teil denken. Auch den gibt wieder – mit einem Twist. Es gibt jetzt ein Zeitlimit. Wenn man es nicht alle paar Minuten zu einem UV-Licht schafft, ist man tot. Sind Chemikalien in der nähe, geht der Timer noch schneller runter.
Ansonsten ist die Nacht wie beim Vorgänger: gefährlich. Es sind überall mehr Zombies, die einen gnadenlos jagen, auch meilenweit über Häuserdächer. Als Anreiz freiwillig in der Nacht zu spielen, gibt es mehr Erfahrungspunkte und seltene Gegenstände in Dunkelzonen, die sich nur nachts plündern lassen und meistens schleichend gemeistert werden wollen. Außerdem sind nachts mehr spezielle Infizierte unterwegs. Beseitigt man sie, bekommt man Sammelmarken, die wiederum für Upgrades von Bauplänen benötigt werden.
Mit diesen Bauplänen kann man Waffen modifizieren. Um beim Thema „mühsam“ zu bleiben: Die Waffen werden wieder kaputt, wie beim Vorgänger. Allerdings findet man recht häufig neue Waffen, vom Tischbein bis zum Katana, und kann 24 Stück gleichzeitig im Inventar haben, weshalb zumindest das kein großes Problem ist.
Fazit
Dying Light 2 macht einem den Anfang schwer. Nicht nur Neulinge, auch Veteranen müssen erst in das Spiel finden. Für mich haben nicht die Kämpfe das Nervenkostüm strapaziert, sondern die Kletterpassagen und Parcours-Elemente, die manchmal einfach nicht so funktionieren, wie sie sollten.
Hat man mal an die 8 Stunden Zeit in das Game investiert (und die richtigen Fähigkeiten ausgewählt), wendet sich das Blatt. Durch den Gleitschirm und die neuen Parcours-Fähigkeiten wird die offene Welt mehr und mehr zum Verbündeten, oder zumindest zum Freund, anstatt feindlich zu bleiben. Man beginnt sich wohl zu fühlen und das Verlangen, Nebenmissionen zu machen und Geheimnisse zu entdecken, steigt.
Eine Schwäche ist, wie sooft bei solchen Games, die Story. Hier darf man sich nichts erwarten. Ich fand oft Nebenaufträge und die Geschichten der NPCs spannender, als die Haupthandlung. Zum Glück gibt es davon mehr als genug.
Ein letzter Tipp an alle, die bereit sind sich auf das Parcours-Zombieapokalypse-Spiel einzulassen: Spielt das Game auf Englisch. Die deutschen Sprecher*innen sind furchtbar.