Back 4 Blood im Test: Wie Left 4 Dead, nur verkompliziert
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Mit Left 4 Dead machte der Half-Life-Macher Valve ein Genre populär: den Koop-Shooter. Vier Spieler mussten zusammenarbeiten, um sich durch Levels voller Zombies und mutierten Infizierten zu kämpfen.
2008 erschien das erste Game, 2009 der Nachfolger. Seitdem warten Fans vergeblich auf eine Fortsetzung. Die Trostpflaster dazwischen, die das Gameplay aufgriffen, waren oft nur unbefriedigend, wie World War Z, Warhammer: Vermintide 2 und Aliens: Fireteam.
Aber jetzt gibt es Back 4 Blood (PS5, PS4, Xbox Series X/S, Xbox One, PC). Obwohl schon der Name suggeriert, dass es sich dabei um eine Fortsetzung oder ein Revival der über 12 Jahre alten Left-4-Dead-Serie handelt, hat das Game offiziell nichts mit dem Spiel von Valve zu tun. Back 4 Blood wurde vom Entwickler Turtle Rock gemacht.
Gut kopiert von Left 4 Dead
Die Ähnlichkeiten der beiden Games sind so stark, dass man sich anfangs fragt, ob Valve nicht seine Rechtsabteilung darauf ansetzen sollte. Natürlich hat Valve kein Patent auf einen First-Person-Shooter, bei dem 4 Spieler*innen zusammenarbeiten, um sich durch Levels voller Zombies und mutierten Infizierten zu kämpfen.
Aber auch abseits dieses Basis-Gameplays ist so viel so ähnlich. Der Schutzraum, den es zu erreichen gilt, das Wording der Bildschirmtexte, bis hin zur Animation, mit der der eigene Charakter im Spiel auf Gegenstände zeigt, wenn sie gefunden werden. Sogar einige der mutierten Spezialzombies wurden fast 1:1 übernommen, wie etwa die Witch (Hexe), die nur angreift, wenn man sie beschießt oder ihr zu nahe kommt. In Back 4 Blood verhält sie sich genauso und heißt Hag – was ebenfalls Hexe bedeutet.
Völlig zufällig sind diese Ähnlichkeiten natürlich nicht: Turtle Rock gehörte von 2008 bis 2010 zu Valve und hieß Valve South. Es dürfte nicht schwer sein zu erraten, welche Games Valve South ua. entwickelt hat: Left 4 Dead und Left 4 Dead 2. Nachdem Valve South geschlossen wurde, gründete sich Turtle Rock neu – die Rechte für Left 4 Dead blieben aber bei Valve.
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Karten verkomplizieren das Spiel
Das alles schafft eine Vertrautheit und ein „Yeah, gehen wir es an!“-Gefühl – bis die ersten Tutorials aufpoppen für die Karten. Als Left-4-Dead-Spieler*in ist man hier erstmals vor dem Kopf gestoßen: „Was wie Kartendecks, 5 wählen, 3 Spielmodi, freischalten mit irgendwas, hä? Ich will doch nur mit meinen Kumpels Zombies plattmachen!“
Zu Beginn des Levels werden 5 Karten zufällig aus einem Deck mit bis zu 15 Karten gezogen. Eine davon kann man dann aussuchen, die aktiviert wird. Schafft man das Level, zieht man vor Beginn des nächsten Levels wieder eine. Die Karten bleiben solange aktiv, bis man die Kampagne geschafft hat oder gescheitert ist. Die Karten kehren dann ins Deck zurück – sie sind also nicht einmalige Verbrauchsgegenstände.
Die Decks stellt man sich selbst zusammen. Mehr Karten schaltet man frei, indem man Levels beendet. Die Karten geben Vorteile. Dazu gehören etwa mehr Ausdauer, ein stärkerer Nahkampfangriff oder mehr Tragekapazität für eine bestimmte Munitionsart. Die Idee ist ein Deck so zusammenzustellen, dass die Karten darin den eigenen Spielstil unterstützen.
So gibt es etwa eine Karte, die den Nahkampfangriff durch ein Messer ersetzt, das normale Zombies auf einen Schlag tötet. Aktiviert man diese Karte und danach die Karte, die für Nahkampftötungen einen Lebenspunkt wiederherstellt, ist das eine sinnvolle Kombi für Nahkampf-Fans. Aber macht das Sinn in einem Level oder einer Kampagne, die voll mit Mutationen ist, denen man ja nicht zu nahe kommen sollte? Natürlich nicht. Hier wären wieder andere Karten sinnvoll.
Dann gibt es auch noch Modifikator-Karten. Einer der Spieler*innen, die Kampagnen-Leiter*in ist, muss vor dem Level eine davon auswählen. Diese können das Game schwieriger machen oder ein Bonusziel hinzufügen. Außerdem kann man noch in den Levels Karten finden, die sofort aktiviert werden.
Und jetzt erklärt das mal euren Freunden
Ich verstehe schon, warum es das Kartensystem gibt. Left-4-Dead-Veteranen wird hier mehr Variation geboten und durch die Modifikatoren kann jedes erneute Spielen von bekannten Levels trotzdem anders sein. Außerdem hat man ein Unterscheidungsmerkmal zum Orignal-Left-4-Dead (und damit einen Schutz, um nicht von Valve wegen eines Plagiats geklagt zu werden).
Dieser Versuch mehr Tiefe in das Spiel zu bringen, nimmt aber eines der schönsten und wichtigsten Features des Originals weg: die Zugänglichkeit. Left 4 Dead konnte man Freund*innen in weniger als einer Minute erklären – der Rest hat sich ohnehin beim gemeinsamen Spielen ergeben. Und nach 10 Minuten waren die Freund*innen meistens so begeistert, dass man die nächsten Wochen, Monate oder gar Jahre Left 4 Dead mit ihnen gespielt hat.
Bei Back 4 Blood geht das nicht. Das Kartensystem ist wie eine Mauer, die man überwinden muss, um ins eigentliche Spiel zu kommen. Und weil man immer wieder neue Karten anschauen, sortieren und Decks herumschieben muss, nimmt das Momentum aus dem Game. Anstatt schnell mal Zombies zu bekämpfen, beschäftigt man sich 10 Minuten lang damit zu überlegen, ob man lieber die oder die Karte ins Deck gibt.
Schaufensterbummel statt Flucht vor den Untoten
Das Problem mit dem Momentum gibt es nicht nur vor dem Start eines Levels, sondern auch mittendrin. Denn Waffen haben nicht nur verschiedene Werte, sondern auch 4 Plätze für Zubehör, die die Werte und Eigenschaften beeinflussen.
Sieht man so eine Waffe herumliegen, stellt man sich davor und beginnt die Werte zu vergleichen. Dasselbe gilt für Waffenzubehör, das man findet. Das Originalkonzept von Left 4 Dead sieht aber kein Stehenbleiben vor und schon gar nicht für einen Schaufensterbummel. Das Motto war „Run or Die“ und nicht „rumstehen und Waffen anstarren“.
Einfach alles, was gute Werte hat, aufsammeln, ist aber auch keine gute Idee. Denn nicht jedes Zubehör ist auf jeder Waffe sinnvoll. Ein Zielfernrohr mit viel Vergrößerung macht zwar gute Werte, ist auf einer Schrotflinte aber ziemlich sinnlos. Und einmal aufgesammeltes Zubehör kann nicht mehr entfernt, sondern nur durch anderes Zubehör ersetzt werden. Kommt man da zu spät drauf (oder hat sich eine andere Spieler*in das gerade ersetzte und am Boden liegende Zubehör geschnappt) hat man sich vielleicht ein tolles Waffen-Setup ruiniert.
Diese ständigen Pausen werden nicht nur durch Waffenzubehör verursacht, sondern auch durch Gegenstände, die herumliegen. Da man jeweils nur einen Hilfs- und Offensiv-Gegenstand mitnehmen kann, muss man sich auch immer entscheiden, ob jetzt ein Taser oder ein Dietrich sinnvoller ist, oder man einen Molotov-Cocktail statt der Tretmine einpackt. Und während die Mitspieler*innen vor einer Kiste herumstehen und über ihr Setup nachdenken, ist man alleine damit beschäftigt, heranströmende Zombies abzuwehren. Und so entsteht eine ungute Dynamik: Eine Hälfte der Spieler*innen ist verwirrt, weil sie nicht weiß welche Gegenstände oder welches Zubehör sie nehmen soll und die andere Hälfte ist frustriert, weil sie ständig warten muss und nichts weitergeht.
Wirklich gut ist es nur mit Freund*innen
Im Gegensatz zu Left 4 Dead hat Back 4 Blood keinen Splitscreen-Modus. Wer alleine spielt, bekommt 3 Bots zur Seite gestellt. Die funktionieren nur bedingt. Sie lassen zwar immer wieder Munition für einen fallen, bleiben dafür aber in Ecken hängen und lassen sich manchmal bereitwillig von Zombies fressen, ohne viel Gegenwehr zu leisten.
Online gibt es ein Matchmaking, man kann also mit irgendwelchen Leuten spielen, ohne vorher eine Gruppe bilden zu müssen. Im Test auf der PS5 hat das Matchmaking nicht zufriedenstellend funktioniert. Im Testzeitraum über mehrere Wochen hinweg war ich nie in einem Game mit 3 weiteren, menschlichen Spieler*innen, trotz Plattform-übergreifendem Crossplay. Oft waren Spieler*innen auch nur kurz da und haben nach 5 Minuten wieder das Game verlassen. Zudem dauert es relativ lang, bis ein Spiel gefunden bzw. gestartet wird.
Auf dem niedrigen Schwierigkeitsgrad reicht eine gute Mitspieler*in, um durch die Levels zu kommen. Auf den höheren Schwierigkeitsgraden sollte man schon zu viert sein, denn hier sind die Bots, die die fehlenden Plätze auffüllen, tatsächlich nutzlos. Auf das Matchmaking kann man sich nicht verlassen, deshalb gilt: Back 4 Blood macht nur Spaß, wenn man bereits eine Gruppe von mindestens 3 Spieler*innen oder Freund*innen hat, die bereit ist regelmäßig zu spielen. Mit Fremden per Matchmaking wird es sonst frustrierend.
Hat man diese Gruppe (oder extremes Glück beim Matchmaking) und ist halbwegs mit dem Kartensystem vertraut, macht Back 4 Blood so viel Spaß wie es sollte. Das gemeinsame Preschen durch die Levels, Risikoeinschätzungen, ob man die Tür jetzt aufbricht oder nicht und das gegenseitige Warnen per Sprachchats (oder um Hilfe schreien), wenn mutierte Zombies auftauchen, ist die richtige Mischung aus Adrenalin-gespeistem Überlebenskampf und Endorphin-Ausschüttung, wenn man vollzählig den Schutzraum erreicht.
Fazit
Back 4 Blood macht vor allem Lust auf eines: Wieder Left 4 Dead zu spielen. Das sieht man auch in den Steam-Statistiken. Derzeit spielen mindestens 20 Prozent mehr Menschen Left 4 Dead 2 (November 2009 erschienen) als Back 4 Blood (Oktober 2021 erschienen).
Back 4 Blood sollte einen „Klassik-Modus“ haben, bei dem die Karten und das ganze aufgeblasene Drumherum reduziert wird. Aber so wie es jetzt ist, schreckt es sowohl Left-4-Dead-Veteranen ab, als auch Gamer*innen die das Original nicht kennen und sich schnellen Zombie-Koop-Spaß erhofft haben.
Wenn man nicht fix eine Spieler*innengruppe für das Game hat, sollte man es nicht kaufen. In ein bis 2 Monaten wird es vermutlich so wenig Spieler*innen geben, dass das Matchmaking nicht mehr richtig funktioniert. Einen Vorteil haben Besitzer*innen eines Xbox Game Pass: Back 4 Blood ist schon seit dem Release enthalten und kann ohne weitere Kosten gespielt werden – sowohl auf der Xbox als auch am PC.
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